TV-Kolumne - Bei Lanz verrät Kühnert, wann er zurücktreten würde

Kevin Kühnert bei Markus Lanz.<span class="copyright">ZDF / Cornelia Lehmann</span>
Kevin Kühnert bei Markus Lanz.ZDF / Cornelia Lehmann

Die SPD steht nicht erst seit den Europawahlen unter heftigem Druck. Bei „Markus Lanz“ (ZDF) sprach SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert über das Szenario, in dem er einen Rücktritt in Erwägung ziehen würde. Und reagierte auf Faesers Statement zum Tod des 20-jährigen Philippos.

Deutschland trifft am Freitag im Achtelfinale gegen den bisherigen EM-Favoriten Spanien. Mit Blick auf die Fußball-Euphorie im Land wollte Markus Lanz wissen, inwiefern sich die gute Stimmung auch in der Politik widerspiegle.

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ZDF / Cornelia Lehmann

„Für Politiker ist das ein Kapital. Das kann man richtig sehen“, befand Robin Alexander. Der Journalist ergänzte, dass Angela Merkels erstes Jahr als Bundeskanzlerin wenig erfolgreich verlief, bis es zum Sommermärchen 2006 kam. Gerade deshalb finde er es mit Blick auf die heutige politische Lage „interessant, dass Scholz zu den Spielen geht“, aber sich dazu entscheide, kein Trikot zu tragen. „Mir gefällt es, weil er sich nicht verbiegt. Weil er ist ja kein Fußball-Fan“, erklärte der Journalist. Gleichzeitig gab er zu: „Er lässt auch eine Menge politisches Kapital liegen.“

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Grund genug für Lanz, SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert zu fragen: „Wann haben Sie als SPD-Generalsekretär das letzte Mal so richtig aus vollem Herzen gejubelt?“ Kühnert antwortete trocken: „Der Parteitag im Dezember war zum Beispiel ganz gut. Ist aber leider auch schon ein halbes Jahr her.“ Dazwischen seien laut Kühnert „nicht so viele Sachen passiert, die Grund zum Jubeln geboten haben“.

Lanz stichelte weiter: „Ist hart, wenn man so weit zurückgehen muss, oder?“ Darauf konnte Kevin Kühnert nur mit „Das stimmt“ antworten. Dennoch wies er humorvoll auf „die volle Spannweite der Emotionen“ innerhalb seiner Partei hin. „Freud' und Leid, alles mit dabei - im Fußball wie auch in der Politik“, so der SPD-Politiker lachend. Eine Aussage, auf die Lanz konterte: „Was für eine schöne Floskel. Die passt immer.“

Journalist Robin Alexander warnt vor „Potenzial für Unheil“

Der ZDF-Moderator ließ jedoch nicht locker und wollte wissen: „Nach der Pleite bei der Europawahl, haben Sie da mal über Rücktritt nachgedacht?“ Kevin Kühnert antwortete entschieden: „Nein. Wenn ich es getan hätte, hätte ich tatsächlich zurücktreten sollen. Weil wenn man dann solche Selbstzweifel hat, dann ist man da nicht richtig.“

Der SPD-Generalsekretär erklärte: „Wir haben Fehler gemacht, auch in der Kampagne, für die ich Verantwortung trage.“ Als Lanz mehrmals fragte, wen Kühnert mit „wir“ meinte, klärte er auf: „Die Verantwortung für die Kampagnen hat der Generalsekretär. Insofern, wenn es beispielsweise in einer Kampagne Fehler gibt, gibt es niemanden, hinter dem ich mich verstecken kann. Weil das wäre dann Flucht aus meiner Verantwortung.“

Grund genug für Lanz, erneut nachzuhaken: „Und trotzdem haben Sie nicht darüber nachgedacht, das jetzt bleibenzulassen?“ Kühnert wiegelte zum zweiten Mal ab: „Nein, das habe ich nicht getan. Weil ich nicht davon überzeugt bin, dass das die Lösung von Problemen ist, auf die meine Partei im Moment trifft.“ Dennoch gab er offen zu: „Wenn ich der Auffassung wäre, das Austauschen von wem auch immer - und sei es ich selbst - würde ganz viel bessere Ergebnisse produzieren, ich würde es machen. Aber davon bin ich nicht überzeugt.“

Als Lanz die Probleme ansprach, denen die SPD - und die gesamte Ampel - gegenübersteht, warnte Robin Alexander vor der brodelnden Haushalts-Debatte. „Da spitzt sich gerade ganz schön was zu. Und wenn man bedenkt, was sich in Frankreich gerade zuspitzt und in Amerika, ist es kein guter Zeitpunkt“, mahnte der Journalist und wies auf ein „Potenzial für Unheil“ hin.

Lanz fragte deshalb in Richtung Kühnert: „Wie Spitz auf Knopf ist es wirklich?“ Der SPD-Generalsekretär reagierte schwammig: „Nicht so wie in Frankreich beispielsweise.“ Dennoch gab er zu, dass es mit Blick auf den Haushalt „schwierige Gespräche“ gebe. „Der nächste Haushalt muss deutlich machen: Diese Regierung schafft beides - unsere Rolle in der Welt wahrzunehmen (...) und auf der anderen Seite die Dinge nach innen in Ordnung zu bringen“, behauptete Kühnert selbstbewusst. Als Lanz ihn fragte, ob das heiße, dass er Schulden machen wolle, wiegelte der SPD-Mann ab: „Wir werden keine Reform der Schuldenbremse mehr in dieser Wahlperiode machen.“

Kevin Kühnert über Nancy Faeser: „Da gibt es keinen blinden Fleck in ihrer politischen Betrachtung“

Ähnlich emotional wurde Kühnert, als es um die tödliche Prügelattacke in Bad Oeynhausen ging, bei der ein 20-Jähriger ums Leben kam. Kühnert gab zu: „Auch als Politiker gucke ich doch auf so eine Situation in allererster Linie erstmal als Mensch, der am öffentlichen Leben teilnimmt und sich denkt: Das hätten wir alle sein können.“ Der SPD-Mann verstehe deshalb auch, „dass daraus eine Diskussion wird, auch um die Frage, wie sicher ist unser öffentlicher Raum“.

Die Kritik an der Reaktion von Bundesinnenministerin Nancy Faeser konnte Kühnert daher nicht ganz wegdrücken. Die hatte sich erst Tage nach der Tat erstmals dazu geäußert, hatte gesagt: „Es ist leider ein sehr schlimmer Tag, wo wir über einen Mord an einem Jugendlichen diskutieren müssen, wo der Täter ein Geflüchteter ist, der seit acht Jahren in einer Flüchtlingsunterkunft lebt.“ Und weiter: „Ein Jugendlicher. Der gar nichts anderes kennt.“ Diese Aussage hatte für viel Kritik gesorgt.

Kühnerts Kritik: „Das hat zu 100 Prozent zu viel die Perspektive des Täters und zu 100 Prozent zu wenig die Perspektive des Opfers und der Hinterbliebenen eingenommen.“ Dennoch stellte er sich hinter seine Parteikollegin und sagte: „Da gibt es keinen blinden Fleck oder so in ihrer politischen Betrachtung. Ganz im Gegenteil!“