Zweites Leben dank Organspende: Das spricht dafür und dagegen

Organspenden sind lebensrettend. Doch es fehlt an Spendern. (Bild: dpa)
Organspenden sind lebensrettend. Doch es fehlt an Spendern. (Bild: dpa)

Manipulierte Krankenakten der Patienten auf der Warteliste, an den Meistbietenden verkaufte Organe, die Angst vor dem unkontrollierten Auseinandernehmen des eigenen Körpers. Organspende ist bei vielen Deutschen in Verruf geraten, die Zahl der Spenden sinkt drastisch. Schuld sind Skandale, Angst und fehlende Aufklärung. Dabei ist eines Unbestritten: Spenderorgane können Leben retten. Yahoo! informiert über das Für und Wider des sensiblen Themas.

11.200 Deutsche warten derzeit auf ein neues Organ. Drei von ihnen sterben jeden Tag. „In Deutschland herrscht ein extrem großer Mangel an Spenderorganen“, warnt Ina Brunk vom Verein Junge Helden, der sich seit zehn Jahren für die Aufklärung über das wichtige Thema einsetzt. Von Januar bis März dieses Jahres wurden in Deutschland 797 Organe post mortem gespendet, im gleichen Zeitraum des Vorjahres waren es 915. Die Zahlen stammen von der Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO), der zentralen Koordinierungsstelle. Einen Spenderausweis besaß im vergangenen Jahr immerhin jeder fünfte Deutsche.

Viele Kliniken, wenige Organe, hoher Druck

Das Vertrauen der Deutschen in Organspende ist dahin, die Ängste und Vorwürfe zahlreich. „Es geht ja um die existenziellsten Ängste: Leben und Tod“, sagt Brunk. Für die sinkenden Spenderzahlen machen die Experten der DSO die Transplantationsskandale verantwortlich. Manche würden denken, die Vergabe verlaufe nicht nach den Regeln, das System sei korrupt, sagt auch Brunk. Einige Kliniken würden ihre Ärzte stark unter Druck setzen.

„Organspende bedeutet auch Prestige“, kritisiert sie den Wunsch mancher Mediziner, häufig Herzen und Nieren verpflanzen zu wollen und damit ihre eigene Leistung zu demonstrieren. Dies und der Mangel an Spenderorganen verlocke dazu, sich Schlupflöcher zu suchen. Die vielen Kliniken und Transplantationszentren stünden unter Druck und seien Konkurrenzverhältnissen ausgesetzt. In Norwegen gibt es deswegen nur ein Transplantationszentrum.

Organspender haben Angst, als Ersatzteillager betrachtet zu werden

Manche als Organspender registrierte, kranke Patienten haben Angst, dass die Mediziner nicht alles tun, um sie zu retten – das Organ wird ja woanders dringend benötigt. „Noch vor der Organspende ist es immer die höchste Priorität der Ärzte, Leben zu erhalten“, sagt Brunk. Andere Gegner behaupten, hirntote Spender – der Hirntot ist die Voraussetzung für eine Transplantation – seien nicht völlig gestorben, sondern noch sterbend. Eine komplizierte Debatte.

„Es gibt verschiedene Ansichten, wann das Leben vorbei ist“, meint auch Ina Brunk. Eindeutiger ist die Lage für den einstigen DSO-Vorstand Günter Kirse. „Es gibt international keine Zweifel an der Frage, dass der Hirntod mit dem Tod des Menschen gleichzusetzen ist. Verfahrensabläufe zur Feststellung des Hirntodes sind in Deutschland klar und eindeutig geregelt“, erklärt Kirse. In Deutschland könne man sich darauf verlassen, dass die erlassenen Regeln eingehalten würden.

Lebenslang Medikamente für Organ-Empfänger

Eine weitere Sorge: Ärzte nehmen sich nach dem Tod des Patienten auch noch das Herz und den Darm, obwohl der Spender nur Niere und Leber abgeben möchte. „Diese Angst ist nur schwer zu nehmen“, meint Brunk. Dennoch würden dies 99 Prozent der Mediziner sicherlich nicht tun. Wer sich allerdings dafür entscheidet, sämtliche Organe zu spenden, muss damit rechnen, dass diese auch allesamt entnommen werden. Die Angehörigen müssen dennoch nicht von einer „zerfledderten“ Leiche Abschied nehmen. „Der Patient wird danach ordentlich zugenäht und hergerichtet“, beruhigt Brunk.

Mit dem Einsetzen des Spenderorgans ist der Kampf für die Empfänger übrigens nicht abgeschlossen. Sie müssen meist lebenslang Medikamente nehmen, um das Immunsystem zu schwächen. Das macht die Patienten anfällig für alle möglichen Leiden wie Infektionskrankheiten. Andernfalls bestehe aber die Gefahr, dass der Körper das neue Organ abstoße, so die Expertin. Für die meisten Patienten dürfte aber die Freude über das verlängerte Leben überwiegen.

Im Organspendeausweis steht, was der Besitzer spenden möchte. (Bild: dpa)
Im Organspendeausweis steht, was der Besitzer spenden möchte. (Bild: dpa)

Spenderausweis ausfüllen, Leben retten

Warum sollte man sich also als Organspender registrieren lassen und den entsprechenden Ausweis mit sich führen? Spender werden zu Lebensrettern und müssen dafür nichts tun, außer funktionierende Organe nach dem Tod der Medizin zur Verfügung zu stellen. „Es ist ein schöner Gedanke, Leben weitergeben zu können und anderen Menschen zu helfen“, erklärt Brunk.

Die Menschen sollten sich vorstellen, wie es ihnen ginge, sollten sie selbst einmal auf ein Spenderorgan angewiesen sein. Eine Lebererkrankung, ein Nierenschaden, ein komplett verbranntes Gesicht - „von heute auf morgen kann es jeden treffen“, warnt die Expertin und fordert, sich klar für oder gegen die Spende zu entscheiden. Einen derart schwierigen Entschluss solle man nach dem Tod nicht den Angehörigen überlassen.

Warum die Entscheidung so wichtig ist

Selbst einen Entscheidungszwang kann sich Ina Brunk vorstellen. In manchen Bundesstaaten der USA müssten sich die Menschen festlegen, wenn sie den Führerschein machen. Darin werde die Wahl dann entsprechend dokumentiert. „Man muss sich trauen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und die Entscheidung dann aus sich heraus treffen“, findet Brunk. Sie wünscht sich eine noch breitere Behandlung des Themas in der Öffentlichkeit, in Schulen, auf Veranstaltungen.

Eine aktuelle Umfrage im Auftrag der Techniker Krankenkasse kam zu dem Ergebnis, dass sich 41 Prozent der Befragten nicht ausreichend informiert fühlen. 88 Prozent verlangen einen transparenteren Ablauf, bei 35 Prozent sank die Spendenbereitschaft wegen der Skandale. Immerhin unterhalten sich die Menschen über das sensible Thema. Vor zehn Jahren, sagt Brunk, als die Jungen Helden ihre Arbeit aufgenommen haben, hätte niemand über die Organspende gesprochen.

Das am häufigsten benötigte und auch verwendete Organ ist übrigens die Niere, da diese auch lebend entnommen werden kann. Im Jahr 2011 wurden 2.036 Nieren, 1.040 Lebern, 362 Herzen und 313 Lungen entnommen und transplantiert.

Wo bekommt man eigentlich einen Organspendeausweis?

Einen kostenlosen Organspendeausweis erhalten Sie bei verschiedenen Organisationen, wie etwa Der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO), oder Der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Darüber hinaus kann der Organspendeausweis bequem im Internet heruntergeladen und dann ausgedruckt werden. Zudem liegt der Ausweis in vielen Einrichtungen wie Apotheken, Krankenhäusern oder Arztpraxen aus. Nachdem der Organspendeausweis ausgefüllt wurde, ist er direkt gültig – eine Anmeldung oder Ähnliches ist nicht erforderlich.