"Ziemlich beste Freunde": Zum Jubiläum des deutsch-französischen Freundschaftsvertrags

Die ehemalige Lehrerin Helga Klinger schaut sich 60 Jahre alte Filme von der Städtepartnerschaft Oschatz-Vénissieux im Rathaussaal der Stadt Oschatz an: In ihrer Heimatstadt begleitete sie jahrelang regelmäßig Delegationen aus Frankreich. (Bild: ARTE / Helga Klinger)
Die ehemalige Lehrerin Helga Klinger schaut sich 60 Jahre alte Filme von der Städtepartnerschaft Oschatz-Vénissieux im Rathaussaal der Stadt Oschatz an: In ihrer Heimatstadt begleitete sie jahrelang regelmäßig Delegationen aus Frankreich. (Bild: ARTE / Helga Klinger)

"Ziemlich beste Freunde": Viel treffender kann man ein Sonderprogramm zum Jubiläum des deutsch-französischen Freundschaftsvertrags kaum überschreiben.

Rechtzeitig zum Jubiläum des deutsch-französischen Freundschaftsvertrags am 22. Januar sendet ARTE am Samstag, 21. Januar, so etwas wie einen Thementag - unter dem mehrdeutigen Titel "Ziemlich beste Freunde". Dass die Annäherung nach dem Krieg nicht einfach war, belegt unter anderem die Doku "Wie die Deutschen Frankreich lieben lernten".

Während der Thementag zum deutsch-französischen Freundschaftsvertrag vom 22. Januar 1962 bei ARTE um 14.30 Uhr etwas behäbig mit der History-Serie "Die Elsässer" beginnt und sich die Dokumentation "Deutschland - Frankreich: Beziehungsstatus ungeklärt" mit den Aufs-und-Abs der Beziehungen beider Länder auf Politebene befasst, zeigt die Dokumentation "Wie die Deutschen Frankreich lieben lernten" von Jutta Pinzler (NDR 2022, 18.35 Uhr) den Alltag der neuen Begegnungen, die alles andere als selbstverständlich waren. Dass dabei dem Osten Deutschlands ein besonderer Schwerpunkt zu kommt, ist verdienstvoll - sehr leicht wird ja das "andere" Verhältnis, das zwischen Frankreich und der DDR, vergessen oder unter den Tisch gekehrt.

So leidet man auch fast 50 Jahre später noch immer mit der Lehrerin aus dem sächsischen Oschatz mit, die sich immer wieder vergeblich bemühte, nach Frankreich reisen zu dürfen, obwohl sie doch jede Menge französische Delegationen durch ihre sächsische Heimatstadt führte. Als es dann endlich für einmal doch klappte, war die Freude riesig. Vorurteile wurden ausgeräumt, nach Oschatz wurde in der Partnerstadt Vénissieux gar eine "Rue d'Oschatz" benannt. Bei der Bewunderung von Gefrier- und Kühlschränken schmunzelt allerdings der Wessi. Das hätte die Lehrerin etwas weniger weit weg sicher auch haben können.

Dieter, der Lehrer aus Ettlingen (Schwaben), wurde bei der Schülerreise nach Frankreich, einer der ersten überhaupt, hingegen eines Besseren belehrt, was französische Lockerheit betrifft. Begleitet von Super 8-Aufnahmen, berichtet er von vielerlei Reglementierungen. Es gab Vorschriften ohne Ende, die man umgehen musste, sonst hätte man die Reise gar nicht geschafft. Und das in der Champagne, in Epernay. Ob von Ost nach West, oder umgekehrt: Dass der Mensch, "die beste Bildung" erst auf Reisen findet, wusste schon Goethe. Hier wird es noch einmal bewiesen.

Umso bedauerlicher, dass der 60. Jahrestag der ziemlich besten Freunde de Gaulle und Adenauer eher wenig öffentliche Beachtung findet. Die Energiekrise und der Ukrainekrieg scheinen die Europäer auf Distanz zu halten. Vor zehn Jahren war das noch ganz anders. Die Franzosen rückten in Parlamentsstärke im Berliner Reichstag an und ließen sich, etwa von Gregor Gysi, unter viel Gelächter über die Qualität französischer Menüs und über die Kargheit ihres Déjeuners belehren. Vorsicht - schnell ändern sich die Zeiten, wenn man die Freundschaft nicht pflegt.

Der Dokumentarfilm "Wie die Deutschen Frankreich lieben lernten" beleuchtet die langsame Annäherung der beiden Länder - aus deutscher Sicht. (Bild: ARTE / Philipp Münch)
Der Dokumentarfilm "Wie die Deutschen Frankreich lieben lernten" beleuchtet die langsame Annäherung der beiden Länder - aus deutscher Sicht. (Bild: ARTE / Philipp Münch)