Das rechteste Bündnis der Republik - Hier überschreitet die AfD jetzt eine Grenze - und geht eine große Gefahr ein

AfD-Spitze Alice Weidel und Tino Chrupalla<span class="copyright">Kay Nietfeld/dpa</span>
AfD-Spitze Alice Weidel und Tino ChrupallaKay Nietfeld/dpa

Die AfD und die rechtsextreme Partei „Die Heimat“ arbeiten in einem Kreistag und in einer Stadtverordnetenversammlung in Brandenburg erstmals zusammen. Ein radikaler Schritt mit weitreichend Folgen.

„Dieser Schritt wurde auch durch die klaren Worte von AfD-Chef Tino Chrupalla ermöglicht, der kürzlich betonte, dass es auf kommunaler Ebene keine Brandmauern zu anderen Parteien geben werde.“ Diese Aussage habe „den Weg für diese Allianz“ geebnet.

Diese Worte stammen aus einer Pressemitteilung von „Die Heimat“, einer rechtsextremen und in Teilen neonazistischen deutschen Kleinpartei, die im vergangenen Jahr noch unter dem Namen Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) firmierte.

In Brandenburg reicht die AfD „Die Heimat“ nun die Hand. In der Stadt Lauchhammer und im Landkreis Oberspreewald-Lausitz kam es am Montag zum politischen Umbruch. Die AfD und „Die Heimat“ gaben die Gründung von zwei neuen Fraktionen bekannt. In der Stadtverordnetenversammlung von Lauchhammer wird die Fraktion demnach unter dem Namen „AfDplus“ agieren, im Kreistag des Landkreises unter dem Namen „Heimat & Zukunft“.

Es wären die ersten Koalitionen der AfD mit der rechtsextremistischen Partei, berichtet der „Spiegel“. Und das, obwohl „Die Heimat“ auf der Unvereinbarkeitsliste der AfD steht. Das heißt: Eigentlich wollte sich die AfD damit von Rechtsextremisten abgrenzen. Organisationen, die auf dieser Liste stehen, können nicht Mitglied der AfD werden. Für eine „Allianz“ stehen die Türen nun aber offenbar weit offen.

Für „Die Heimat“ ist Bündnis mit der AfD eine „enorme Aufwertung“

Für „Die Heimat“, einen Zusammenschluss von Parteimitgliedern und parteilosen Neonazis aus dem militanten Spektrum, bedeutet das Bündnis eine „enorme Aufwertung“, sagt der Rechtspopulismus-Experte Wolfgang Schroeder von der Universität Kassel. Diese Allianz biete die Möglichkeit, öffentliche Anerkennung zu erlangen, die „Die Heimat“ sonst nicht erreichen könnte.

Denn bisher war die Partei nur eine Randerscheinung in der deutschen Parteienlandschaft. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits zwei Verfahren über ein mögliches Verbot der NPD nach Artikel 21 des Grundgesetzes geführt. Das erste Verfahren im Jahr 2003 scheiterte aus verfahrensrechtlichen Gründen.

Der zweite Versuch im Jahr 2017 wurde abgewiesen, weil das Gericht zwar verfassungsfeindliche Tendenzen der Partei erkannte, ihre politische Relevanz aber als zu gering einschätzte, um tatsächlich eine Gefahr für die bestehende Verfassungsordnung darzustellen.

Das habe Schroeder zufolge auch die Europawahl gezeigt: „Die Heimat“ kam auf lediglich 0,1 Prozent, „was deutlich weniger ist als etwa die Stimmenanteile der Tierpartei oder anderer exotischen Parteien“, so der Experte. Und schon 2019 kam „Die Heimat“ auf lediglich 0,3 Prozent.

Zudem sanktionierte das Bundesverfassungsgericht die Partei am 23. Januar 2024 mit dem Ausschluss von der staatlichen Parteienfinanzierung für sechs Jahre. Begründet wird diese drastische Maßnahme mit der fortgesetzten Ausrichtung der Partei gegen unverzichtbare Grundprinzipien des freiheitlichen demokratischen Verfassungsstaates.

„Durch die Verbrüderung mit der AfD erfährt sie nun jedoch eine Aufmerksamkeitssteigerung, die sie aus eigener Kraft ja nicht schafft“, sagt Schroeder. Die Tatsache, dass „Die Heimat“ auf der Unvereinbarkeitsliste der AfD stehe, führe für die Parteimitglieder auch zu einer Genugtuung.

Bündnis birgt auch eine Gefahr für die AfD

Für die AfD selbst birgt das neue Bündnis indes eine große Gefahr, meint Schroeder. „Die Zusammenarbeit wird natürlich nicht nur öffentlich registriert und entsprechend skandalisiert, sondern auch innerhalb der Partei.“ Und das könne zu Schwierigkeiten führen, vor allem im Hinblick auf den Parteitag in Essen am kommenden Wochenende.

Dass es ausgerechnet im Süden Brandenburgs zu diesem Bündnis gekommen ist, verwundert den Politikwissenschaftler nicht. Dort ist auch die asylfeindliche Initiative „Zukunft Heimat“ aktiv. Vorsitzender ist Hans-Christoph Berndt, seit Oktober 2020 ist er zudem Fraktionsvorsitzender der AfD Brandenburg.

Der neue Pakt sei Ausdruck einer Radikalisierung. „'Die Heimat' ist in diesem Sinne für die AfD ein Instrument, um ihre Radikalität zu betonen“, sagt Schroeder. „Man teilt den Leuten somit jetzt mit: Wir sind so radikal, weil wir so radikal sein wollen.“

Die Gesamtpartei müsse nun schauen, dass solche Bündnisse mit ausgewiesen rechtsextremen Parteien auch zu einer Richtungsanzeige für die Gesamtpartei gewertet werden können und das kann ein Problem werden für die ebenfalls zu beobachtende Strategie der Selbstverharmlosung.

„Die AfD will ja nach vorne und die Europawahlen haben deutlich gezeigt, dass sie weit unter dem Durchschnitt der meisten anderen Schwesterparteien in den europäischen Nachbarländern liegt“, sagt der Politikwissenschaftler. Und das hänge auch damit zusammen, dass sie die Abgrenzung in den rechtsextremen Raum nicht hinbekommen wollen.

Chrupalla reißt eigene Brandmauern ein: Dahinter steckt Taktik der AfD

Dass Chrupalla mit seiner Aussage „Wir sind gesprächsbereit mit allen Parteien – außer mit den Grünen“ die eigene Brandmauer eingerissen hat, kann unter Umständen für ihn noch problematisch werden, „insbesondere aus der Sicht des gemäßigteren Flügels der AfD“, sagt Schroeder. Andererseits könnte es ihm bei den radikaleren Anhängern Unterstützung verschaffen.

Schroeder betont, dass dies zur Taktik der Rechten gehöre, es beiden Seiten recht zu machen.

„Das ist die Überschreitung des Rubikon“

Wie ernst es der Brandenburger AfD mit ihrem Bekenntnis zum neuen Koalitionspartner ist, zeigt jedoch auch die personelle Besetzung. In der neu gegründeten Fraktion soll Thomas Gürtler eine Schlüsselrolle spielen. Nach Angaben des Aktionsbündnisses Brandenburg gehört er dem völkischen Flügel innerhalb von „Die Heimat“ an.

Während Gürtler die Fraktion „Heimat & Zukunft“ im Kreistag anführen soll, fungiert der AfD-Politiker Bernd Dietrich als Fraktionsvorsitzender in der Stadtverordnetenversammlung.

Schroeder bezeichnet Gürtler als „Ein-Mann-Unternehmer, bewährter Kader der NPD mit einer gewissen Ausstrahlungskraft in Süd-Brandenburg“. Aufhorchen lässt: „Gürtler wäre der Chef dieser Koalition und stünde den Leuten von der AfD vor. Das hat natürlich schon einen Beigeschmack.“

Damit ordne sich die AfD unter der noch radikaleren NPD oder „Die Heimat“ unter. Das habe nichts mehr mit Harmlosigkeit zu tun, sondern das liegt dann einfach auch vom Namen her im rechtsextremen Bereich, sagt Schroeder.

„Insofern ist das wirklich die Überschreitung des Rubikon und eine klare Definition: Wir sind eine rechtsextreme Partei wie die Partei, mit der wir koalieren; seht her, wir sind sogar bereit, uns deren Führungsgruppen unterzuordnen.“