Anschlag in Berlin: Europaweite Jagd nach Anis Amri - Fingerabdrücke an Lkw gefunden

Die Fahndungsfotos von Anis Amri (Bild: Bundeskriminalamt/dpa)
Die Fahndungsfotos von Anis Amri (Bild: Bundeskriminalamt/dpa)

Die Bundesregierung geht inzwischen mit großer Wahrscheinlichkeit davon aus, dass der Tunesier Anis Amri mit dem Sattelzug in den Weihnachtsmarkt im Zentrum Berlins gerast ist. Die Fingerabdrücke des Terrorverdächtigen wurden am Fahrerhaus des Lkw sichergestellt, wie Innenminister Thomas de Maizière (CDU) am Donnerstag nach einem Besuch des Bundeskriminalamtes (BKA) in Berlin sagte. Es seien auch weitere Hinweise gefunden worden, “dass dieser Tatverdächtige mit hoher Wahrscheinlichkeit wirklich der Täter ist”, fügte de Maizière hinzu.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hofft auf eine “baldige Festnahme”. Man habe theoretisch “schon seit langem gewusst, dass wir auch Zielscheibe des islamistischen Terrorismus sind. Und trotzdem ist dann, wenn ein solcher Fall eintritt, wie dieser terroristische Anschlag auf den Breitscheidplatz, das natürlich noch einmal etwas ganz anderes”.

Merkel: Stolz darauf, wie Deutsche auf Anschlag reagierten

Die Gedanken seien bei den Angehörigen der Opfer und bei den Verletzten im Krankenhaus. “Und gerade ihnen schulden wir auch die bestmögliche Arbeit”, ergänzte die Kanzlerin. Man habe in Deutschland erhebliche Anstrengungen im Kampf gegen den Terrorismus unternommen. Dabei habe man die “Werte von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit auf unserer Seite”. Sie sei stolz, wie die Menschen in Deutschland auf den Anschlag reagiert hätten.

Merkel, de Maizière und Justizminister Heiko Maas (SPD) wollten sich beim BKA über den Ermittlungsstand zum Anschlag vom Montagabend informieren, bei dem 12 Menschen getötet und mehr als 50 verletzt worden waren. Auf die Spur des 24-jährigen Amri kamen die Ermittler, als sie im Lastwagen seine Duldungspapiere fanden. Das geschah aber erst am Dienstag, weil die Fahrerkabine zunächst versiegelt worden war.

Thomas de Maizière spricht nach einem Besuch des BKA mit der Presse (Bild: dpa)
Thomas de Maizière spricht nach einem Besuch des BKA mit der Presse (Bild: dpa)

Unterdessen erhöhten die Ermittler den Fahndungsdruck. In Nordrhein-Westfalen gab es Polizeieinsätze. Im direkten Zusammenhang mit dem Berliner Anschlag wurde nach Angaben der Bundesanwaltschaft aber niemand festgenommen. In Emmerich im Kreis Kleve (NRW) durchsuchten Beamte eine Flüchtlingsunterkunft. Dort war Amri laut “Spiegel online” offiziell gemeldet.

Immer mehr Details kommen ans Licht

Über Amri, der 2015 von Italien kommend über Freiburg ins Land einreiste, werden immer mehr Details bekannt. Medienberichten zufolge wurde er in Italien und Tunesien bereits zu langen Haftstrafen verurteilt. Die Sicherheitsbehörden hatten nach Informationen des “Spiegel” vor Monaten vage Hinweise darauf, dass er sich im Chat mit einem Hassprediger als möglicher Selbstmordattentäter anbot. Abgefangene Äußerungen von Amri seien aber so verklausuliert gewesen, dass sie nicht für eine Festnahme gereicht hätten.

Nach dpa-Informationen gibt es bisher keine Hinweise auf enge Kontakte von Amri zum kürzlich verhafteten Salafisten-Prediger Abu Walaa. Amri sei kein wichtiger Teil eines salafistischen Netzwerkes gewesen, hieß es. Der Salafist habe offenbar vergeblich versucht, an automatische Waffen zu kommen. Nach einem Bericht der “New York Times” soll sich Amri im Internet auch über den Bau von Sprengsätzen informiert haben. Die Behörden hatten den Tunesier, der mit verschiedenen Namen vor allem in Nordrhein-Westfalen und Berlin agierte, monatelang als sogenannten Gefährder auf dem Radar, sie konnten ihm aber nichts nachweisen.

Der BKA-Fahndungsaufruf zu Anis Amri (Bild: Bundeskriminalamt/dpa)
Der BKA-Fahndungsaufruf zu Anis Amri (Bild: Bundeskriminalamt/dpa)

Als Gefährder werden unter anderem radikale Islamisten bezeichnet, denen schwere Straftaten zugetraut werden. Beweise für konkrete Anschlagspläne konnten die Ermittler aber nicht finden. Eine Abschiebung nach Tunesien scheiterte, weil er keinen Pass hatte. Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hat sich zu dem Anschlag zwar bekannt. Ob der IS tatsächlich Verbindungen zu Amri hatte, ist aber nicht bewiesen.

Wachsende Kritik an Regierung und Behörden

Nach dem Anschlag gerät die Kanzlerin in der politischen Debatte noch mehr unter Druck. FDP-Chef Christian Lindner sprach von “katastrophalen Fehlern” und kritisierte Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD). “Es liegt offenbar ein Staatsversagen vor, das nicht toleriert werden kann”, sagte er der dpa. Gefährder müssten künftig lückenlos überwacht werden, notfalls mit elektronischen Fußfesseln.

CDU-Bundesvize Armin Laschet kritisierte im Deutschlandfunk: “Die Informationen, die wir seit gestern bekommen, die können einen nur erschüttern, wie Behörden hier gearbeitet haben.” Der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, wies Vorwürfe gegen die Behörden in der “Rheinischen Post” zurück.

Der Sattelzug war am Montagabend auf den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche gerast. Unter den Todesopfern sind neben dem eigentlichen Lkw-Fahrer aus Polen auch eine israelische Frau sowie eine Italienerin. Ein zunächst festgenommener Pakistaner kam wieder frei. Am Donnerstag wurde der Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz wieder geöffnet. Zum Schutz der Besucher wurden schwere Betonblöcke aufgestellt.

Quelle: dpa