"Wir sind Kriegsziel?" Markus Lanz reagiert nach düsterer Ukraine-Prognose geschockt

ZDF-Moderator Markus Lanz sprach am Mittwoch mit seinen Gästen auch über die Überlegung, europäische Atomwaffen einzuführen. (Bild: ZDF / Markus Hertrich)
ZDF-Moderator Markus Lanz sprach am Mittwoch mit seinen Gästen auch über die Überlegung, europäische Atomwaffen einzuführen. (Bild: ZDF / Markus Hertrich)

"Wenn wir so weitermachen, wird die Ukraine es nicht überstehen": Bei "Markus Lanz" warnte Roderich Kiesewetter eindringlich vor einem fatalen Kriegsverlauf. Dem Kanzler warf er vor, seine falschen Entscheidungen von gestern seien die ukrainischen Opfer von heute.

Am vergangenen Wochenende wurde CDU-Politiker Roderich Kiesewetter an einem Wahlkampfstand angegriffen und als "Kriegstreiber" beschimpft. "Mir geht's da kalt den Rücken runter, wenn ich das höre", offenbarte Markus Lanz am Mittwoch in seiner Sendung. Roderich Kiesewetter reagierte gelassen und sagte, dass es ihm gegenüber zum ersten Mal "in Gewalt eskaliert" sei, aber: "Verbale Entgleisungen gibt's schon länger".

Als Markus Lanz erläuterte, dass sich die Zahl der Straftaten gegen Amts- und Mandatsträger in den vergangenen fünf Jahren verdreifacht habe, machte Kiesewetter deutlich, dass es daher umso wichtiger sei, "dass sich alle aus der Kommunalpolitik, Landes- und Bundespolitik nicht entmutigen lassen und wir bei den Europawahlen ein klares Bekenntnis zur demokratischen Mitte ablegen".

CDU-Politiker Roderich Kiesewetter erläuterte bei Markus Lanz, warum auch Deutschland ein Kriegsziel Russlands sei. (Bild: ZDF / Markus Hertrich)
CDU-Politiker Roderich Kiesewetter erläuterte bei Markus Lanz, warum auch Deutschland ein Kriegsziel Russlands sei. (Bild: ZDF / Markus Hertrich)

Trotzdem musste der CDU-Mann zugeben, dass seit 2015 eine höhere "Aggressivität in den Demonstrationen" festzustellen sei. Dem stimmte Sicherheitsexpertin Daniela Schwarzer zu und ergänzte, dass besonders die Menschen an den politischen Rändern immer eher bereit seien, Gewalt auszuüben. Schwarzer: "Ich glaube, wir müssen da ganz klar zeigen: Ein Rückzug kann nicht die Möglichkeit sein."

Kiesewetter nickte und plädierte dafür, "dass wir Politiker (...) uns klar bekennen. Dass wir eine Haltung haben, dass die Leute wissen, wofür wir stehen". Lanz konterte kritisch: "Aber am Ende geht's Ihnen dann an den Kragen." Eine Aussage, die Kiesewetter kalt ließ: "Wenn Sie sich zurückziehen, hilft es ja auch nicht!" Schwarzer nickte nachdenklich: "Es ist ein großes Risiko für unsere Demokratie, wenn politische Gewalt zunimmt und Menschen sich davon verschrecken lassen." Laut der Sicherheitsexpertin dürfe man die Demokratie jetzt aber auch nicht "präventiv kaputtreden".

Journalist Paul Ronzheimer (rechts) erklärte im Gespräch mit Roderich Kiesewetter (links) und Daniela Schwarzer, dass er mittlerweile eine Spaltung in der ukrainischen Gesellschaft wahrnehme, da immer weniger Menschen dazu bereit seien, für ihr Land an der Front zu kämpfen. (Bild: ZDF / Markus Hertrich)
Journalist Paul Ronzheimer (rechts) erklärte im Gespräch mit Roderich Kiesewetter (links) und Daniela Schwarzer, dass er mittlerweile eine Spaltung in der ukrainischen Gesellschaft wahrnehme, da immer weniger Menschen dazu bereit seien, für ihr Land an der Front zu kämpfen. (Bild: ZDF / Markus Hertrich)

Als Markus Lanz fragte, welche Rolle "wir als Medien" in Bezug auf die aufgeheizte Stimmung im Land spielen, räumte "Bild"-Vize-Chefredakteur Paul Ronzheimer ein, "dass wir manchmal zu hart mit Politikern umgehen". Zugleich warnte er vor den Gefahren der sozialen Medien, durch die eine Tonalität in die Debatte komme, "die gefährlich ist".

Dem stimmte Daniela Schwarzer zu und warnte in dem Zusammenhang vor der "hybriden Kriegsführung" Wladimir Putins, der schon jetzt mit der Streuung von Fehlinformationen im Netz enormen Druck auf Deutschland ausübe. "Wir sind längst angegriffen, und deshalb ist es so wichtig, dass wir uns im Inneren stärken", mahnte die Sicherheitsexpertin streng.

Dies brachte Markus Lanz auf den Kurswechsel von Olaf Scholz zu sprechen, der vor wenigen Tagen verkünden ließ, dass die Ukraine künftig deutsche Waffen einsetzen dürfe, um Ziele in Russland anzugreifen. "Wie bewerten Sie diesen neuerlichen Kurswechsel von Olaf Scholz?", wollte Lanz wissen. Journalist Paul Ronzheimer reagierte verhalten und erklärte, dass er nicht davon ausgehe, dass der neue Kurswechsel eine große Änderung an der Front mit sich bringe. Er habe es bislang dennoch als "wahnsinnig zynisch empfunden", dass die Ukraine nicht dazu befähigt wurde, deutsche oder amerikanische Waffen in ihrem vollen Umfang zu benutzen.

Sicherheitsexpertin Daniela Schwarzer warnte im Gespräch mit Lanz vor der
Sicherheitsexpertin Daniela Schwarzer warnte im Gespräch mit Lanz vor der "hybriden Kriegsführung" Russlands. (Bild: ZDF / Markus Hertrich)

Mit Blick auf den Streit um deutsche Waffenlieferungen an die Ukraine machte Lanz deutlich, dass Roderich Kiesewetter von Kriegsbeginn an dafür geworben hatte, "die Ukraine zu befähigen, den Krieg nach Russland zu tragen". Für seine Haltung war Kiesewetter unter anderem von Sahra Wagenknecht verbal attackiert worden. Die hatte dem Bundestagskollegen vorgeworfen, er habe "nicht mehr alle Tassen im Schrank".

Eine Kritik, die an dem CDU-Politiker abzuprallen schien: "Ihr Mann hat vor drei Wochen gesagt, ich gehöre hinter Schloss und Riegel. Diese Zuspitzung führt ja auch dazu, dass wir in Deutschland eine Verunsicherung in der Bevölkerung haben. Und deshalb glaube ich, sollten wir viel stärker auf Pistorius und Baerbock hören."

Dass auch Olaf Scholz nun einen schärferen Ton an den Tag lege, kommt für Kiesewetter jedoch zu spät: "Wir haben zu lange gewartet, und die nicht getroffenen Entscheidungen (...) vor ein oder zwei Jahren sind die Opfer von heute." Der CDU-Politiker forderte deshalb: "Wir müssen mehr tun. Das Ziel muss gerändert werden. Nicht, solange es möglich ist oder nötig ist, sondern so rasch wie möglich, so viel wie möglich, dass die Ukraine ihre Grenzen weitestgehend wieder herstellt und dass Russland das Existenzrecht der Nachbarstaaten anerkennt." Kiesewetter weiter: "Wenn wir so weitermachen, dann wird die Ukraine es nicht überstehen." Eine Vorstellung, die nicht nur Lanz Angst machte.

Der CDU-Mann warnte: "Wir dürfen nicht Kriegspartei werden, aber wir werden zur Kriegspartei, wenn die Ukraine zerfällt, Moldau angegriffen wird, Massenflucht entsteht." Der ZDF-Moderator erkundigte sich besorgt: "Wir sind Kriegsziel?" Kiesewetter bestätigte: "Wir sind Kriegsziel Russlands. Putin hat im November gesagt, wir sind Feinde. Dann sind wir lieber ein starker Gegner." Paul Ronzheimer stimmte zu: "Schauen Sie sich das russische Fernsehen jeden Tag an. Heute wieder hat der Propagandist gesagt, es müssen Bomben auf Berlin fallen."

Für Kiesewetter sei deshalb die Angst vor einer atomaren Eskalation kein Grund dafür, gegenüber Putin Zurückhaltung zu zeigen. Im Gegenteil: "Es ist Selbstabschreckung, wenn wir nur auf das nukleare Kaninchen schauen." In dem Zusammenhang grübelte Lanz: "Europäische Atomwaffen, darüber denken wir plötzlich nach." Ein Gedanke, der dem Oberst a.D. jedoch überhaupt nicht zu gefallen schien: "Das halte ich für einen absoluten Unsinn und für hochgefährlich!"