Haustiere und Callcenter im Gefängnis: Guatemalas Polizei verlegt Bandenmitglieder

In Guatemala haben Mitglieder der berüchtigten Bande Barrio 18 in einem Gefängnis Hühner und Krokodile gehalten und ein Callcenter für Straftaten außerhalb der Gefängnismauern betrieben. (JOHAN ORDONEZ)
In Guatemala haben Mitglieder der berüchtigten Bande Barrio 18 in einem Gefängnis Hühner und Krokodile gehalten und ein Callcenter für Straftaten außerhalb der Gefängnismauern betrieben. (JOHAN ORDONEZ)

Zellen mit Klimaanlage, ein Callcenter zur Bestellung von Straftaten und zur Zerstreuung wilde Tiere wie Krokodile und Waschbären - wegen haarsträubender Zustände haben die Behörden in Guatemala ein Gefängnis geräumt und die dort inhaftierten Mitglieder der berüchtigten Bande Barrio 18 in eine andere Haftanstalt verlegt. Alle 225 Bandenmitglieder mussten das als "El Infiernito" ("Die kleine Hölle") bekannte Gefängnis verlassen, wie Innenminister Francisco Jiménez am Sonntag mitteilte.

Die Polizisten entdeckten bei der Räumung in dem Gefängnis frei herumlaufende Hühner, ein Becken mit Krokodilen sowie Waschbären, Graufüchse, Falken und andere Greifvögel. Weiter schilderte Jiménez im Onlinedienst X, die Häftlinge hätten auch über Annehmlichkeiten wie Klimaanlagen, Fernseher und Kühlschränke verfügt. Das mit Mobiltelefonen betriebene Callcenter, das sogar über einen Internetanschluss verfügte, war bereits bei einer früheren Polizeirazzia stillgelegt worden.

"Wir werden alle Verstecke finden, in denen Geld, Schusswaffen und Mobiltelefone aufbewahrt wurden, auch wenn wir dafür alle Wände einreißen und die Böden rausreißen müssen", kündigte der Innenminister an. Der Staat habe die Kontrolle über die Haftanstalt zurückerlangt und werde sie zu einem "echten Hochsicherheitsgefängnis" mit "strengen Kontrollen" umbauen. "Es ist ein Gefängnis, kein Urlaub", fügte er mit Blick auf die bisherige Luxus-Ausstattung hinzu.

Nach Angaben von Vize-Sicherheitsministerin Claudia Palencia, die das Gefängnis nach der Verlegung der Bandenmitglieder mit Journalisten besuchte, hatten "frühere Regierungen" die Haftanstalt schon vor mehr als 30 Jahren faktisch aufgegeben. Das habe "den Gefangenen ein angenehmes Leben ermöglicht". Anders als das Gefängnis habe Guatemalas Strafvollzugssystem keine "Renovierung" erfahren, "weder bei der Infrastruktur noch bei der Technologie", kritisierte Palencia.

An der Razzia in der Haftanstalt in Escuintla 70 Kilometer südlich von Guatemala-Stadt beteiligten sich etwa 400 Polizisten, darunter auch Beamte der Tierschutzabteilung der Polizei. Die Tiere würden nun tierärztlich untersucht, teilte der Nationale Rat für Schutzgebiete (Conap) mit. Danach werde entschieden, ob die Wildtiere ausgewildert werden könnten. Ansonsten würden sie artgerecht in Schutzzentren untergebracht.

Guatemala gilt als eines der gefährlichsten Länder Lateinamerikas. Im vergangenen Jahr wurden in dem Land mehr als 4360 Morde begangen, das ist eine Rate von 25 Morden pro 100.000 Einwohner. Die Hälfte der Taten wird auf Drogen- und Bandenkriminalität zurückgeführt. Der guatemaltekische Staatschef Bernardo Arévalo gestand vergangene Woche ein, dass einige Gebiete in der Hauptstadt Guatemala-Stadt in der Hand krimineller Banden seien.

Die Banden Barrio 18 und Mara Salvatrucha kämpfen in Guatemala um die Vorherrschaft. Barrio 18 hat sich auf Schutzgelderpressungen spezialisiert. Nach Angaben der Behörden lassen sich die meisten Telefonanrufe der Erpresser in Gefängnisse zurückverfolgen. Menschen, die das Schutzgeld nicht zahlen, müssen nach Behördenangaben mit ihrer Ermordung rechnen.

yb/gt