Gastbeitrag von Clara Hunnenberg - Unternehmerin (31) rechnet vor: Mit der 4-Tage-Woche können wir dicht machen!

Clara Hunnenberg (31 Jahre alt) führt in dritter Generation in Düsseldorf einen Handwerksbetrieb für Bodenbeläge, Kettelei und Parkett. Und sie ist extrem genervt von den Debatten um die Vier-Tage-Woche.

Man mag es komisch finden: Ich bin eine junge Frau und für die Fünf-Tage-Woche. Ich passe auch sonst in kein Klischee. Während es viele aus meinem Studium in die Mode- und Lifestyle-Branche zog, gehört meine Leidenschaft seit jeher dem Handwerk. Aufgewachsen zwischen Ketteltisch, Teppichböden und Gabelstaplern, wusste ich mein Leben lang: Irgendwann werde ich, wie damals meine Mutter, unseren Familienbetrieb übernehmen.

Nur waren das damals andere Zeiten. Mein Opa war selbstständiger Handelsvertreter für Bodenbeläge in Düsseldorf, aber die eigene Tochter im Unternehmen? Mit der Aussage „Keine Frau, und schon gar keine aus der Familie“ hatte sich das Thema für ihn erledigt. Meine Mutter akzeptierte jedoch kein Nein, packte ihren Mut zusammen und machte sich mit 23 Jahren mit einer Teppichkettelei selbstständig.

Mit 30 Jahren war sie dann zweifache alleinerziehende Mutter und mein Opa schwer erkrankt. Sie fusionierte die Unternehmen und alle packten mit an. Auf die Uhr schaute dabei niemand. Meine Tante nahm jeden Tag den Weg aus Bonn auf sich, um zu unterstützen, und meine Oma startete mit 54 Jahren ins Arbeitsleben.´

Arbeit kann Spaß machen und hoher Einsatz wird belohnt

Vielleicht blicke ich deswegen mit so großer Verwunderung auf die Debatte rund um die Vier-Tage-Woche. Habe ich doch stattdessen von Kindesbeinen an gelernt: Arbeit kann Spaß machen! Hoher Einsatz wird belohnt! An der Forderung nach der Vier-Tage-Woche stört mich deswegen vor allem die Annahme, dass Arbeit etwas Negatives ist. In unserer Familie haben die viele Arbeit und die durchaus schwierigen wirtschaftlichen Lagen nie abschreckend gewirkt. Im Gegenteil.

Heute bin ich 31 Jahre alt, Nachfolgerin im Unternehmen meiner Mutter, und mein Arbeitstag beginnt schon vor sieben Uhr morgens. Selten verlasse ich die Firma vor 17 Uhr und oft geht es danach zu Hause noch weiter. Ich weiß nicht, an wie vielen Abenden meine Schwester den Tisch verlassen hat, weil meine Mutter und ich uns mal wieder in einer Debatte über die Firma verloren haben. Für uns ist es nicht nur ein Beruf, wir sind beide leidenschaftliche Unternehmerinnen.

Viele sehen in der Vier-Tage-Woche eine Möglichkeit, den Fachkräftemangel zu lindern und die wirtschaftlichen Herausforderungen zu bewältigen. Ich sehe das anders. Als inhabergeführtes Familienunternehmen in dritter Generation im Handwerkssektor sind wir besonders stark vom Fachkräftemangel betroffen. In den letzten Jahren wurde es immer schwieriger, qualifizierte Mitarbeiter zu finden und zu halten.

Vier-Tage-Woche durch Fachkräftemangel nahezu unmöglich

Viele unserer langjährigen Fachkräfte gehen in den Ruhestand, und es gibt nicht genug junge Menschen, die nachrücken. Laut einer aktuellen Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) fehlen in Deutschland über 1,2 Millionen Fachkräfte. Diese Lücke belastet uns enorm und führt zu Produktionsverzögerungen und einem erhöhten Druck auf unser bestehendes Team.

Während sich das Kundenverhalten auf kurze Lieferzeiten einstellt und dadurch der Druck ohnehin schon stark angestiegen ist in den letzten Jahren, wäre jetzt die Einführung einer Vier-Tage-Woche eine Katastrophe. Wie sollen wir mit dem bereits bestehenden Mangel an qualifizierten Mitarbeitern die Arbeitszeit unseres Unternehmens verkürzen und trotzdem wettbewerbsfähig sein?

Im Handwerkssektor, in dem wir tätig sind, arbeiten unsere Kunden oft sogar sechs Tage die Woche, um den hohen Anforderungen und dringenden Kundenaufträgen gerecht zu werden. Eine Reduzierung auf vier Tage würde dazu führen, dass wir weniger Projekte abschließen können, was unsere Kundenbindung erheblich beeinträchtigen würde.

Zusätzlich würden wir an Wettbewerbsfähigkeit verlieren. In einer Zeit, in der nicht nur stationäre Geschäfte, sondern auch Online-Anbieter rund um die Uhr verfügbar sind, ist eine solche Reduktion der Arbeitszeit ein großer Nachteil. Unsere Kunden erwarten zu Recht schnellen und zuverlässigen Service und wenn wir diesen nicht bieten können, wenden sie sich an die Konkurrenz.

Die Vier-Tage-Woche würde uns also nicht nur im internen Ablauf, sondern auch auf dem Markt stark benachteiligen und unsere langfristige Stabilität und den wirtschaftlichen Erfolg unseres Unternehmens gefährden. Eine Umfrage von Deloitte zeigt, dass 77 % der Generation Z Work-Life-Balance als oberste Priorität bei der Arbeitsplatzwahl angeben. Die Gen Z sieht in der verkürzten Arbeitswoche eine vielversprechende Lösung mit einer besseren Work-Life-Balance. Ich finde das schade. Ich würde mir wünschen, dass mehr Menschen den Mut haben, sich einen Job zu suchen, der ihnen Spaß macht, und den Glauben an sich haben, Erfolg zu haben.

Fünf Tage Arbeit müsste in vier Tagen erledigt werden

Es ist doch großartig, eine Aufgabe zu haben, die einen erfüllt. Deswegen plädiere ich dafür, anstatt über die Verkürzung der Arbeitszeit zu sinnieren, unseren Fokus darauf zu legen, die Arbeitsqualität zu verbessern und langfristig stabile und produktive Arbeitsbedingungen zu schaffen. Sicherlich ist die Vier-Tage-Woche auf den ersten Blick ein schöner Anreiz, aber ich bin überzeugt, vier Tage bei schlechten Arbeitsbedingungen sind anstrengender als fünf Tage mit Spaß an der Arbeit.

Dazu gehört auch, eine bessere Zuwanderung zu gewährleisten. Wir können da aus Erfahrung sprechen: In unserem Unternehmen arbeiten zu zwei Dritteln Menschen mit Migrationshintergrund. Etwas, auf das wir stolz sind, ist gerade Menschen, die ihre Heimat verlassen haben, ein Stück Zuhause in unserem Unternehmen zu schenken.

Doch was würde eigentlich passieren, wenn die Vier-Tage-Woche eingeführt wird? Wenn die Arbeitszeit auf 34 Stunden pro Woche reduziert wird, aber das Gehalt gleich bleibt? Für unser Unternehmen würde das für die Mitarbeiter mehr Druck während der Arbeitszeit und viele Überstunden bedeuten, denn nur weil die Arbeitszeit sinkt, sinkt der Arbeitsaufwand nicht.

Es würde automatisch zur Folge haben, dass die Produktivität sinkt, während die Personal- und Fixkosten unverändert bleiben. Ist es realistisch, dass Unternehmen bei weniger Arbeitsleistung denselben Lohn zahlen und gleichzeitig wirtschaftlich stabil bleiben? Nein! Schon gar nicht im Handwerk! Die Folge wäre Unternehmenssterben und Arbeitsplatzverlust.

Ziel: Das Arbeitsumfeld attraktiver gestalten

Um die Arbeitsbedingungen zu verbessern und die Motivation unserer Mitarbeiter zu steigern, haben wir verschiedene Maßnahmen ergriffen. Ein Beispiel ist unser wöchentliches Firmensportangebot: Einmal pro Woche bieten wir, während der Arbeitszeit, unter der Anleitung eines professionellen Trainers gemeinsame Sportaktivitäten an. Dies fördert nicht nur die Gesundheit und das Wohlbefinden unserer Mitarbeiter, sondern stärkt auch den Teamgeist und die Gemeinschaft.

Zusätzlich versuchen wir durch die Übernahme der Kita-Gebühren unsere Mitarbeiter auch bei der Kinderbetreuung zu unterstützen. Niemand sollte sich Sorgen um die Kinderbetreuung machen müssen.

Da viele unserer Mitarbeiter längere Arbeitswege haben, haben wir jedem Mitarbeiter ein Elektroauto angeboten, um die langen Anfahrtswege mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erleichtern. Diese Maßnahme trägt nicht nur zur Reduzierung von Stress und Pendelzeiten bei, sondern motiviert den Mitarbeiter langfristig. Für alle, die dies abgelehnt haben, gab es die Möglichkeit, ein bezahlbares Bahnticket zu wählen.

Langfristig haben diese Verbesserungen einen positiven Einfluss auf die Zufriedenheit und Produktivität unserer Mitarbeiter. Ich finde: Lasst uns generell in der Gesellschaft stärker über Arbeitszufriedenheit und weniger über geleistete Arbeitsstunden debattieren.

Meine Einstellung zur Arbeit in einem Statement: 5-Tage-Woche? Hell yes!