In diesem Jahr erlebt Europa ein großes Comeback

Die Europäische Union ist ein stiller Sieger – es geht ihr viel besser als ihrem Ruf. Das werden im Superwahljahr 2017 auch die letzten Eulen mitkriegen

ein Kommentar von Jan Rübel

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Heut ist ein guter Tag für ein bisschen Spinnerei. Wollen wir uns mal konkret überlegen, wie die Staaten der Europäischen Union enger zusammenrücken, ihre Politiken stärker koordinieren, vor allem eine gemeinsame Wirtschaftspolitik entwickeln und als geeinter Block im Weltgeschehen mitmischen? Wie, ich sitze in einer Zeitschleife, sagt ihr? Das sei kalter Kaffee?

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Nun, vor ein paar Jahren gab es noch recht viele solcher Spinner. Sie riefen, wir bräuchten mehr EU, nicht weniger. Doch dann kam die Wirtschaftskrise, dann die Finanzkrise, danach die Krise gefühlter Wahrnehmung und schließlich heute die Ego-Krise. Die Welt da draußen erscheint so schwer erklärbar, irgendwie bedrohlich. Besser, ich koche mein eigenes Süppchen und konserviere es für den nächsten Krieg…

Nationalstaaterei ist derzeit en vogue. Nicht wenige Politiker sagen, sie müssten nun die Interessen ihrer Wähler oder des Landes, was immer das sein mag, vertreten – und nicht die Vernunft, welche ihnen anderes zu leise flüstert. Die EU jedenfalls hat in diesen Wochen schlechte Karten, manche unken gar vom Zusammenbruch eines Kartenhauses.

Sie werden sich kräftig irren. Und dies hat zwei Gründe.

Die schwarze Kreide geht aus

Zum einen sind da die nackten Zahlen. Die Euro-Zone legt gerade kräftig zu. Die neuesten Daten des Internationalen Währungsfonds (IWF) dokumentieren, wie die Euro-Zone im Wirtschaftswachstum nicht nur die USA überholt und sich in der westlichen Hemisphäre auf Platz Eins einnistet. Die Zahlen belegen auch einen Rückgang der Arbeitslosigkeit, der Erholung nach Jahren des Kaputtsparens. Längst nehmen die Staaten der Euro-Zone wieder viel Geld in die Hand, investieren und wachsen. Die Politik der Europäischen Zentralbank mit ihren günstigen Zinsen sorgt dafür, dass Unternehmen Kredite aufnehmen können und expandieren. Sie können auch auf Grund des etwas schwächeren Euros weltweit besser exportieren, kurz: Es geht uns in ganz Europa immer besser. Das Ende der Durststrecke scheint erreicht.

Diese Zustandsbeschreibung passt gar nicht zu den Schreckensbildern, die manche malen: Danach ist Europa ein klammes Haus ohne Zentralheizung, es regnet durchs Dach. Diese Zahlen sind eine Ohrfeige für alle Populisten von rechts und links, die supranationale Organisationen als Teufelswerk verdammen und eine Rettung durch „nationale Sonderwege“ predigen. Die Zahlen sagen: Es funktioniert doch.

Der zweite Grund kommt etwas unauffälliger daher, er ist ein bloßer Blick in die Geschichtsbücher, und zwar auf die Seiten, welche die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg in Europa beschreiben.

Zwei Vielvölkerreiche waren damals zusammengebrochen: Das Osmanische und die Doppelmonarchie Österreich-Ungarns. Auch damals riefen viele Regionen nach Selbstbestimmung, nach dem Ende einer Fremdherrschaft, der nationalen Souveränität; was alles hübsch klang, endete aber zuweilen in Mord und Not. Die Zahl der bewaffneten Konflikte nach dem Ende des Ersten Weltkrieges stieg europaweit drastisch, und nun waren es vor allen Zivilpersonen und nicht Soldaten, die dafür den Preis zahlten. Die nationalen Alleingänge führten in der Regel – zu menschlichen Katastrophen.

Das sollten wir bedenken, wenn mal wieder die Rede von einer „Brüsseler Fremdbestimmung“ oder dem „Euro-Bürokratenhaufen“ die Rede ist. Diese Apparatschiks holen gerade die Kuh vom Eis.

Was wollen wir wirklich?

In diesem Jahr stehen in Europa wichtige Wahlen an. Die Niederländer wählen ein neues Parlament, die Franzosen entscheiden über eine neue Präsidentschaft. Keiner weiß, was in Italien und Spanien passieren wird. Möglich, dass die guten Zahlen des IWF bis dahin noch nicht ins Bewusstsein der Wähler geraten, aber die Auswirkungen sind unumkehrbar. Auch nicht abzustreiten, dass die Erkenntnis aus den Zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts nicht unbedingt eine „Breaking News“ ist – aber was ist das schon in diesen Zeiten?

2017 ist Europas Jahr. Bange machen wird nun schwer.

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