Kommentar: Kinder wählen nicht die FDP

Der liberale Bundesfinanzminister stellt sich faktisch gegen die Kindergrundsicherung. Das Geld gibt er lieber woanders aus. Wenn das so weitergeht, siegt die FDP die Ampel-Koalition zu Tode.

Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Familienministern Lisa Paus am Rande einer Kabinettssitzung im November 2022 in Berlin (Bild: REUTERS/Michele Tantussi)
Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Familienministern Lisa Paus am Rande einer Kabinettssitzung im November 2022 in Berlin (Bild: REUTERS/Michele Tantussi)

Ein Kommentar von Jan Rübel

Noch sind keine validen Zahlen bekannt, aber im Raum steht eine große Differenz. Zwölf Milliarden Euro im Jahr hat Familienministerin Lisa Paus (Grüne) für die geplante Kindergrundsicherung veranschlagt – dabei geht es um eine Zusammenlegung einzelner Hilfen für Kinder und Eltern, besonders für einkommensschwache Familien. Die Solidarität soll damit vereinfacht und ausgebaut werden. Dringend ist sie allemal. Denn Kinder in Armut gibt es viel mehr, als man denkt. Dies hat fatale Folgen, übrigens auch wirtschaftliche für den Staat. Denn eine verpasste Linderung von Startschwierigkeiten während der ersten Lebenskapitel führt zu weniger Steuereinnahmen und mehr „Kosten“ in den späteren.

Doch was plant Finanzminister Christian Lindner (FDP)? Statt der Zahl Zwölf gibt er aus dem Bendlerblock heraus vor: Zwei Milliarden Euro im Jahr habe er dafür übrig. Damit würde er dieses Projekt praktisch begraben.

Alles hat mal ein Ende

Nun gibt die Bundesregierung gerade wirklich viel Geld aus. Um die Wärmepumpenmeuterer zu beruhigen, winken heftige Fördergelder. Die Coronahilfen schlugen kräftig zu Buche, die Inflation wurde mit Unterstützungen gedimmt, es gab Wumms und Doppelwumms zur Deckelung der Preise für Gas und Strom. Klar, dass ein Bundesfinanzminister da die Frage in den Raum werfen muss, wo an Kosten eingespart werden kann. Das gehört zur Jobbeschreibung. Und jeder heute ausgegebene Euro fällt kommenden Generation schwerer vor die Füße.

Ampel-Koalition ringt weiter um Einigung in Streit um Kindergrundsicherung

Aber. Und dieses „aber“ wiegt deutlich mehr: Aber in der Zukunft zählt nicht nur die Frage der Gerechtigkeit, sondern auch der ökonomischen Vernunft. Und beides erfordert eine Kindergrundsicherung, die ihren Namen verdient. Noch immer sind die Startschwierigkeiten in Deutschland sehr unterschiedlich. Klassenzugehörigkeit wird vererbt. Das hilft dem Land nicht, denn gerade in Zeiten des Fachkräftemangels braucht es jede Hand – und die muss dazu befähigt und ermächtigt werden. Eine Kindergrundsicherung ist eine Investition in diese Zukunft. Da Lindner sich gern als weitsichtigen Politiker sehen lässt, sollte er diesen Aspekt berücksichtigen.

…aber woanders geht‘s

Wobei bei ihm und seiner Partei die Spendierhosen angesichts einiger Ausgabeposten besonders weit gestrickt sind. Autobahnausbau? Her damit. Pendlerpauschale, Dienstwagenprivileg? Gaaanz wichtig – für einige im Allgemeinen und darunter FDP-Stammwähler im Besonderen. Die Liberalen sind jener Partner in der Koalition, der am krassesten Klientelpolitik betreibt. Natürlich gibt es für alles Argumente, aber die der FDP sind besonders zugeschnitten.

Das wird auch für das Regierungsbündnis zum Problem, denn mit dieser Ellenbogentaktik sorgen die Liberalen für Fliehkräfte. Diese zu bändigen, das klappt noch. Aber der Eindruck wächst, dass dies immer weniger gelingt.

VIDEO: Kindergeld im EU-Vergleich: Wie viel Geld gibt es in welchem Land?