Porsche-Parodie aus China oder ernsthafter Stromer?

Berlin (dpa/tmn) - Seriös, eigenständig und bisweilen sogar wegweisend - wenn zuletzt von China-Autos die Rede war, dann gab es immer reichlich Lob, und neben der Elektrotechnik galt das vor allem der eigenen Design-Identität.

Doch mit dem 07 der die Great Wall-Tochter Ora fühlt man sich jetzt wieder an die Zeit der Klone, Kopien und Karikaturen erinnert. Denn so deutlich wie schon lange nicht mehr haben sich die Chinesen für ihre große Limousine den Porsche Panamera zum Vorbild genommen. Nur, dass es den Gran Turismo aus Stuttgart allenfalls als Plug-in-Hybrid und ansonsten als reinen Verbrenner gibt.

Der Ora dagegen fährt rein elektrisch vor. Und es gibt noch einen entscheidenden Unterschied: Während die Porsche-Preisliste bei 110.900 Euro beginnt, hört die des Ora 07 bei 53.490 Euro schon wieder auf - und fängt bereits bei 41.990 Euro an.

Nicht Porsche, sondern Hyundai im Blick

Rundscheinwerfer, weit ausgestellte Kotflügel und ein Heck in Bausch und Bogen - zwar sind die Parallelen zum Porsche unverkennbar. Und wegen der ovalen Rückleuchten spielt sogar noch ein wenig vom ersten Bentley Continental mit hinein.

Doch sieht Ora den 07 vor allem als Wettbewerber des Hyundai Ioniq 6: Mit 4,07 Meter ist er auf den Zentimeter gleich lang und sticht mit seinem Stromlinien-Design mindestens genauso stark aus dem Mainstream heraus. Und nicht nur die Preise sind in dem Fall etwas näher beisammen, schließlich kostet der Hyundai zwischen 43.900 und 61.100 Euro, sondern auch die Eckdaten des Antriebs sind vergleichbar.

Angeboten wird der Ora 07 in der Basisversion mit einer E-Maschine mit 150 kW/204 PS an der Vorderachse. Das Top-Modell hat zwei Motoren mit 300 kW/408 PS und dann auch Allradantrieb.

Gemütlich auf der linken Spur

Beim Fahrern ist der Chinese den Koreanern ebenfalls näher als den Schwaben: Ja, die Lenkung ist präzise und für asiatische Verhältnisse vergleichsweise direkt. Und auf der Teststrecke am Stammsitz des Mutter-Konzerns Great Wall Motors in Baoding macht auch das Fahrwerk eine gute Figur, federt die Bodenwellen sauber weg und gibt dem Fahrer ein gutes Gefühl für den häufig wechselnden Straßenbelag.

Doch auch wenn er wie ein Porsche beschleunigt und aus dem Stand im besten Fall nach 4,5 Sekunden auf Tempo 100 ist - so richtig engagiert und einnehmend ist der Ora 07 nicht, sondern lässt es eher gemütlich angehen. Er nimmt den Fahrer weniger mit, bindet ihn nicht so stark ein. Kurzum: Er verleitet weniger dazu Gas - äh - Strom zu geben.

Vergleichsweise synthetisch und sediert, hat er lieber lange Strecken mit vielen Geraden als kurvige Kurztrips in die Berge. Und spätestens bei Vollgas muss er ohnehin jeden Porsche ziehen lassen, weil ihm die Elektronik schon bei 180 km/h den Stecker zieht. So ist der Möchtegern-Panamera wie so viele Autos aus China weniger zum Fahren gemacht als zum Ankommen.

Lange fahren, langsam laden

Wobei das Ankommen gerne auch mal ein bisschen warten darf: Bei Batteriegrößen von 67 und 86 kWh bietet der Gran Turismo aus Fernost schließlich bis zu 520 Kilometer Reichweite. Allerdings ist dafür am Ende der Fahrt leider ebenfalls Geduld angesagt. Denn beim Laden schmieren die Chinesen ab und geben sich beschaulich: Mit 11 kW am Wechsel- und bis zu 88 kW am Gleichstrom gehören sie zu den langsamsten in dieser Liga. Das wissen sie allerdings auch in Baoding und wollen sich um baldige Besserung bemühen.

Finesse für Fahrer und Passagiere

Ohne Fehl und Tadel sind dagegen der Innenraum, das Ambiente und die Ausstattung: Die Kabine mit der von Porsche entlehnten, schräg zwischen die Sitze ragenden Mittelkonsole und den verschachtelten Instrumenten ist nobel mit Ledernachbildung ausgeschlagen. Die Oberflächen fühlen sich zudem gut an und fast jeden Handgriff erledigt ein E-Motor.

Die Kabine wird zudem hübsch beleuchtet und wirkt mit dem großen Panoramadach luftiger, als sie bei 2,87 Metern Radstand tatsächlich ist. Vorn sitzt man in sportlich ausgeschnittenen Sesseln, die auf Wunsch klimatisiert sind und massieren können. Hinten gibt's eine bequeme Bank und der Kofferraum fasst 333 bis 1.045 Liter.

Dazu spendiert Ora seiner Kundschaft reichlich elektronische Assistenz, die allerdings wachsam ist bis hart an die Geduldsgrenze und entsprechend gerne blinkt und piept. Es gibt vielfältige Unterhaltung auf dem großen Touchscreen, eine verständige Sprachsteuerung mit künstlicher Intelligenz. Und sie bauen sogar serienmäßig ein Head-up-Display ein. Da könnte sich selbst Porsche ein Beispiel nehmen, so großzügig sind die Chinesen.

Fazit: Ein Exot für die Generation E

Er sieht je nach Perspektive verwegen aus oder kurios, ist aber unter seiner schrägen Hülle ein ausgesprochen seriöses Elektroauto, das für einen attraktiven Preis viel Substanz bietet.

Dummerweise ist der Ora 07 damit nicht alleine. Und während sein kleiner Bruder 03 als knuffige Knutschkugel im Heer der Kleinwagen vielleicht noch punkten kann, bleibt dem Gran Turismo so nur die Rolle als Exot für die Generation E, der vor allem als preiswerte Porsche-Parodie gehandelt werden könnte.

Datenblatt: Ora 07 GT

Motor und Antrieb:

Zwei Elektromotoren

Max. Leistung:

300 kW/408 PS

Max. Drehmoment:

680 Nm

Antrieb:

Allradantrieb

Getriebe:

Einstufen-Automatik

Maße und Gewichte

Länge:

4870 mm

Breite:

1860 mm

Höhe:

1500 mm

Radstand:

2870 mm

Leergewicht:

2135 kg

Zuladung:

k.A.

Kofferraumvolumen:

333 - 1.045 Liter

Fahrdaten

Höchstgeschwindigkeit:

180 km/h

Beschleunigung 0-100 km/h:

4,5 s

Batteriekapazität (brutto):

86 kWh

Durchschnittsverbrauch:

17,5 kWh/100 km

Reichweite:

520 km

Ladeleistung AC/DC:

11/88 kW

CO2-Emission:

0 g/km

Kraftstoff:

Strom

Energieeffizienzklasse:

A

Kosten

Basispreis der Modellreihe:

41.990 Euro

Basispreis des Ora 07 GT:

53.490 Euro

Typklassen:

k.A.

Kfz-Steuer:

0 Euro/Jahr

Wichtige Serienausstattung

Sicherheit:

Abstandsregeltempomat mit aktiver Spurführung, Front- und Heckkollisionswarner

Komfort:

Head-up-Display, Massagesitze, Polster in Ledernachbildung

Spritspartechnik:

Start-Stopp-Automatik