ZDF-Experte Christoph Kramer lästert über England-Star: "Bellingham nervt mich"

"Wenn ich das sehe, blutet mein Fußballherz", litt Christoph Kramer (rechts) mit den tapferen, aber letztlich glücklosen Slowaken. Mertesacker: "Der Fußballgott ist Engländer." (Bild: ZDF)
"Wenn ich das sehe, blutet mein Fußballherz", litt Christoph Kramer (rechts) mit den tapferen, aber letztlich glücklosen Slowaken. Mertesacker: "Der Fußballgott ist Engländer." (Bild: ZDF)

Bis zur 94. Minute war vermutlich sogar englischen Beobachtern klar: Das, was ihre Kicktruppe da gegen die tapferen Slowaken ablieferte, war grottenschlecht. Dann aber gab's doch noch das EM-Happy End. Und Christoph Kramer war sauer auf den Fußballgott.

Fußball kann echt paradox sein. Da kann ein 1:1 in der 95. Minute und das 2:1 in der 92. Minute fallen. Und eine lange bestürzend einfallslos agierende Truppe doch noch gewinnen. Dank eines unverdienten Ausgleichs in der unangemessen ewigen Nachspielzeit der regulären Spielzeit und einem anschließenden Blitztor in der Verlängerung.

Statt "Football's going home" durfte dann "Hey Jude" und "Kane(r) geht noch" gesungen werden. Nach dem 1:2 nach Verlängerung waren nicht nur die Slowaken, sondern auch die ZDF-Experten bedient: "Mir blutet das Fußballherz", jammerte Chris Kramer. Und England-Unterstützer Per Mertesacker war ein bisschen beschämt: "Der Fußballgott ist Brite."

Es war nicht das einzige Mal, dass der Fußballgott angerufen wurde. Chris Kramer tat es auch, nur andersrum. "Es gibt den Fußballgott, deshalb kommt Slowakei weiter", meint er und prognostizierte ein "1:1 nach 90 Minuten." Das stimmte nicht ganz, denn das 1:1 fiel erst in der fünften Minute der Nachspielzeit. Da war Fritzy Kromp besser: "1:0 Slowakei nach 90 Minuten." Mertesacker schien mit seinem Tipp "2:1 England" völlig falsch. Bis sich innerhalb zweier Minuten alles änderte.

Grottenschlecht, aber im Viertelfinale: England schlug die Slowakei, mühsam und erst nach Verlängerung. (Bild: ZDF)
Grottenschlecht, aber im Viertelfinale: England schlug die Slowakei, mühsam und erst nach Verlängerung. (Bild: ZDF)

 

Vorher gab es rund 94 Minuten unübliche Einvernehmlichkeit. Von der gewohnt dramatisch unkenden ("Immer diese Faustabwehren von Dubravka!") Kommentatorin Claudia Neumann und ihrem England-erfahrenen Co-Kommentator Moritz Volz (der ist zwar Deutscher, hat aber acht Jahre auf der Insel in der ersten Liga gekickt, in Deutschland nie) bis hin zur Studiorunde um Jochen Breyer waren sich alle einig: England ist grottenschlecht.

"Es gibt keinen Plan B", "das ist fast ein Armutszeugnis", "die bräsige Spielweise der Engländer", "das sind höchstens Andeutungen für Spielintelligenz", "was die spielen, ist nicht nachvollziehbar", "Ich erkenne nicht, was die wollen" - den Experten fielen unglaublich viele Formulierungen für die nackte Tatsache ein: England spielte nicht nur "konservativer als die Tories" (Volz), sondern richtig schlecht.

"Das war fast ein Armutszeugnis." Per Mertesacker war von "seinen" Engländern enttäuscht, hatte aber mit 2:1 das Ergebnis vorhergesagt. (Bild: ZDF)
"Das war fast ein Armutszeugnis." Per Mertesacker war von "seinen" Engländern enttäuscht, hatte aber mit 2:1 das Ergebnis vorhergesagt. (Bild: ZDF)

 

Das traute sich so zwar nicht mal Chris Kramer zu sagen und auch "Eistonnen"-Per gab sich (auf den Tag!) zehn Jahre nach seinem legendär patzig-ehrlichen Interview nach dem mühsamen 2:1 der Deutschen im Achtelfinale gegen Algerien ("Wat wolln se? Wollen se ne erfolgreiche WM oder solln wa wieder ausscheiden?") verbal sauber. Aber das Zweideutige fand doch seinen Weg in den Experten-Talk.

"England presst sehr unkontrolliert", erkannte Kramer. Fritzi stimmte ihm zu: "Wenn England höher presst, haben die Slowaken trotzdem eine Lösung." Und überhaupt: Deren Pressing sei "oben genauso gut wie hinten". Da fühlte sich auch Neumann fäkalistisch gefordert: "Pickford gibt seinen Vorderleuten so richtig den Einlauf!", erkannte sie.

Expertin Fritzi Kromp lag mit ihrem Tipp
Expertin Fritzi Kromp lag mit ihrem Tipp "1:0 für Slowakei" bis zur 95. Minute richtig - dann traf Jude Bellingham per Fallrückzieher und rettete England in die Verlängerung. (Bild: ZDF)

 

Fallrückzieher Bellingham, Kopfball Kane. 2:1. Das Spiel war gedreht. Die Slowaken dramatisch unglücklich raus. Die englischen Fans konnten ihr Glück (Neumann: "Viel Arbeit und einiges an Dusel") kaum fassen. Schon zur Halbzeit hatten sie ihr eigenes Team ausgepfiffen, jetzt grölten sie "Hey Jude". Nicht wegen der Beatles, sondern wegen Bellingham. Nur Fußballfans können so schnell vergeben und vergessen.

Volz, früher (wie Mertesacker) bei Arsenal aktiv, seufzte: "Der Fußballgott ist Engländer." Wenn das stimmt, dann wird Chris Kramer wohl demnächst dem deutschen Trend folgen und sich von der Religion abwenden: "Bellingham nervt mich", gestand er. Das Theatralische, das Abwinken gegen eigene Mitspieler, das Fouls ziehen, das Reklamieren, das sich am Boden wälzen, störte ihn. Und nicht nur ihn.

Wenn es nach Volz und Fritzi geht, wird es gegen die Schweiz am Samstag aber ohnehin trotz aller göttlichen Fügung eng: "Es ist klar. Wenn England so spielt, werden sie gegen die Schweiz keine Chance haben." Außerdem: Gott pflegte doch, regelmäßig zu ruhen. Daher: Fußballgott, nimm dir am Samstag 'ne Auszeit ...