Zum Tod von George Michael: Ein trauriges Musikjahr - auch aus politischer Sicht

George Michael ist mit nur 53 Jahren verstorben (Bild: dpa)
George Michael ist mit nur 53 Jahren verstorben (Bild: dpa)

George Michael ist tot. Der britische Ausnahmekünstler starb mit nur 53 Jahren. Auch von anderen schillernden Musikern mussten wir in den vergangenen Monaten Abschied nehmen. Die Verluste tun weh – auch in politischer Hinsicht.

Ein Kommentar von Carlos Corbelle

2016 ist ein besonders trauriges Jahr für die Musikwelt. David Bowie, Prince, Leonard Cohen, Sharon Jones und nun auch George Michael – sie alle sind im Laufe dieses Jahres verstorben. Fünf unnachahmliche Größen der internationalen Popmusik, deren unverwechselbare Stimmen für immer verstummt sind.

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Die Musik bleibt. Daran gilt es sich als Fan festzuhalten, zu erfreuen, zu erinnern, wann immer ein großer Künstler von uns geht. Gleichwohl geht den populären Künsten etwas verloren, das kein Song dieser Welt kompensieren kann: der Mensch, die Haltung hinter dem Werk. Wir werden es spüren, wenn das nahende Jahr 2017 über uns hereinbricht und mit ihm die Ära des erstarkenden europäischen Populismus und des amerikanischen Präsidenten Donald Trump – weil die verstorbenen Musiker für Weltanschauungen standen, die angesichts des derzeitigen politischen Klimas zersetzt zu werden drohen.

David Bowie, Prince, Leonard Cohen und Sharon Jones (Bild: dpa; AP Photo/Chris Pizzello)
David Bowie, Prince, Leonard Cohen und Sharon Jones (Bild: dpa; AP Photo/Chris Pizzello)

“From the wars against disorder, from the sirens night and day, from the fires of the homeless, from the ashes of the gay: Democrazy is coming to the USA”, prophezeite Leonard Cohen vor fast 25 Jahren die Ankunft der “Democrazy” in seinem gleichnamigen Song. Welch bittere Ironie, dass nur zwei Tage nach dem Tod des sozialkritischen Song-Poeten Trumps hasserfüllte Kampagne zum Wahlsieg führte. Als Gegenentwurf zur bornierten Rhetorik des baldigen Machthabers werden Cohens kluge Bestandsaufnahmen gesellschaftlicher Entwicklungen schmerzlich fehlen. Genau wie die mitreißende Soul-Stimme von Sharon Jones, die so ins Mark ging, dass selbst die weißesten Angry White Men ihre ach so männliche Wut für die Dauer eines funkelnden Song-Juwels wie “100 Days, 100 Nights” vergessen dürften.

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Und dann sind da natürlich noch David Bowie, Prince und George Michael, drei Künstler, die sich in keine Kategorie stecken ließen, die Genre- und Gendergrenzen ausloteten, verschoben und sprengten. Androgyn, schwarz, schwul, ein Triumvirat des Schreckens in den Augen aller Patriarchen, Rassisten und ewig gestrigen Verfechter der strikt heterosexuellen Ehe nach vermeintlich biblischem Reinheitsgebot. Wie die drei das Männlichkeitsbild auf je eigene Weise neu interpretierten, jenseits der gängigen Normen von Maskulinität, wies in eine Zukunft, in der das Geschlecht kein starres Konstrukt sein muss. Schaut man sich die misogyne Machoattitüde eines Donald Trump, die virilen Machtdemonstrationen eines Vladimir Putin oder das rückwärtsgewandte Geschlechterrollenverständnis einer AfD an, muss man um diese Zukunft ernsthaft bangen.

David Bowie, Prince, Leonard Cohen, Sharon Jones und nun auch George Michael. Die Songs dieser großen Künstler bleiben uns glücklicherweise erhalten. Die Strahlkraft ihrer Persönlichkeiten wird uns allerdings fehlen. Mehr, als wir im Augenblick ahnen.

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