Fahrdienstleiter löste Zugunglück von Bad Aibling aus

Vor einer Woche kam es zu einem der schwersten Zugunglücke in Deutschland. Jetzt steht nach Ansicht der Ermittler fest: Nicht die Technik war Ursache, sondern menschliches Versagen.

Ein Fehlverhalten des Fahrdienstleiters ist nach Erkenntnissen der Ermittler die Ursache für das Zugunglück von Bad Aibling mit 11 Todesopfern. Gegen den 39-Jährigen sei ein Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung sowie wegen gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr eingeleitet worden, hieß es bei einer Pressekonferenz am Dienstag. Der Frontalzusammenstoß zweier Züge am Faschingsdienstag gilt als eines der schwersten Bahnunglücke Deutschlands.

“Was wir momentan haben, ist ein furchtbares Einzelversagen”, sagte der Traunsteiner Oberstaatsanwalt Jürgen Branz in Bad Aibling. “Hätte er sich regelgemäß, also pflichtgerecht, verhalten, wäre es nicht zum Zusammenstoß gekommen”, erläuterte der Leitende Oberstaatsanwalt Wolfgang Giese. Genaue Angaben zu den Ereignissen machte er jedoch nicht.

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11 Todesopfer, 80 Verletzte

Nach bisherigen Erkenntnissen hatte der Zug, der von Holzkirchen Richtung Rosenheim fuhr, 3 bis 4 Minuten Verspätung. Vor einer eingleisigen Strecke bekam er nach Auskunft der Ermittler ein Sondersignal aus dem Stellwerk am Bahnhof Bad Aibling, das ihm die Einfahrt in diesen Abschnitt ermöglichte. Normalerweise sorgen technische Vorrichtungen und Signale dafür, dass hier immer nur ein Zug einfahren darf. Da der Zug in der Gegenrichtung aber auf demselben Gleis unterwegs war, kam es zu dem fatalen Zusammenstoß, durch den 11 Menschen getötet und etwa 80 verletzt wurden, viele von ihnen schwer. Unter den Toten waren auch die beiden Lokführer.

Ein Versagen der technischen Systeme hatten die Ermittler früh ausgeschlossen. Der Fahrdienstleiter hatte sich erst auf sein Aussageverweigerungsrecht berufen. Schließlich schilderte er dann doch - unterstützt von zwei Verteidigern -, was sich am frühen Morgen des 9. Februar ereignete, knapp zwei Stunden, nachdem er seinen Dienst angetreten hatte. Wie Branz am Dienstag mitteilte, habe der Fahrdienstleiter zum Zeitpunkt des Unfalls nicht unter Einfluss von Alkohol oder anderen Drogen gestanden. Das hätte die Untersuchung einer Blutprobe vom Unfallmorgen ergeben.

Keine Vorsatztat

Die Ermittler halten es für unwahrscheinlich, dass der verheiratete Mann den Zusammenstoß absichtlich herbeiführte. «Es gibt keine Hinweise auf irgendeine Vorsatztat», sagte der Leiter des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd, Robert Kopp. Der Mann sei auch nicht betrunken gewesen und habe nach bisherigem Wissen unter keinem Einfluss von Drogen oder Medikamenten gestanden. Er hat fast 20 Jahre Berufserfahrung, er schloss seine Ausbildung bereits 1997 ab.

In Untersuchungshaft ist der 39-Jährige nicht. “Man muss nicht davon ausgehen, dass hier ein Haftgrund vorliegt”, sagte Giese. Es gehe um eine fahrlässige Tat und um einen Strafrahmen von bis zu fünf Jahren Haft. Der Fahrdienstleiter, dem es laut Ermittlern schlecht geht, wurde in Absprache mit den Verteidigern an einen sicheren Ort gebracht. Als der Mann seinen Fehler bemerkte, habe er einen Notruf abgesetzt. “Aber der ging ins Leere”, sagte Oberstaatsanwalt Branz.

Ermittlungen gehen weiter, Politik berät

Auch nach der Aussage des Fahrdienstleiters gehen die Ermittlungen weiter. “Wir sind bis heute dabei, ein riesiges Puzzle zusammenzusetzen. Dann klären wir: Wo stehen wir, wo steht der Beschuldigte?”, sagte der Leitende Oberstaatsanwalt Giese. Am Samstag ist die Simulationsfahrt von zwei Zügen auf der Strecke geplant. Die Ermittler versprechen sich davon wertvolle Erkenntnisse. Der Crash selbst soll aber nicht nachgestellt werden.

Das schwerste Zugunglück in Deutschland seit dem dem ICE-Unfall in Eschede im Jahr 1998 ist am Mittwoch auch Thema im Bundestag. Bei einer Sitzung des Verkehrsausschusses (9.30 Uhr) geht es um mögliche Konsequenzen für den Bahnbetrieb. Dazu wird auch Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) erwartet. Den Abgeordneten soll ein Bericht der Bundesregierung über die Ursache für den Zusammenstoß der Züge am Faschingsdienstag zwischen Holzkirchen und Rosenheim vorgelegt werden. Am Donnerstag wird das Unglück im bayerischen Landtag behandelt.

Text: dpa; Foto: AP Photo/Matthias Schrader

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