Nach Pentagon-Datenleck: Das sind die berühmtesten Whistleblower der Geschichte

Die geheimen US-Dokumente, die in einem Gamer-Chat geteilt wurden, versetzen die Geheimdienste in Aufregung. Es ist nur der letzte Fall in einer langen Reihe von Whistleblowern, die die Geschichte veränderten.

Aus dem Pentagon sickerten immer wieder Geheimnisse nach außen. Meist steckten Whistleblower dahinter. (Bild: Getty)
Aus dem Pentagon sickerten immer wieder Geheimnisse nach außen. Meist steckten Whistleblower dahinter. (Bild: Getty)

In den USA ist die Aufregung nach einem massiven Datenleck im Pentagon groß. Nun wurde der 21-jährige Jack Teixeira als Tatverdächtiger verhaftet. Das FBI nahm das Mitglied der Nationalgarde von Massachussetts auf seinem Grundstück fest. Ihm wird vorgeworfen, die sensiblen Geheimdokumente in einer Chat-Gruppe auf der bei Gamern beliebten Plattform Discord geteilt zu haben. Unter dem Namen "OG" habe er dort zunächst Abschriften und später auch Fotos geteilt, wie die "Washington Post" berichtete. Recherchen der Zeitung führten das FBI schließlich zu dem Verdächtigen, der nun wegen Landesverrats angeklagt werden soll.

Während es dem jungen US-Amerikaner hauptsächlich um Aufmerksamkeit und Kontakte gegangen sein soll, haben viele Whistleblower einen ehrbaren Ansatz. Sie verbreiten geheime Informationen, um die Öffentlichkeit auf Missstände, Polit-Skandale oder staatliches Fehlverhalten aufmerksam zu machen. Im Gegensatz zu etwa Investegativ-Journalist*innen arbeiten Whistleblower aus dem Inneren eines System. Oft sind sie nicht hinreichend vor Strafverfolgung geschützt, weshalb das Whistleblowing mit einem hohen persönlichen Risiko verbunden ist.

Die wichtigsten Whistleblower der Geschichte

Julian Assange

Einer der berühmtesten Whistleblower der Geschichte ist eigentlich gar keiner. Julian Assange, der die Wikileaks-Plattform gegründet hat, sammelte lediglich Informationen von anderen Whistleblowern und sorgte dafür, dass sie auf der Enthüllungsplattform die Öffentlichkeit erreichte. Der ehemalige Hacker und Journalist hatte sich zwischen 2012 und 2019 in der Botschaft Ecuadors in London vor der Auslieferung nach Schweden versteckt. Im April 2019 wurde er verhaftet. Kurz danach klagte ihn die USA unter dem Spionagegesetzt in 17 Anklagepunkten an. Demnach würden Assange bis zu 175 Jahre Haft drohen.

Julian Assange wurde zur Symbolfigur: Hier protestieret Anhänger in London gegen seine geplante Auslieferung an die USA. (Bild: REUTERS/Henry Nicholls)
Julian Assange wurde zur Symbolfigur: Hier protestieret Anhänger in London gegen seine geplante Auslieferung an die USA. (Bild: REUTERS/Henry Nicholls)

Seitdem wird über eine mögliche Auslieferung des Wikileaks-Gründers verhandelt. Assange sitzt im britischen Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh, Angehörige und Aktivist*innen zeigten sich vermehrt besorgt über seinen Gesundheitszustand. Im März 2022 hat er seine Anwältin Stella Moris-Smith Robertson im Gefängnis geheiratet. Beide erhoffen sich, dass die Biden-Regierung die Anklage fallen lässt. Assange hat mehrere Auszeichnungen, darunter 2020 den Stuttgarter Friedenspreis erhalten.

Edward Snowden

Das bekannteste Beispiel eines Whistleblowers ist mit Sicherheit Edward Snowden. Als ehemaliger CIA-Mitarbeiter entschied er sich, seine Kenntnisse über die Überwachungspraktiken der US-amerikanischen Geheimdienste öffentlich zu machen. Es ging vor allem um die Überwachung von privaten Telefonaten und Mails sowie die unzulässige Datenspeicherung, die zuvor in dem von Snowden enthüllten Ausmaß nicht bekannt war. Davon waren auch hochrangige Politiker*innen in Europa betroffen.

Edward Snowden wird im Oktober 2021 beim 'Belmarsh Tribunal' per Video zugeschaltet, das sich für die Freilassung von Julian Assange einsetzt. (Bild: REUTERS/Henry Nicholls)
Edward Snowden wird im Oktober 2021 beim 'Belmarsh Tribunal' per Video zugeschaltet, das sich für die Freilassung von Julian Assange einsetzt. (Bild: REUTERS/Henry Nicholls)

Doch der persönliche Preis für seine Entscheidung war hoch. Im Juni 2013 veröffentlichte der britische "Guardian" die Informationen, die ihnen von dem ehemaligen Systemadministrator zugespielt worden waren. Snowden war da schon nach Hongkong unterwegs. Die USA stellten unmittelbar danach einen Haftbefehl wegen Spionage gegen ihn aus. Seit 2013 lebt der Whistleblower im russischen Exil in Moskau. Dort hat er inzwischen seine Partnerin Lindsay Mills geheiratet, die beiden bekamen im September 2020 einen Sohn. Im Herbst 2022 erhielt Snowden die russische Staatsbürgerschaft. Immer wieder äußert er sich öffentlich auf Konferenzen zu Themen wie Überwachung und Pressefreiheit. Für seinen Mut wurde Snowden für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen und erhielt zahlreiche Auszeichnungen.

Chelsea Manning

Ebenso wie Snowden erschütterten die Enthüllungen von Chelsea Manning im Jahr 2010 die politische Landschaft in den USA. Als Bradley Manning hatte sie bei der US-Army als IT-Experte gearbeitet und war unter anderem in Bagdad eingesetzt. Dort sammelte Manning Informationen über das Verhalten der Streitkräfte im Irak und Afghanistan, darunter Aufnahmen, die den tödlichen Beschuss von irakischen zivile Opfer und Journalist*innen zeigten. Die großen Redaktionen von "New York Times" und "Washington Post" waren an den Geheimdokumenten nicht interessiert, so dass sich Manning schließlich an Wikileaks wandte und ihnen Teile der fast 500.000 Dokumente übergab.

Unmittelbar nach der Veröffentlichung wurde Manning verhaftet und in 21 Punkten angeklagt. Nach einem Teilgeständnis sprach das Gericht eine Haftstrafe von 35 Jahren aus. Im Gefängnis verkündete Bradley Manning, sich seit der Kindheit als Frau zu fühlen. Im April 2014 änderte sie ihren Namen offiziell in Chelsea Elizabeth Manning, ein Jahr später ließ die US-Armee als ihr Arbeitgeber eine Hormontherapie zu. Der damalige US-Präsident Barack Obama erließ ihr 2017 einen Großteil der Haftstrafe.

Chelsea Manning bei einem Auftritt auf der SXSW Conference in Austin im März 2023. (Bild: Diego Donamaria/Getty Images for SXSW)
Chelsea Manning bei einem Auftritt auf der SXSW Conference in Austin im März 2023. (Bild: Diego Donamaria/Getty Images for SXSW)

Nach ihrer Freilassung kandidierte sie 2018 im Bundesstaat Maryland als demokratische Kandidatin für den US-Senat, verlor aber gegen den Amtsinhaber Ben Cardin bereits in der Vorwahl. 2019 wurde sie in Virgina erneut in Beugehaft genommen, um eine weitere Aussage zu erzwingen. Nachdem sie sich geweigert hatte, ordnete ein Gericht im Frühling 2020 schließlich ihre Freilassung aus der Beugehaft an. Im vergangenen Jahr veröffentlichte Manning mit "READ ME.txt" ihre autobiografischen Erinnerungen an ihre Zeit als Whistleblower.

Daniel Ellsberg und Mark Felt

Das Phänomen der Whistleblower ist kein neues. Der heute 88 Jahre alte Dan Ellsberg klärte bereits im Jahr 1971 als Militäranalyst die US-Öffentlichkeit über rechtswidrige Handlungen des Verteidigungsministeriums auf. Dabei ging es vor allem um die Täuschung über die Ziele und Auswirkungen des Vietnamkriegs. Die "Pentagon Papers" sollten von der "New York Times" veröffentlicht werden, was die Regierung untersagte. Der Fall landete letztlich vor dem Obersten Gerichtshof, wo das Grundsatzurteil die Pressefreiheit stärkte. Schließlich führten Ellsbergs Enthüllungen sogar mit zum Sturz von US-Präsident Richard Nixon, nachdem er illegal überwacht worden war und Geheimdienstmitarbeiter in die Praxis seines Psychiaters einbrachen. Endgültig stürzte Nixon über eine anderen Whistleblower, den FBI-Agenten Mark Felt, besser bekannt unter seinem Decknamen "Deep Throat", der für die Enthüllungen der "Watergate-Affäre" verantwortlich war. Dan Ellsberg ist noch heute Friedensaktivist und bezeichnete unter anderem Snowdens Enthüllungen als einen der wichtigsten Momente in der US-Geschichte.

Fotostrecke: 16 berühmte Whistleblower, die die Geschichte verändert haben

David Kelly

Nicht nur in den USA sorgen Whistleblower immer wieder dafür, dass die Öffentlichkeit über geheime Staats-Machenschaften informiert wird. Der britische Mikrobiologe David Kelly soll 2003 der Hauptinformant für die BBC gewesen sein, als sie die Geheimdienstberichte zu angeblichen irakischen Massenvernichtungswaffen aufdeckten. Diese dienten maßgeblich der Rechtfertigung des Irak-Krieges. Kelly bestritt dies vor dem Untersuchungsausschuss im britischen Parlament. Nur wenige Tage nach der Anhörung wurde seine Leiche mit durchtrennter Arterie und einer Packung Schmerztabletten nahe seines Hause gefunden. Ein toxikologisches Gutachten belegte die These eines Selbstmordes zwar, doch bis heute wird sie von vielen bezweifelt.

Alexander Konstantinowitsch Nikitin

Alexander Nikitin ist der erste Preisträger des "Whistleblower-Preises". Er bekam ihn im Jahr 1999 verliehen, nachdem er Informationen über die atomare Sicherheit der russischen Marine veröffentlichte. Der Ingenieur hatte selbst als Kapitän auf einem U-Boot der russischen Nordmeerflotte gedient. In Russland wurde jede Berichterstattung über die Enthüllungen sofort untersagt, Nikitin drohte sogar die Todesstrafe. Obwohl der russische Geheimdienst alles versuchte, um ihn anzuklagen, wurde er nach zehn Monaten in Untersuchungshaft entlassen. Die Anklagen wurden vom höchsten russischen Gerichtshof abgewiesen. Nikitin engagierte sich auch danach für Menschenrechte und Umweltschutz und trat der Oppositionspartei Jabloko bei.

Mordechai Vanunu

In Israel ist der Nukleartechniker Mordechai Vanunu wohl der bekannteste Whistleblower. 1986 enthüllte er das Nuklearforschungsprogramm der israelischen Regierung, das bis dahin geheim gehalten wurde. Anschließend wurde der Forscher vom israelischen Geheimdienst Mossad in Rom entführt und blieb für sechs Wochen verschollen. Wegen Landesverrats wurde Vanunu als Spion im März 1988 zu 18 Jahren Haft verurteilt. Elf Jahre lang musste er in Isolationshaft verbringen. Erst 2004 wurde er freigelassen, bekam aber strenge Auflagen, so dass er weder Smartphone noch Internet benutzen darf.

Im Video: Verdächtiger nach Verbreitung geheimer US-Dokumente gefasst