Unruhen in Neukaledonien flammen nach Transfer von Festgenommenen nach Europa wieder auf

Nach einer vorübergehenden Beruhigung der Lage im französischen Überseegebiet Neukaledonien flammen die Unruhen wieder auf. Dabei wurden laut Behörden Häuser in Brand gesetzt, Demonstranten errichteten Straßensperren und griffen Polizisten an. (Delphine MAYEUR)
Nach einer vorübergehenden Beruhigung der Lage im französischen Überseegebiet Neukaledonien flammen die Unruhen wieder auf. Dabei wurden laut Behörden Häuser in Brand gesetzt, Demonstranten errichteten Straßensperren und griffen Polizisten an. (Delphine MAYEUR)

Nach einer vorübergehenden Beruhigung der Lage im französischen Überseegebiet Neukaledonien flammen die Unruhen wieder auf. Dabei wurden in der Nacht zum Montag Häuser in Brand gesetzt, Demonstranten errichteten Straßensperren und griffen Polizisten an, wie die Vertretung des französischen Zentralstaats in dem Gebiet berichtete. Zuvor waren mehrere Anführer der Unabhängigkeitsbewegung in Gefängnisse auf dem französischen Festland überstellt worden.

In Dumbéa im nördlichen Großraum der Hauptstadt Nouméa wurden nach Angaben des französischen Hochkommissariats eine Polizeiwache sowie eine Autowerkstatt in Brand gesetzt. Zahlreiche Einsatzkräfte seien mobilisiert worden, es habe Angriffe auf die Polizei und Brandstiftung gegeben. Zudem wurden Blockaden errichtet.

Die Gendarmerie war mit gepanzerten Fahrzeugen im Einsatz, wie ein Journalist der Nachrichtenagentur AFP berichtete. Vermummte Aktivisten bezogen hinter Barrikaden Stellung, schleuderten Wurfgeschosse auf die Einsatzkräfte und beschimpften sie.

Die Staatsanwaltschaft meldete den Tod eines 23-jährigen Mannes mit "Atemnot", der zuvor bei den Straßensperren gewesen war. Die Staatanwaltschaft nahm Ermittlungen auf. Der Mann habe vor seinem Tod seinen Eltern versichert, dass er nicht von der Polizei verletzt worden sei, erklärte die Staatsanwaltschaft. Nach Angaben der Feuerwehr starb zudem ein Autofahrer bei einem Frontalzusammenstoß mit einem anderen Auto, nachdem er wegen einer Blockade zum Umkehren gezwungen war.

Auch in weiteren Städten kam es zu Vandalimus, Brandstiftung und Zusammenstößen zwischen Polizisten und Unabhängigkeitsbefürwortern, wie das Hochkommissariat weiter mitteilte. Viele Schulen blieben am Montagmorgen geschlossen.

Die gewaltsamen Proteste in Neukaledonien waren Mitte Mai durch eine geplante Wahlrechtsreform ausgelöst worden. Die Unabhängigkeitsbewegung lehnt diese ab, da die ursprüngliche Bevölkerung der Inselgruppe im Südpazifik, die Kanaken genannt wird, ihrer Ansicht nach Nachteile zu befürchten hat.

Die umstrittene Reform sieht vor, dass Festlandsfranzosen, die sich in Neukaledonien niederlassen, früher als bisher an den dortigen Regionalwahlen teilnehmen dürfen. Die Kanaken, die mehr als 40 Prozent der Bevölkerung ausmachen, befürchten dadurch eine Verringerung ihres Einflusses. Nach der Ausrufung von Parlaments-Neuwahlen in Frankreich wurde die Reform vorerst auf Eis gelegt.

Mehrere Menschen wurden bei den Unruhen im Mai getötet, der bisherige Sachschaden wird auf etwa eineinhalb Milliarden Euro beziffert. Insgesamt nahmen die Behörden seit Beginn der Unruhen fast 1500 Menschen fest, davon 38 am Montag.

Die Lage war zuletzt ruhiger geworden. Die erneuten Blockaden folgen auf die Überstellung und Inhaftierung mehrerer Anführer der Unabhängigkeitsbewegung auf dem französischen Festland. Unter ihnen ist auch der Sprecher Gruppe CCAT, Christian Tein. Die Behörden hatten der Unabhängigkeitsbewegung vorgeworfen, die Unruhen angezettelt zu haben, CCAT weist das zurück.

Die Staatsanwaltschaft  hatte am Sonntag erklärt, die Aktivisten seien per Charterflug nach Europa gebracht worden, um dort ihre Untersuchungshaft zu verbringen. CCAT forderte am Montag die "Freilassung und sofortige Rückkehr" der Aktivisten und verurteilte die "kolonialen Taktiken" Frankreichs.

Die französische Liga zur Verteidigung der Menschen- und Bürgerrechte kritisierte die Verbringung der Aktivisten in U-Haft "mehr als 17.000 Kilometer von ihrem Zuhause entfernt". Das stelle eine "schwere Verletzung ihrer Rechte auf ein Privat- und Familienleben" dar.

oer/gt