Was Käufer wissen müssen - Werden Häuser teurer oder billiger? FOCUS online erklärt das Chaos am Immobilienmarkt

Die heißen Zeiten am Immobilienmarkt sind vorbei, oder? Seit geraumer Zeit signalisieren Preisindizes einen Verfall der Häuserpreise. Käufer können sich also gedulden, möchte man denken. Doch so einfach ist die Situation gar nicht, kritisieren Marktbeobachter. Was Interessenten jetzt wissen müssen.

So mancher Hauskäufer wünscht sich sicher alte Zeiten zurück. Nicht nur wegen der billigeren Baufinanzierung, sondern vielleicht auch einfach nur, weil klar war, wie sich der Markt bewegt. Nämlich über weite Strecken hinweg einfach aufwärts.

Der logische Umkehrschluss: Kaufen, bevor es noch teurer wird. So simpel ist das derzeit nicht. Je nach Datenquelle, Experte und natürlich Standort, ist gar nicht mal so klar, ob die Preise gerade fallen, steigen oder stagnieren. Heißt: Das Timing für Hauskäufer wird schwieriger.

Vertraut man auf die Daten des Statistischen Bundesamts, scheint der Trend klar: Es geht noch abwärts. Im erste Quartal 2024 sanken die Preise der Behörde zufolge nicht nur um deutliche 5,7 Prozent, sondern damit auch zum sechsten Mal in Folge. Bestandsimmobilien wie Neubauten fielen beide gleichermaßen, wobei der Rückgang für bereits bestehende Häuser mit minus 6,2 Prozent zum Vorjahresquartal doppelt so stark ausfiel.

Nicht alle Preisindizes signalisieren den gleichen Trend

Ähnlich stark fällt der Preisrutsch beim Immobilienindex des Verbands der Pfandbriefbanken aus. Minus zum Vorjahresquartal: 5,3 Prozent für alle Immobilien, 4,3 Prozent nur für Wohnimmobilien. Sowohl der vdp- als auch Destatis-Index fiel zudem zum Vorquartal, ein wichtiges Trendsignal.

Bei so gut wie allen Datenreihen gilt, dass sich eine Trendumkehr andeutet, sobald sich der kurzfristige Vergleich – zum Vorquartal oder Vormonat – umkehrt, während der Vorjahresvergleich noch weiter nach unten respektive oben tendiert.

Das ist aber beispielsweise schon der Fall beim Europace-Index, wie die Unternehmensberatung Barkow Consulting berichtet. Der „ WirtschaftWoche “ zufolge steigen die Preise sogar wieder teilweise – nicht nur zum Vorquartal, sondern auch zum Vorjahr.

Das jedenfalls suggerieren die Preise des Portals Immoscout24, so das Magazin. Hier stiegen die Preise für bestehende Eigentumswohnungen zum Vorquartal um 0,6 Prozent und fielen zum Vorjahresquartal mit minus 2,5 Prozent deutlich weniger, als es die Daten der offiziellen Statistiker signalisieren. Bestehende Häuser hätten sich sogar um 0,8 Prozent verteuert – zum Vorjahresquartal!

Immobilienmanager: Destatis-Daten „leider überwiegend falsch“

Wie erklären sich die Unterschiede? Durch die Datenbasis, so die „WirtschaftsWoche“. Portale wie Immoscout24 greifen auf Angebotsdaten zurück – das spiegelt meist nicht wider, dass sich Käufer und Verkäufer am Ende bei einer niedrigeren Summe einigen.

Das Statistische Bundesamt wiederum nutzt die „echten“ Preise über Vertragsdaten. Das funktioniert über die sogenannten lokalen Gutachterausschüsse, die es seit 1960 in Deutschland gibt. Diesen Gremien werden die örtlichen Kaufverträge vorgelegt. Eigentlich könnte es kaum bessere Daten geben, um die Stimmung am Markt zu erfassen.

Nicht alle sehen das aber so. Die „WirtschaftsWoche“ zitiert etwa den Chef des Immobiliendienstleisters Hypoport, Ronald Slabke. Seine Aussage: Was die Behörde zuletzt veröffentlichte, sei „leider überwiegend falsch“.

Slabkes Begründung: Gegenüber dem ersten Quartal des Vorjahres seien in den Monaten Januar bis März Immobilien gehandelt worden, die im Schnitt zwei Jahre älter gewesen seien. „Die Menschen im Land müssen bei Immobilienkauf sparen und greifen halt schneller bei billigeren Objekten zu.“ Damit wären die Destatis-Daten zwar an sich richtig, würden aber verzerren, was sich in anderen Teilen des Marktes abspielt.

„In der Realität steigen die Preise seit fünf Monaten in Folge“

Hier zeigt sich eine der Tücken bei Datenvergleichen, die vor allem Immobilien treffen. Vergangenes Jahr beispielsweise hätten OECD-Daten gezeigt, dass Immobilien aktuell, trotz wieder steigender Zinsen, erschwinglicher seien als im Jahr 1980. Es sei in diesem Jahrzehnt viermal schwieriger gewesen, sich die eigenen vier Wände zu leisten, so der damalige Tenor.

Qualitative Faktoren, wie eben das Alter eines Gebäudes, fielen aber auch bei diesem Vergleich heraus. Gegenüber FOCUS online sagte Immobilienexperte Christof Schürmann von Flossbach von Storch deshalb: „Gehen wir zurück ins Jahr 1980: Wenn ich damals eine Immobilie von 1970 gekauft habe, gab es keinen Sanierungsstau, alles war in Ordnung, Dach, Heizung, und so weiter.“

Derartige Qualitätsunterschiede würden eben nicht in die Daten einfließen, kritisiert Slabke deshalb. Sein Blick auf den Markt: „In der Realität steigen die Preise in den meisten Regionen nun bereits seit fünf Monaten in Folge“

Reiner Braun springt dem Hypoport-Chef bei. Dem Vorstand des Marktforschungsinstituts Empirica zufolge gebe es seit Mitte 2022 weniger Transaktionen. Zudem gehe es am Markt seit der Zinswende um andere Objekte als davor: "Wenn jetzt eher ältere, sanierungsbedürftige und eher ländlichere Immobilien gehandelt werden, dann werden natürlich auch eher geringere Preise gemessen“, so Braun.

Sicher ist: Die Nachfrage zieht schon spürbar an

Für Käufer macht das die Sache nicht leichter. Auf welche Preisdaten sollten sie nun vertrauen? Trügt das Gefühl des Abschwungs am Markt? In diesem Fall wäre es natürlich ratsam, (weiter) steigenden Preisen zuvorzukommen.

Ein Indikator dafür, dass die Preise zumindest bald anziehen dürfte, lässt sich aber auf der Nachfrageseite ausmachen. So legt das Neugeschäft bei Baufinanzierungen laut Barkow Consulting wieder deutlich zu: Mit 16,8 Milliarden Euro lag das Volumen satte 29 Prozent über dem Vorjahreswert.

Anders ausgedrückt: Es werden wieder mehr Baufinanzierungen abgeschlossen, demnach mehr Häuser gekauft, was auf eine wachsende Nachfrage schließen lässt. Mit dem Effekt, dass Verkäufer wieder mehr verlangen könnten.

Auch der Dienstleister McMakler verkündete erst in dieser Woche, dass die Nachfrage wieder anziehe. Bundesweit habe die Zahl der Interessenten pro Kaufobjekt im zweiten Quartal um 6,8 Prozent gegenüber dem Vorquartal zugenommen. Das sei der dritte Anstieg in Folge.

„Seit Jahresbeginn beobachten wir eine Belebung des Marktes für Wohnimmobilien. Dieser Trend festigt sich, nicht zuletzt gestützt von der jüngsten geldpolitischen Wende der EZB. Immer mehr Kaufinteressenten kehren an den Markt zurück“, erklärt McMakler-Geschäftsführer Felix Jahn.

Laut Jahn sei mit Blick auf den „intakten Preistrend“ in den beliebten Metropolen sowie dem „auf absehbare Zeit knappen Angebot“ nun der richtige Zeitpunkt für den Kauf. Überstürzen sollten angehende Hauskäufer jedoch nichts. Denn es gibt es auch skeptischere Stimmen, wie etwa von Jan Grade.

„Für eine echte Trendwende ist es noch zu früh“

Grade steht der Empirica-Schwesterfirma Empirica Regio vor. „Die Frage, ob die Kaufpreise noch sinken, sich stabilisieren oder bereits wieder steigen hängt von mehreren Faktoren ab. Unabhängig von der Datenquelle muss zunächst sichergestellt sein, ob in zwei Beobachtungszeiträumen ähnliche Objekte hinsichtlich Lage und Qualität beobachtet werden“, so Grade.

Eine entsprechende Bereinigung sei bei den hauseigenen Indizes für Angebotsdaten, aber auch bei transaktionsdatenbasierten Indizes wie dem GREIX oder dem EPX üblich. Und auf Basis dieser Daten kommt Grade zu dem Fazit, dass „sich die Kaufpreise vielerorts und in den meisten Segmenten stabilisiert haben. Um von einer echten Trendwende zu sprechen, ist es aus meiner Sicht aber noch zu früh“.