Kritik an Ministerin - Nach Eklat um Wolfsgruß-Jubel hat „Hürriyet“-Reporter jetzt eine Frage an Faeser

Der türkische Reporter Uğur Meleke arbeitet für die Zeitung Hürriyet.
Der türkische Reporter Uğur Meleke arbeitet für die Zeitung Hürriyet.

Der türkische Journalist Uğur Meleke kennt den umstrittenen Fußballer Merih Demiral gut. Er glaubt, dass dessen Torjubel mit dem Wolfsgruß nicht politisch gemeint war. Kritik richtet er stattdessen an Innenministerin Nancy Faeser.

Für Uğur Meleke ist die Fußball-EM in Deutschland schon das fünfte große Turnier, das er als Journalist begleitet. Der Türke ist als Reporter für die konservative Zeitung „Hürriyet“ im Einsatz. Doch statt über den sportlichen Erfolg seines Heimatlandes zu berichten, muss Meleke sich plötzlich mit einem politischen Thema auseinandersetzen.

Der türkische Innenverteidiger Merih Demiral zeigte nach seinem Siegtor im Spiel gegen Österreich den Wolfsgruß, Erkennungszeichen türkischer Extremisten und Nationalisten . So zumindest interpretierten es weite Teil der deutschen Öffentlichkeit. Zum Beispiel Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), die schrieb bei X: „Die Symbole türkischer Rechtsextremisten haben in unseren Stadien nichts zu suchen.“ Die Fußball-Europameisterschaft als Plattform für Rassismus zu nutzen, sei völlig inakzeptabel.

„Demiral ist nicht politisch aktiv“

Journalist Meleke hingegen verteidigt Demiral. Der Wolfsgruß solle nicht einseitig betrachtet werden: „Ja, der Gruß wird mit rechtsextremen nationalistischen Gruppen in der Türkei assoziiert. Es gibt jedoch eine andere Perspektive, die universeller ist: Der Wolf als Symbol der türkischen Staaten seit über tausend Jahren. Er ist ein Symbol der türkischen Identität.“ Man könne das beispielsweise mit dem gallischen Hahn in Frankreich vergleichen.

Meleke betont im Gespräch mit FOCUS online, Merih Demiral gut zu kennen: „Er ist weder politisch aktiv, noch benutzt er den Wolfsgruß als Symbol für eine ultranationalistische Partei.“ Deshalb appelliert der Reporter auch an die Uefa, Demiral nicht zu hart zu bestrafen.

Meleke: Vorfall wird keinen Einfluss auf EM-Viertelfinale haben

Der europäische Fußballverband habe bei ähnlichen Fällen, zum Beispiel serbisch-nationalistischen Symbolen, lediglich mit einer Verwarnung reagiert. Sollte die Untersuchung der Uefa zu einem „fairen Ergebnis“ kommen, hat Meleke auch keine Sorge, dass der türkische Verband dieses nicht akzeptieren werde. „Ich sorge mich eher um die Gerechtigkeit.“

So oder so werde der Vorfall keinen Einfluss auf die sportliche Leistung der Türken im Viertelfinale gegen die Niederlande am Samstag haben. „Die Nationalmannschaft ist ein professionelles Fußballteam. Sie wird auf dem Platz stehen, Fußball spielen und entweder gewinnen oder verlieren. Es ist einfach ein Fußballspiel.“

Meleke ärgert trotzdem, wie Deutschland mit Demiral umgeht, vor allem Nancy Faeser. Denn der Journalist ist nicht vollends zufrieden mit der Gastfreundschaft des EM-Ausrichterlandes. Wie er bereits dem „Spiegel“ schilderte, wurden die internationalen Journalisten vor dem Eröffnungsspiel des Turniers an einem einzigen Tor zum Stadion zusammengepfercht und warten gelassen.

Mittlerweile wurde Demiral für zwei Spiele gesperrt und wird somit nicht beim EM-Viertelfinale gegen die Niederlande dabei sein.

Faeser soll auch Sensibilität bei Rassismus gegen Gäste zeigen

Als Meleke und andere sich auf Englisch beschwerten, habe er die Antwort bekommen: „Wir sind in Deutschland. Hier wird Deutsch gesprochen.“ Dabei hätten zwei Anwesende des Stadionpersonals nicht einmal Englisch gesprochen. Der rassistischen Vorfall ärgert den Reporter sehr: „Einige der Praktiken der Deutschen gegenüber ihren Gästen sind überhaupt nicht angenehm.“

Angesichts dessen will er an Faeser die Frage richten: „Stört sie die Aktion von Merih Demiral mehr als der Umgang, den ich als Gast in Ihrem Land erlebe?“ Meleke will, dass die Innenministerin den ausländischen Fans und Journalisten die gleiche Sensibilität entgegenbringt, wie sie es im Fall Demiral getan hat.

Der Reporter stellt sich wegen eines anderen Ärgernis' ohnehin die Frage, ob ein langer Aufenthalt in Deutschland während des Turniers Sinn ergibt: „Für die Nächte nach den Spielen kosten die Hotelzimmer über 300 Euro. Für mich ist es billiger, in mein Heimatland zu fliegen, zu schlafen und dann wieder nach Deutschland zurückzukehren!“