Kommentar: Soll die AfD verboten werden?

Nach den vereitelten Putschplänen aus den „Reichsbürger“-Communitys heraus kommt die Frage nach einem Verbot der AfD auf – liegen die Verbindungen doch auf der Hand. Und die Antwort findet man sehr schnell.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Zu Beginn der Coronapandemie im Mai 2020: Leute demonstrieren auf einer AfD-Veranstaltung in Berlin gegen Schutzmaßnahmen der Bundesländer (Bild: REUTERS/Fabrizio Bensch)
Zu Beginn der Coronapandemie im Mai 2020: Leute demonstrieren auf einer AfD-Veranstaltung in Berlin gegen Schutzmaßnahmen der Bundesländer (Bild: REUTERS/Fabrizio Bensch)

Selbst hart gesottene Christdemokraten mussten kurz zucken, als sie Details der „Putsch“-Pläne erfuhren. Hardliner in der CDU, die gern mal das rechte Auge reflexartig schließen, mussten anerkennen: Was die Leute in diesen selbst erklärten „Reichsbürger“-Szenen vorhatten, war zwar weit weg von jeglicher Realisierung, aber dennoch ernst gemeint. Und es waren nicht nur weltfremde Spinner, die sich darin gefallen, in irgendeiner Landesverfassung vor 173 Jahren einen Passus gefunden zu haben, der es ihnen angeblich erlaubt, keine Hundesteuer zu entrichten.

Da hatten sich Leute zusammengetan, die echten Trouble machen wollten. Chaos stiften: Anderen Leid antun. Und das unabhängig davon, wie lächerlich sie einzeln betrachtet daherkommen. Mittendrin: eine ehemalige Bundestagsabgeordnete der AfD und Richterin.

Überhaupt kann sich die AfD jetzt nicht so geben, als habe sie mit diesem gärenden Haufen nichts zu tun. Sie teilt sich ja mit ihm gewisse Terrains. Man demonstrierte gemeinsam, verachtete in Eintracht „die da oben“, und das vor allem aus dem Grund, weil man selbst ganz oben sein will. Rechten ist der Trieb zur Macht der größte. Und in der AfD gibt es sicherlich viele, viele Aktive, von unten bis ganz nach oben, die unsere Verfassung, die parlamentarische Demokratie als das Beste in der Politik verteidigen würden. Aber es gibt auch Einige, die hält nur der Realitätssinn davon ab, geheime Listen für „Heimatschutzkompanien“ zu erstellen, für „Säuberungen“ nach dem Tag X.

Wie ein Springfrosch aus der Dose

So gesehen ist es zu erwarten gewesen, dass im Meer der Sozialen Medien die Forderung nach einem Verbot der AfD trendet wie geschnitten Brot. Sie schwappt gar bis ins Bundesinnenministerium, wo die Amtsfrau öffentlich darüber sinniert, dass am Ende ein Verbot stehen könnte. Nach dem Motto: Wenn Teile der AfD der verlängerte Arm einer Gruppe sind, die das politische System stürzen will, dann darf die Ordnung dieses Systems, auf das sich ja die gewaltige Mehrheit unserer Bevölkerung geeinigt hat, dieser Partei die Förderung und Betätigung entziehen.

Diese Forderung mag verlocken, entzücken oder verschrecken. Jedenfalls ist sie grundfalsch.

Zum einen war die AfD schon immer ein wilder Haufen. Sie zog am rechten Rand Leute an, die man gemeinhin als skurril bezeichnen kann. Da trafen Eurogegner auf Impfskeptiker, völkische Nationalisten auf liberale Kryptofreaks. Schnell schälte sich das Völkische als Leitfaden für die Partei heraus. Aber auch dies ist ein weites Feld. So überrascht es nicht, dass sich „Reichsbürger“ im Umfeld tummeln, auch wenn sie sicherlich von der überwältigenden Mehrheit in der AfD belächelt werden. Spinnert heißt am Ende des Tages immer noch spinnert. Auch bei der AfD.

Freiheit erfordert den Ausdruck

Und zum anderen gehört es zum Grundprinzip der Demokratie, dass die in ihr Lebenden sich politisch öffentlich ausdrücken können. Dazu brauchen sie ein Sprachrohr. Die AfD ist solch ein Megaphon. Politisch rechts stehende Deutsche brauchen in der parlamentarischen Demokratie ein Boot, auf dem sie segeln können. Sonst wäre sie nicht komplett, würde Unfreiheitliches in sich tragen. Sollte der Rechtsstaat versuchen, beim ersten Pups gegen ihn ein Verbot auszusprechen, würde er nur jene Opfer produzieren, die sich diesen Status herbeisehnen.

Es gehört schließlich zur Dauererzählung unter Rechten, dass man in diesen sich tatsächlich ändernden Zeiten nicht mehr dieses oder jenes sagen/machen dürfe. Dass man ein Opfer sei, von etwas diffus „Linkem/Liberalem“, am besten elitär kapitalistisch angehaucht. Das läuft immer gut, wegen seiner Einfachheit in der Lüge. Ein Verbot der AfD würde diese Erzählung nur verstärken, Auftrieb geben und mobilisieren.

Gegen ein Verbot spricht also alles. Es machte nur Sinn, näher erörtert zu werden, falls auf einem Parteitag der AfD tatsächlich ein Tagesordnungspunkt diskutiert würde, inwiefern man mit Waffengewalt durchsetzen kann, keine Hundesteuer zu zahlen. Bis dahin aber ist es, nach jetzigem Stand, ein weiter, weiter Weg.

Im Video: Nach Razzien in "Reichsbürger"-Szene: Sicherheitsbehörden rechnen mit weiteren Beteiligten