FOCUS online exklusiv - „Einblutungen der Halsmuskulatur“: Neue Details zum mutmaßlichen „Ehrenmord“ an Ronja (15)

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Michael Deines/Promediafoto/dpa

In Rheinland-Pfalz wurde die 15-jährige Ronja brutal getötet. Ihre aus Afghanistan stammenden Eltern sollen einen „Ehrenmord“ verübt haben – weil sie sich am Lebenswandel des Mädchens gestört haben. FOCUS online kennt die erschreckenden Details.

Ein Verbrechen, das erschüttert, ein barbarischer Gewaltakt, der fassungslos macht – mitten in Deutschland!

Ein 39-jähriger Vater und die 34-jährige Mutter – beide aus Afghanistan – sitzen seit Dienstag in Untersuchungshaft. Tatvorwurf: Totschlag. Hassan M. und Maryam M. sollen ihre Tochter Ronja (15) umgebracht haben.

Wahrscheinliches Motiv: Die in Pirmasens (Rheinland-Pfalz) lebenden Eltern waren laut Ermittlern „mit dem Lebenswandel des Mädchens nicht einverstanden“.

Musste Ronja M. also sterben, weil sie in den Augen ihrer Eltern „zu westlich“ lebte? Weil sie ihre Freiheit genoss, weil sie andere Werte vertrat als in Afghanistan üblich – und die Familienehre damit „beschmutzte“?

Grausame Bluttat erschüttert Deutschland

Fakt ist: Die Leiche der Jugendlichen wurde am Montag kurz nach 18 Uhr am Rheinufer in Worms gefunden, rund 120 Kilometer vom Wohnort entfernt. Am Vormittag hatte sich die Mutter bei der Polizeiinspektion Pirmasens gemeldet und den Verdacht geäußert, ihre Tochter könnte am Samstagabend getötet worden sein.

Die Kriminalpolizei Mainz entdeckte die tote Jugendliche schließlich im Stadtteil Rheindürkheim. Kurz darauf wurde der Vater gefasst. Auch die Mutter geriet unter Tatverdacht, da sie sich bei der Polizei offenbar in massive Widersprüche verstrickte.

Die Obduktion der Leiche ergab, dass die Jugendliche „durch Ertrinken“ zu Tode kam. Das zumindest war den offiziellen Verlautbarungen der Behörden zu entnehmen.

Der rechtsmedizinische Befund enthält nach Recherchen von FOCUS online jedoch weitere erschreckende Details, die auf die Anwendung massivster Gewalt schließen lassen.

„Es konnten Einblutungen der Halsmuskulatur und Hämatome im Bereich des Oberkörpers und der Extremitäten festgestellt werden“, bestätigte Oberstaatsanwalt Alexander Fassel von der Staatsanwaltschaft Mainz an diesem Donnerstag auf Anfrage von FOCUS online. Auf Deutsch: Ronja könnte gewürgt und geschlagen worden sein.

Ob der Fundort der Leiche auch der Tatort ist, bleibe Gegenstand der Ermittlungen. „Konkrete Anhaltspunkte, dass sich der Tatort nicht im Bereich des Fundortes befindet, liegen nicht vor“, so Fassel.

Mutmaßlicher „Ehrenmord“, weil sie Lebenswandel der Tochter nicht akzeptierten

Der Oberstaatsanwalt weiter: „Es besteht der Verdacht, dass die Beschuldigten den Entschluss zur Tötung ihrer Tochter gefasst haben, weil sie mit deren Lebenswandel nicht einverstanden waren.“ Entsprechende Indizien müssten „im Rahmen der Ermittlungen sorgfältig überprüft werden“.

Die beiden Beschuldigten haben sich gegenüber der Polizei bereits zum Tatvorwurf eingelassen. Auf die Frage von FOCUS online, ob sie ein Geständnis abgelegt haben, antwortete Alexander Fassel, dass man diesbezüglich keine Details nach außen gebe.

Die Rechtsanwältin der Mutter, Victoria C. Koch aus Mainz, bestätigte gegenüber FOCUS online, dass sie ihre Mandantin bereits in der Haftanstalt besucht hat. „Wir haben den Tatvorwurf besprochen und werden ihn weiter erörtern. Mehr möchte ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen.“

Koch verweist darauf, dass der Fall „sehr frisch sei und die Ermittlungen noch am Anfang“ stünden. Außerdem berichtet sie, dass die Aussage ihrer Mandantin gegenüber den Ermittlern ohne Anwesenheit eines Rechtsbeistands erfolgte. Inwieweit dieser Umstand noch eine Rolle im weiteren Verfahren spielen wird – derzeit unklar.

Oberstaatsanwalt Fassel erklärte unterdessen gegenüber FOCUS online, dass gegen den 39-jährigen Vater bei der Staatsanwaltschaft Zweibrücken „drei Verfahren anhängig sind“ – wegen Körperverletzung sowie wegen Vergehen nach dem Gewaltschutzgesetz. Darunter fällt etwa auch der Tatbestand häusliche Gewalt.

Ob es dabei konkret um Gewalt gegen die nun getötete Ronja geht, konnte Fassel nicht sagen. Die Verfahren seien noch nicht abgeschlossen. „Die Akten wurden jedoch bereits am 18. Juni 2024 von uns zur Einsichtnahme bei der Staatsanwaltschaft Zweibrücken angefordert.“

Vater ist justizbekannt - auch wegen Gewaltdelikten

Zum Aufenthaltsstatus der Eltern erklärte der Oberstaatsanwalt gegenüber FOCUS online: „Der 39-jährige Beschuldigte ist im Besitz einer Aufenthaltsgestattung. Die 34-jährige Beschuldigte ist im Besitz einer Niederlassungserlaubnis. Das Opfer wurde nicht in Deutschland geboren.“

Ausweislich der Eintragungen im Ausländerzentralregister sind der Vater Hassan M. im Jahr 2016 und die Beschuldigte Maryam M. im Jahr 2015 erstmals in das Bundesgebiet eingereist.

Laut Alexander Fassel wurde die Untersuchungshaft gegen die beiden Beschuldigten wegen Totschlags angeordnet. „Es besteht gegenwärtig kein dringender Tatverdacht wegen Mordes.“

Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden sei es nunmehr, die Hintergründe der Tat, die Motive, die Lebenspersönlichkeit und die Lebensverhältnisse der Beteiligten bestmöglich aufzuklären. „Erst auf dieser Grundlage wird zu gegebener Zeit entschieden werden können, ob Mordmerkmale vorliegen und ein Tatverdacht wegen Mordes besteht.“

Aktueller Vorwurf „Totschlag“ - „Mord“ wird geprüft

Mit Blick auf den Verdacht, dass die Eltern den Entschluss zur Tötung ihrer Tochter gefasst haben, weil sie mit deren Lebenswandel nicht einverstanden waren, werde insbesondere zu prüfen sein, „ob das Mordmerkmal der ‚niedrigen Beweggründe‘ erfüllt ist“, so Fassel.

Niedrige Beweggründe liegen nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn die Motive einer Tötung nach allgemeiner sittlicher Anschauung verachtenswert sind und auf tiefster Stufe stehen.

Laut der Tageszeitung „Rheinpfalz“ hatten vor allem der Vater und das Opfer offenbar „unterschiedliche Wertevorstellungen über das neue Leben fernab der afghanischen Heimat gehabt“. Bekannte hätten erklärt, die Tochter habe „Schande“ über die Familie gebracht. Dabei sei es vorwiegend um „Männersachen“ gegangen.

Der Vater soll nach der Tat gesagt haben, „das Problem“ sei nun beseitigt.