Analyse von Ulrich Reitz - Scholz quält seine Schulden-SPD mit einem Satz, doch die schlägt zurück

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„Einmal mit allem.“ Nach diesem Döner-Motto will die SPD neue Schulden machen. Dabei ist sie ganz bei sich – allerdings nicht bei ihrem Kanzler. Aber: Ist das für sie noch wichtig?

Die SPD will, mit der vorläufigen Ausnahme nur eines ihrer Genossen, noch mehr Schulden machen. Und deshalb das Grundgesetz ändern, obwohl sie das nicht kann. Sie entwickelt immer neue Ideen, für die das viele Geld, das ihr die Steuerzahler, nicht aus eigenem Antrieb, sondern zwangsweise, zur Verfügung stellt, ausgeben will. Das ist wohl das Hauptproblem der SPD: Geld genug gibt es nie.

Die SPD will die Ukraine-Hilfe verstecken

Die SPD-Chefin, im Verein mit der Parteilinken, will das Ukraine-Geld verstecken. Denn das ist der Sinn von Schulden, die in besonderen Haushaltstöpfen geparkt werden – sie verschwinden aus der Sonne der öffentlichen Aufmerksamkeit in den Schatten. Und das ist der Sinn der Operation aus SPD-Sicht: Es geht nicht darum, der Ukraine militärisch zu helfen, das ist in der SPD ohnehin umstritten, sondern das Geld dafür anderswo als im eigentlichen Haushalt unterzubringen. 

Wenn der Parteilinke Erich von Malottki aus Mecklenburg-Vorpommern sagt, man dürfe die Waffenlieferungen an die Ukraine nicht „ausspielen“ gegen die Förderung der Kinder, weshalb man sie von der Schuldenbremse ausnehmen solle, dann sagt er: die Wahrheit. Die SPD ist eine Sozialpartei, keine Kriegspartei. Deshalb hat sie auch ihren unbeliebten Kanzler versucht, als Friedenskanzler beliebter zu machen.

SPD verlor an die Wagenknecht-Partei

Es sei noch einmal erinnert an das für die Sozialdemokraten verheerende Wahlergebnis bei der Europawahl: die meisten Stimmen hat sie nicht verloren an die Linke oder die AfD oder die Grünen oder die Union, sondern – an Sahra Wagenknecht. Sagenhafte 580.000 Wähler zogen von den Sozialdemokraten zu der linkskonservativen Alternative. Die damit wirbt so zu sein, wie die SPD einmal war – grenzenlos sozialspendabel und treuherzig russlandfreundlich.

Und damit hatte sie Erfolg, im Osten ohnehin, der aus der russischen Besatzung der DDR vor allem dies gelernt hat: Die Russen besser nicht zu provozieren – und amerikaskeptisch zu sein. Weshalb die SPD, jedenfalls was das Sozialspendable angeht, nun wieder so werden will, wie sie einmal war.

Die SPD will:

  • Das Verstecken der Russland-Hilfen vor ihren Wählern – damit die ihr das Geldausgeben für Waffen und Krieg nicht mehr vorhalten und zur Strafe Wagenknecht wählen. (Die auch noch mit dem größten sozialdemokratischen Alptraum aller Zeiten verheiratet ist: Oskar Lafontaine)

  • Ungebremste Sozialausgaben, damit es keine Rentenreform geben muss. Was auch damit zu tun hat, dass die meisten Mitglieder dieser Partei sich selbst dem Rentenalter nähern.

  • Schulden für die Bahn, die Straße, die Digitalisierung, so sagt es das Bremer Stadtoberhaupt Andreas Bovenschulte, der dorther kommt, wo seit dem 2. Weltkrieg immer ein Sozialdemokrat gewann. Dem haushalterischen Einfallsreichtum sind in der SPD dabei keine Grenzen gesetzt. Hamburgs Finanzsenator Andreas Dressel schlägt trickreich ein „Sondervermögen Infrastruktur“ vor.

  • Das Weiterbezahlen von Demokratiehilfe, Arbeitslosenhilfe (heute: Bürgergeld), Entwicklungshilfe und Bildungshilfe. Dabei ist etwa die „frühkindliche Bildung“, für die die SPD weiterhin zwei Milliarden ausgeben will, eigentlich Sache der Bundesländer. Wie die Bildungsmilliarden zu den schlechten und der Hilfen zum Trotz schlechter werdenden Bildungsergebnissen passen wollen, hat auch noch niemand erklärt.

  • Fluthilfe, was angesichts der privaten Entscheidung, etwa Häuser in Flutgebiete zu bauen, nur bedeutet: Risiken individueller Entscheidungen zu kollektivieren.

Neuerdings argumentieren die Sozialdemokraten, die Wirtschaft wolle doch auch ein Ende der Schuldenbremse. Dafür werben auch die Gewerkschaften, etwa die nach wie vor mächtige IG Metall. Nur: Mitbestimmung und Staatsgeld liegen traditionell auf einer Linie. Die Großindustrie ist stets offen für Subventionen vom Staat, denn die entlasten die eigene Bilanz. Und die Gewerkschaften sind stets dabei, denn Staatsgeld sichert Arbeitsplätze wie hohe Löhne. Es ist ein kartellhafter Industriepakt zu Lasten Dritter, der sich seit Jahrzehnten bewährt hat.

Der Steuerzahler zahlt die Zeche

Der Dritte ist der Steuerzahler. Er zahlt alles, auch die Kosten der Schulden, denn die sind alles andere als gebührenfrei. Über den Schuldendienst redet in der aufgeregten Debatte über die Schuldenbremse nicht ein einziger Sozialdemokrat. Dabei verschlingt der zwischen 35 und 40 Milliarden Euro.

Wenn der Staat seine Schulden tilgt, dann ist das teuer, aber völlig unproduktiv. Das Geld ist weg, ohne aktuell etwas zu erwirtschaften – weder soziale Wohltaten noch industrielle Wertschöpfung. Schulden sind unsozial, sie müssen als Steuern von denen getilgt werden, die sie nicht verursacht haben. Über diesen Mechanismus wollen Sozialdemokraten nicht sprechen. Und wenn es – pflichtgemäß – der Bundesfinanzminister von der FDP im Bundestag macht, rührt sich in den Reihen der Sozialdemokraten zum Applaus nicht eine Hand.

Auch bestehen Zweifel, ob eine Regierung das Steuerzahlergeld überhaupt effizient ausgibt, also ein verlässlicher Treuhänder seiner Bürger ist. Die aktuelle Debatte ist alles andere als neu. Schon vor fünf Jahren diskutierte der Bundestag über ein Ende der Schuldenbremse – was die SPD damals ablehnte. Der Grund für zu wenige Infrastruktur-Investitionen sei nicht zu wenig Geld wegen der Schuldenbremse, sondern die Überforderung der Planungsämter. Auch damals regierte schon Olaf Scholz – als Vizekanzler und Bundesfinanzminister.

Scholz und ein schlimmer Satz für Sozialdemokraten

Jedenfalls machte seinerzeit schon der liberale Haushälter Otto Fricke diese ernüchternde Rechnung auf: „Wir haben seit 2007 368 Milliarden Euro an Zinsen gespart und seit 2013 240 Milliarden mehr an Steuereinnahmen. Davon ist fast nichts in Investitionen gegangen, sondern in Konsum und kurzfristige Beglückung.“ Weshalb sollte das jetzt anders kommen?

Die Schuldendebatte, welche die Sozialdemokraten seit Monaten schon führen, inzwischen und angesichts von Wagenknechts Wahlerfolgen immer aufgeregter, hat sich von Anfang an gegen den Kanzler gerichtet. Das Mitgliederbegehren, das eine SPD-Unterorganisation nun zum Schutz der horrenden Sozialausgaben im Etat gestartet hat, richtet sich ausschließlich gegen den eigenen Regierungschef. Darin kommt das Misstrauen zum Ausdruck, Scholz werde, um seine Koalition zu retten, sozialdemokratische Ur-Anliegen einfach opfern. Es hat etwas von Lust am Untergang.

Aber es ist möglich, dass das Misstrauen der Genossen gegen ihren Bundesregenten gerechtfertigt ist. Denn Scholz hat leise, aber lässig, den schlimmsten Satz ausgesprochen, den man Sozialdemokraten zu Gehör bringen kann:

„Wir müssen mit dem auskommen, was wir haben.“