TV-Kolumne „Markus Lanz“ - Das „Zeitungs-Geständnis“ einer Auschwitz-Überlebenden bei Lanz macht fassungslos

Eva Umlauf, Zeitzeugin des Holocaust, spricht während einer Veranstaltung.<span class="copyright">Federico Gambarini/dpa</span>
Eva Umlauf, Zeitzeugin des Holocaust, spricht während einer Veranstaltung.Federico Gambarini/dpa

Eva Umlauf ist eine der letzten Holocaust-Überlebenden. Den Antisemitismus hielt sie fast schon für besiegt, doch dass der Judenhass jetzt zurückgekehrt ist, findet sie schwer erträglich. Im Alltag muss sie sich einschränken, um nicht zu „provozieren“.

Eva Umlauf trägt eine blaue Nummer auf dem Unterarm: A-26958. Ihre Mutter brachte sie 1942 im Zwangsarbeitslager für jüdische Häftlinge im slowakischen Nováky zur Welt. Sie war das erste Kind, das dort geboren wurde. Für die Häftlinge war der Säugling ein Symbol des Lebens.

Doch Nováky war ein Durchgangs- und Sammellager für die Deportation in die Vernichtungslager nach Auschwitz-Birkenau und Majdanek. Eva Umlauf hatte Glück. „Die Lok, die nach Auschwitz ging, war kaputt“, erzählt die mittlerweile 82-Jährige bei Markus Lanz. Als das zweijährige Mädchen dort ankommt, „war die Vergasung zwei, drei Tage vorher eingestellt worden.“ Am 27. Januar 1945 wird Auschwitz-Birkenau durch die Rote Armee befreit. Sie ist eine der letzten Shoah-Überlebenden.

Zurückkehrender Antisemitismus schwer zu ertragen

Zeitzeugen wie Eva Umlauf sind ein wichtiger Bestandteil der Erinnerungskultur. Eindringlich können sie von den Erfahrungen des menschenverachtenden Hitler-Regimes erzählen. Persönliche Erfahrungen und lebhafte Schilderungen schaffen jene Eindringlichkeit und Wahrhaftigkeit, zu denen Geschichtsbücher nicht in der Lage sind.

Gerade in der aktuellen Zeit, in der Diktaturen und Autokratien erstarken und Antisemitismus neuen Nährboden erfährt, sind Erzählungen von KZ-Überlebenden ein wichtiges Element der Prävention und des Kampfes für die Demokratie. „Ich dachte, es ist vorbei“, sagt Eva Umlauf über den aktuellen „Judenhass“ bei „Markus Lanz“. „Das ist für mich schwer zu ertragen.“

„Ich würde nicht provozieren wollen“

Eva Umlauf, die nach einem Medizinstudium in Bratislava 1967 ihrem Mann nach München folgte, berichtet, wie sie aktuell vorsichtig geworden sei, sich als Jüdin öffentlich zu zeigen. Die Kinderärztin erzählt beispielsweise, dass sie es heutzutage nicht wagen würde, in der S- oder U-Bahn in München die Zeitung „Jüdische Allgemeine“ zu lesen und erklärt: „Ich würde nicht provozieren wollen.“ Nicht umsonst käme die Zeitung ihrer jüdischen Gemeinde „wie ein Brief verpackt“ in ihren Briefkasten. „Schon der Briefträger soll nicht sehen, wer welche Zeitung erhält. Die Jüdische Allgemeine ist für mich gefährlich.“

Sollte die letzte Generation der Holocaust-Überlebenden verstorben sein, wird der Kampf gegen den Antisemitismus und Menschenverachtung noch ein Stück schwerer. Eva Umlauf ist seit 2011 als Zeitzeugin aktiv. Damals sprach sie anlässlich einer Gedenkfeier in Auschwitz erstmals über ihre Familiengeschichte.

Regelmäßig hält sie seither Vorträge vor jungen Menschen - vor allem vor neunten Schulklassen, die über die NS-Zeit unterrichtet werden, das KZ in Dachau besuchen und anschließend eine Begegnung mit einem Zeitzeugen haben. „Die Schüler sind gut vorbereitet“, erklärt Umlauf und nennt ein paar Fragen, die ihre jungen Zuhörer ihr immer wieder stellten: Wie haben Sie es geschafft zu überleben? Was machen Sie heute? Wie viele Kinder haben Sie? Wieso sind Sie nach Deutschland zurückgekommen?

„Ich bin hier, um zu sagen, ich bin da“

Die Prävention hat auch ein biologisches Problem. Wer beantwortet diese Fragen, wenn der letzte Zeitzeuge verstorben ist? Wer anders als Zeitzeugen kann so glaubhaft und eindringlich über die barbarische NS-Zeit berichten und vor den möglichen Folgen warnen? Wer kann besser aktuelle Entwicklungen einordnen als jene, die eine ähnliche Entwicklung vor vielen Jahrzehnten selbst erlebt haben?

Die Zeitzeugen werden eine große Lücke hinterlassen, die nicht zu füllen ist. Auf die Frage, warum sie in das Land der Täter zurückgekommen sei, antwortet Eva Umlauf übrigens so: „Man möchte Deutschland doch nicht jugendfrei machen. Ich bin hier, um zu sagen, ich bin da.“