Kommentar: Die CSU in schnelllebigen und gemeinen Zeiten

Die CSU um Markus Söder (r.) machte in den vergangenen Wochen nicht die beste Figur. (Bild: AP Photo/Matthias Schrader)
Die CSU um Markus Söder (r.) machte in den vergangenen Wochen nicht die beste Figur. (Bild: AP Photo/Matthias Schrader)

Im Wahlkampfendspurt kommen die christsozialen Spitzenmänner aus dem Takt. Markus Söder stürmt zum Mond und Horst Seehofer übt sich in alten Rezepten. Schlechter kann es nicht laufen.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Wahlkampf ist ungerecht. Wen oder was die Wähler plötzlich toll finden, ist immer schlechter vorhersehbar. Die Frontleute von den Grünen etwa, die brauchen im bayerischen Landtagswahlkampf nur nett lächeln und zuversichtlich strahlen – und die Zustimmungswerte recken sich. Die SPD dagegen mag einen Purzelbaum nach dem anderen schlagen – und niemand schaut hin.

Und dann ist da die CSU. Die Partei liegt eindeutig vorn, aber die Alleinherrschaft scheint bedroht; jedenfalls fürchtet sie eher weit unter 40 Prozent der Stimmen zu landen als weit drüber. Und nun kommt das Spitzenduo aus Ministerpräsident Markus Söder und Parteichef Horst Seehofer ins Straucheln, der Takt stimmt nicht.

In den Monaten zuvor war es Seehofer, der in Berlin eine Volte nach der anderen schlug, Krisen auslöste und seine Parteigenossen in Bayern atemlos zuschauen ließ. Söder dagegen versuchte ruhig zu präsidieren, korrigierte gar seinen aggressiven Sprachstil. Er lernte hinzu.

Nun wechseln beide die Rollen, doch ob diese Rochade hilft, steht in den Sternen. Apropos, nach denen griff Söder zu Wochenbeginn und erntete die Erkenntnis, dass Gutes einem auch schlecht ausgelegt wird, wenn es halt generell schlecht läuft. Ein bayerisches Raumfahrtprogramm stellte er vor, es geht um Wissenschaftsförderung und Satelliten im All. Das ist sicherlich gut investiertes Geld und zeigt, dass ein mittlerweile technologieorientiertes Land wie Bayern mehr Weitblick beweist als andere. Doch mit dem Marketing klappte es überhaupt nicht.

Völlig losgelöst

Söder fasste diese Zukunftsinvestition in eine Botschaft zusammen, genau formuliert: in ein Konterfei. Nicht die Vorhaben an sich bleiben im kollektiven Gedächtnis hängen, sondern ein Logo. Darauf zu sehen ist der Kopf Söders, als winde er sich aus dem Emblem des FC Bayern München (dabei ist er Nürnberg-Fan), darum ein Kreis mit den Worten: “Bavaria One. Mission Zukunft.”

Hatte der Ministerpräsident nicht an die Möglichkeit gedacht, solch ein Konterfei könne nur Hohn und Spott hervorrufen? Denn Größenwahn ist hier Vater des Gedankens: Söder = Bavaria One. Man denkt an Organisationen wie die NASA, die trägt Planeten und Sterne im Logo. Noch, möchte man sagen, denn US-Präsident Donald Trump hätte keine Einwände, nähme die NASA sein Gesicht als Wappen. Aber Söder ist nicht Trump, sollte es aus wahltaktischen Erwägungen heraus nicht sein. So wirkt das Raumfahrtvorhaben aus Bayern lächerlich, ohne lächerlich zu sein. Hat Söder keine Berater, die sich einen kritischen Blick auf seine Ideen leisten? Gibt es in seiner Entourage genügend Neinsager? Dieser Fehler war vorhersehbar wie Heiligabend am 24. Dezember.

Innenminister Horst Seehofer sieht Gefahren an beiden Rändern des politischen Spektrums. (Bild: AP Photo/Matthias Schrader)
Innenminister Horst Seehofer sieht Gefahren an beiden Rändern des politischen Spektrums. (Bild: AP Photo/Matthias Schrader)

Völlig verhaftet

Während also Söder sich bereitwillig jeglichem Gelächter hingab, welches bei Raumfahrtthemen besonders rasch evozierbar ist, trat der ansonsten schnelle Seehofer auf die Bremse. Er präsentierte sich als Bär, der sich nach allen Richtungen hin unsicher abtastet.

Was war passiert? In Chemnitz hat die Polizei Männer festgenommen, bei denen es einen furchtbaren Verdacht gibt. Sie sollen sich zusammengetan haben, um eine rechtsradikale Terrorgruppe zu gründen, mit dem Ziel, den faschistischen NSU und seine Mordserie wie einen Kindergarten aussehen zu lassen. Typisch braune Großmäuligkeit mag dazu gehören, aber was gab Seehofer von sich? “Seit Monaten sage ich, dass eine hohe Gefährdungsstufe von Terrorismus besteht in Deutschland, und zwar jeder Schattierung.” Seehofer sicherte sich in seiner Besorgnis nach allen Seiten hin ab. Das ist nicht weise, sondern fahrlässig.

Natürlich gibt es in Deutschland eine Terrorgefahr von mehreren Seiten. Da droht, und zwar täglich, eine Gefahr terroristischer Anschläge aus radikalislamischer Ecke. Dieses Phänomen wird nicht so rasch auslaufen. Und der NSU hat gezeigt, aus welcher innenpolitischen Richtung dem Land die große terroristische Gefahr droht: von rechts. Es sind rechte Gewalttaten, die in Deutschland eindeutig überwiegen. Es sind rechte Parolen, die Hass transportieren. Von rechts kommen immer wieder Fragezeichen, welche die Grundpfeiler unserer Republik in Zweifel ziehen. Von links dagegen ist es keine Untertreibung festzustellen, dass ein laues Lüftchen weht.

Wenn Seehofer also von einer Gefahr von allen Seiten spricht, ist dies nicht zeitgemäß. Er beschreibt die Lage unzutreffend. Beschönigt die Gefahr von rechts, indem er sie in einen Tümpel mit anderen echten und hochgeredeten Gefahren steckt. Es ist eine alte, falsche und unglückselige Tradition in Deutschland, links wie rechts gleichermaßen zu bequatschen. Die so genannte Mitte will sich distanzieren, von den durch sie ausgemachten Rändern. “Linke Gewalt” wird dann in einem Atemzug mit “rechter Gewalt” genannt, aus einem falsch verstandenen Gerechtigkeitsempfinden. Und die AfD bemüht stetig eine Gefahr von links, damit sie von der rechten ablenken kann, für die sie, nach eigener Sicht, ungerechterweise in Sippenhaft genommen wird. Das ist alles durchschaubar. Doch Seehofer agiert, als lebe er nicht im 21. Jahrhundert.

Das alles ist ein Stück weit tragisch für die CSU. Sie zeigt sich nicht in bester Form. Es spiegelt auch nicht die politischen Leistungen wider – egal wie man zur CSU steht. Die CSU sollte kapieren, dass der Zeitgeist gerade ihr ins Gesicht bläst; da verlangt es einen cleveren Auftritt. Mit ollen Klamotten wie dem Kleinreden rechter Gefahren oder clownesker Zukunftsmegalomanie à la “Bavaria One” jedenfalls gewinnt man keine Wahl.

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