Her mit dem Gülle-Euro!

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Es macht alles keinen Sinn mehr: Warum wir mehr Geld für Fleisch bezahlen sollten.
Ein Kommentar von Jan Rübel

Neulich im Supermarkt: Schweinekoteletts für 4,28 Euro das Kilo, „zart und geschmackvoll“ stand auf dem schwarzen Etikett. Da sagte ich nicht nein. Das Fleisch war keine Spitzenware, aber aus Koteletts lässt sich ja was zaubern. Beim Essen stieß mir jedenfalls anderes auf – nämlich meine Tischlektüre. „Der Umweltverband WWF fordert die Einführung eines so genannten Gülle-Euros“, stand in der Zeitung.

Holla, dachte ich. Es gibt Appetitlicheres anzuschauen. Hätte ich mal nicht weitergelesen. Denn die folgenden Zeilen schlugen auf den Magen.
Fleisch wird immer billiger. Besonders Schwein in Form von Filets, Rouladen oder Hack überschwemmt die Discounter. Bisher habe ich mir nie viele Gedanken dazu gemacht, ich esse gern Fleisch. Sicherlich so viel wie der durchschnittliche Deutsche, der 60,3 Kilogramm Fleisch im Jahr isst – nach Abzug der Knochen. Und zu zwei Dritteln Schwein.

Wir sind Fleischmeister

Diese Zahlen sind erstmal abstrakt. Sie erhalten aber eine Form durch andere Zahlen: Wir essen in Deutschland das doppelte im Vergleich zum Weltkonsum, mehr als 20 Mal so viel wie in Indien. Und in Deutschland wird mehr Fleisch produziert als wir essen können, wir exportieren es auch. 2015 „produzierten“ wir 8,22 Millionen Tonnen. Das ist Wahnsinn. Das entspricht 59 Millionen geschlachteten Schweinen. Wo sind die alle? Tiere sehen die meisten von uns nur noch in den Supermarktregalen, hübsch verpackt. Dass so viel Leben nicht normal und artgerecht auf seinen Beinen steht, ist klar.

Und dann die Folgen für die Umwelt. Denn die Tiere brauchen Futter. Vor allem Soja bietet sich an – und dafür werden Wälder gerodet und in Anbauflächen umgewandelt. Nicht nur stirbt dadurch Natur, sondern auch die mit dem Soja konkurrierende Produktion anderer Nahrungsmitteln. Monotonie statt Vielfalt. In einer Zeit, in der uns Individualität so wichtig erscheint, ist das ein Widerspruch.

Für die Futterproduktion braucht man ferner Stickstoffdünger. Und Rinder lassen jede Menge Methan ab. Die von uns gefürchteten Treibhausgase werden immer mehr. Der „World Wide Fund for Nature“ (WWF) rechnet vor: Wenn jeder Bundesbürger nur einmal pro Woche auf Fleisch verzichten würde, könnte das zu jährlich rund neun Millionen Tonnen Treibhausgase einsparen. Das entspreche umgerechnet 75 Milliarden Kilometern Fahrt mit dem Pkw.

Finanzielle Anreize müssen her

So kann es doch nicht weitergehen. Die Forderung nach einem Gülle-Euro erscheint mir logisch. Zum Fleisch gibt es viele und auch preiswerte Alternativen. Schmecken tun sie auch. Und eine Abgabe für Landwirte auf die Überproduktion von Stickstoffen würde zweierlei bewirken: Zum einen wäre sie ein Anreiz, die Gülle nicht wie verrückt auf die Felder zu spritzen. Und zum anderen würden die Landwirte, die nicht darunter leiden sollten, diese Abgabe an uns Verbraucher weiterleiten; wir würden mehr für das Fleisch zahlen. Wir würden weniger Fleisch essen. Schließlich würden auch so die Kosten des Fleischkonsums gerechter verteilt: Sie landen bei uns Verursachern, bei uns Fleischessern.

Was bisher ein Teufelskreislauf des Fleischkonsums und der Umweltzerstörung ist, würde sich in einen positiven Kreislauf verwandeln. Gesünder für uns selbst wäre weniger Fleisch auf den Tellern auch.
Die Koteletts im Supermarkt werde ich also das nächste Mal im Regal lassen.

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