Gastbeitrag - Liebe Ampel, lasst die Menschen in Ruhe und kümmert euch um wichtige Probleme!

Macht die Ampel den Abgang? Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ), Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) müssen eine Einigung im Haushaltsstreit finden.<span class="copyright">Kay Nietfeld/dpa</span>
Macht die Ampel den Abgang? Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ), Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) müssen eine Einigung im Haushaltsstreit finden.Kay Nietfeld/dpa

Telefonische Krankschreibung abschaffen, Sozialbeiträge deckeln – mit diesen fünf Maßnahmen, kommt Deutschland auf Wachstumskurs.

Deutschland ist zum Sinnbild für chronische Wachstumsschwäche geworden. Bundesfinanzminister Christian Lindner hat jüngst auf dem Tag des Familienunternehmens berichtet, bei internationalen Konferenzen würden Symbolfotos von deutschen Einkaufsstraßen gezeigt – als Untermalung der ökonomischen Schwäche.

Früher war Deutschland die Wachstumslokomotive Europas, jetzt verlieren wir an Tempo. Damit dürfen wir uns nicht abfinden! Auch viele Beschäftigte spüren inzwischen, dass die Wirtschaft nicht „rund“ läuft. Die Kurzarbeit ist zwar kein Massenphänomen, doch knapp ein Fünftel der Industriefirmen sagen laut ifo Institut, sie planten in nächster Zeit Kurzarbeit. Es ist fünf nach zwölf. Die Ampel muss endlich liefern und ihr angekündigtes Dynamisierungspaket vorlegen.

Aus Sicht der Familienunternehmen sind keine neuen schuldenfinanzierte Finanztöpfe notwendig, wie sie Großkonzerne fordern. Auch Subventionen sind keine Lösung. Es ist möglich, die Schuldenbremse einzuhalten und gleichwohl die Rahmenbedingungen zu verbessern. Dazu fünf konkrete Beispiele, wie unser Land vorankommt.

1. Anreize für mehr Arbeit

Es gibt zum Glück noch Unternehmen, die haben volle Auftragsbücher. Wenn diese ihre Mitarbeiter fragen, ob sie Überstunden machen, erhalten sie oft ein und dieselbe Antwort: „Chef, das lohnt sich für mich nicht.“ Das liegt an einem Steuersystem, das dazu führt, dass Facharbeiter für Teile ihres Lohns den Spitzensteuersatz in der Einkommensteuer zahlen.

Hohe Steuern und Sozialbeiträge sind leistungshemmend. Wir benötigen eine Steuerreform, die mittlere Einkommensbezieher entlastet. Diese könnte man schrittweise umsetzen. Kurzfristig sollte die Politik dafür sorgen, dass die Sozialversicherungsbeiträge nicht weiter in die Höhe schießen. Denn auch höhere Sozialbeiträge machen Arbeiten unattraktiver.

2. Telefonische Krankschreibung abschaffen

Ob Dax-Konzerne in Streubesitz oder Familienunternehmen: Sie alle spüren, dass sich die Krankenstände auf sehr hohem Niveau bewegen. In der Pandemie hatte die telefonische Krankschreibung ihre Berechtigung. Nach der Pandemie wurde sie ausgesetzt, dann 2023 wieder eingeführt. Schon am ersten Tag nach der Wiedereinführung schnellten die Krankmeldungen nach oben. Deutschland kann es sich nicht leisten, die längsten Ferien, die meisten Feiertage und den höchsten Krankenstand zu haben. Die Krankschreibung sollte wieder der Arzt vornehmen.

3. Deutschland ist für Familienunternehmen Höchststeuerland

Deutschland hat die höchste Steuerbelastung für Familienunternehmen. Während z.B. die USA und Frankreich die Steuersätze senkten, blieb Deutschland untätig. Wir sollten die Unternehmenssteuerbelastung von zurzeit 30 auf ein wettbewerbsfähiges Niveau von 25 Prozent reduzieren. Mit Rücksicht auf die Schuldenbremse könnte die Körperschaftsteuer in mehreren Stufen gesenkt werden.

Die Steuerausfälle hielten sich in Grenzen und die privaten Investitionen würden auf mittlere Sicht angekurbelt. Bei einer Senkung in zwei Stufen lägen nach zehn Jahren die privaten Investitionen um mehr als 70 Milliarden Euro höher. Die Politik ist gut beraten, die ständigen Debatten über Steuererhöhungen zu beenden. Sie verunsichern die Unternehmen, die ihre Investitionsentscheidungen auf lange Sicht treffen.

4. Vorschriften aussetzen

Vor Kurzem erzählte mir ein Jungunternehmer, dass er gleich drei Brandschutzbeauftragte ernennen musste. Und das in einem Gründerunternehmen! Ein Brandschutzbeauftragter täte es auch. Vom Leiterbeauftragten bis zum Menschenrechtsbeauftragten – der Gesetzgeber verpflichtet Betriebe, für viele Bereiche Beauftragte zu ernennen und diese zu schulen. Beschränkung auf das Wesentliche ist angezeigt. Viele Beauftragte können ersatzlos wegfallen.

Ebenso wichtig: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat angekündigt, das deutsche Lieferkettengesetz so lange auszusetzen, bis die EU-Regelung in einigen Jahren in Kraft gesetzt ist. Das muss jetzt kommen. Viele große Familienunternehmen prüfen ihre Lieferanten seit Langem nach UN-Standards und mussten für das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz einen erneuten Prüfprozess aufsetzen.

Ein großes Familienunternehmen beziffert die Kosten allein für das deutsche Lieferkettengesetz auf zwei Millionen Euro. Die Unternehmen sollten ihre knappen Mittel nicht für Bürokratie verschwenden, sondern für Innovation und Forschung einsetzen.

5. Netzengelte für Strom deckeln

Für Unternehmen werden Netzentgelte, die Teil der Stromrechnung sind, zum Kostenrisiko. Anfang des Jahres verdoppelten sich die Netzkosten für Unternehmen und Privatleute. In Deutschland zahlen Unternehmen so viel für Netzentgelte wie in anderen Ländern für den gesamten Strompreis. Die Politik sollte die teure Erdverkabelung der Stromleitungen auf das absolut Notwendige beschränken, denn Freileitungen sind um ein Vielfaches günstiger.

Zu guter Letzt: Wir brauchen eine EU-Politik, welche die Schaffung von Wachstum und Innovation in den Mittelpunkt stellt. In den vergangenen fünf Jahren ging von der EU ein Bürokratie-Tsunami auf die Unternehmen nieder. Green Deal, Entgelttransparenz-Richtlinie, Taxonomie – die Flut ist kaum noch zu überblicken.

In diesen Wochen wird die EU-Nachhaltigkeitsrichtlinie in deutsches Recht umgesetzt. Sie enthält mehr als 1000 Berichtspunkte, die Unternehmen beachten müssen. Bei großen Familienunternehmen führt allein diese Richtlinie zu zusätzlichen Kosten von 400.000 bis 500.000 Euro – pro Jahr! So geht das nicht weiter.

Der frühere EU-Kommissar Günther Oettinger liegt richtig, wenn er feststellt: Europa muss wirtschaftlich aufholen. „Europa sollte die großen Themen angehen und bei den kleinen Themen die Menschen unbürokratisch in Ruhe lassen.“ Das wäre die passende Leitlinie für die neue EU-Kommission und das Parlament.