Chaos bei Frankreichs Konservativen: Geschasster Parteichef Ciotti hält an Amt fest

Wegen eines von ihm verkündeten Wahlbündnisses mit den Rechtspopulisten von Marine Le Pen hat die konservative Partei LR den Rauswurf von Parteichef Eric Ciotti beschlossen. Dieser weigert sich jedoch zu gehen. (STEPHANE DE SAKUTIN)
Wegen eines von ihm verkündeten Wahlbündnisses mit den Rechtspopulisten von Marine Le Pen hat die konservative Partei LR den Rauswurf von Parteichef Eric Ciotti beschlossen. Dieser weigert sich jedoch zu gehen. (STEPHANE DE SAKUTIN)

Das Chaos bei Frankreichs konservativen Republikanern dauert an: Der wegen des Angebots eines Wahlbündnisses an die Rechtspopulisten von Marine Le Pen aus der Partei ausgeschlossene Parteichef Eric Ciotti hält weiter an seinem Amt fest. "Ich bin Parteivorsitzender, ich gehe in mein Büro", sagte er am Donnerstagmorgen bei seiner von Sicherheitskräften begleiteten Ankunft vor der Zentrale der konservativen Republikaner, der Schwesterpartei von CDU/CSU.

Er habe juristische Schritte gegen seinen Parteiausschluss eingeleitet, erklärte Ciotti zudem. Das zuständige Pariser Gericht bestätigte dies aber zunächst nicht.

Die Parteiführung der Republikaner, der Partei von Ex-Präsident Nicolas Sarkozy, hatte Ciotti am Vortag als Chef abgesetzt und aus der Partei ausgeschlossen. Diese Sitzung sei jedoch nicht rechtmäßig gewesen, sagte Ciotti dem Sender France 2. Den Wirbel um seine Person bezeichnete er als "kleine Streitigkeiten in der zweiten Reihe".

Es werde etwa 70 bis 80 Kandidaten der Republikaner geben, die von der rechtspopulistischen Partei Rassemblement National (RN) von Le Pen unterstützt würden, erklärte Ciotti. "Dank dieses nationalen Blocks aus Republikanern und RN wird die Rechte an die Macht kommen", fügte er hinzu. "Wir werden das Land wieder nach vorn bringen und für Ordnung sorgen", sagte er.

Ciotti wurde am Donnerstag nicht am Zugang zu seinem Büro gehindert. Allerdings sei das Wlan abgestellt gewesen, und von 40 Mitarbeitern seien ihm nur fünf treu geblieben, hieß es in Parteikreisen. Der abgesetzte Parteichef wollte am Donnerstag noch mit dem rechtspopulistischen Parteichef Jordan Bardella zusammentreffen. Die verbliebene Parteiführung der Republikaner berief eine weitere Sitzung ein, um den Ausschluss Ciottis zu bekräftigen.

Den Parteivorsitz hatten übergangsweise die bisherige Generalsekretärin Annie Genevard und der EU-Abgeordnete François-Xavier Bellamy übernommen. "Ich erkenne den Mann nicht mehr, mit dem ich jahrelang zusammengearbeitet habe", sagte Genevard mit Blick auf Ciotti dem Sender France Info.

Bellamy erklärte jedoch seinerseits, dass er im Fall einer Stichwahl zwischen einem rechtspopulistischen und einem Kandidaten des Linksbündnisses "selbstverständlich" für den RN stimmen würde - eine Wahlempfehlung, die viele vor den Kopf stoßen dürfte.

Ciotti hatte mit seinem Brückenschlag zum RN einen Tabubruch begangen: Bisher verfolgten die konservativen Republikaner die Linie, die Kandidaten des RN nicht zu unterstützen - ebenso wenig wie Kandidaten der Linkspopulisten. Mehrere Kommunalpolitiker und Senatoren der Republikaner hatten daraufhin ihren Parteiaustritt erklärt.

Die Konservativen sehen sich in der Nachfolge von Charles de Gaulle, der im Zweiten Weltkrieg den Widerstand gegen Nazi-Deutschland angeführt hatte. Der RN hingegen ist die Nachfolgepartei des Front National, zu deren Gründern neben Jean-Marie Le Pen auch ein ehemaliges Mitglied der Waffen-SS zählte.

Der RN hatte Ciottis Angebot begrüßt. Es sei eine "mutige Entscheidung", die von "Verantwortungsbewusstsein" zeuge, sagte Fraktionschefin Marine Le Pen.

Unterdessen gab es weitere Verwerfungen am rechten Rand: Der Chef der rechtsextremen Partei Reconquête, Eric Zemmour, schloss seinerseits die bisherige EU-Spitzenkandidatin Marion Maréchal aus der Partei aus. Er begründete dies damit, dass die Nichte von Marine Le Pen zur Wahl von RN-Kandidaten aufgerufen hatte.

Premierminister Gabriel Attal, der für das Regierungslager in den Wahlkampf zieht, zeigte sich am Donnerstag offen für eine Debatte mit Bardella und dem Linkspopulisten Jean-Luc Mélenchon, der sich ebenfalls als möglicher Regierungschef ins Gespräch gebracht hat.

Nach einer am Donnerstag veröffentlichten Umfrage kommt der RN auf rund 31 Prozent der Stimmen, die vereinte Linke auf 28 Prozent und das Regierungslager auf 18 Prozent. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron könnte sich demnach gezwungen sehen, Bardella zum Premierminister zu ernennen. Damit ginge er eine sogenannte Kohabitation ein, die seine Regierungsfähigkeit erheblich einschränken dürfte.

Nach dem klaren Wahlsieg des RN bei der Europawahl hatte Macron überraschend Neuwahlen zur Nationalversammlung  ausgerufen. Die Wahl findet in zwei Runden bereits am 30. Juni und 7. Juli statt.

kol/cp