Die schwärzeste Stunde einer deutschen Box-Legende

Die schwärzeste Stunde einer deutschen Box-Legende
Die schwärzeste Stunde einer deutschen Box-Legende

Es sollte seine große Abschiedsshow werden. Nach über 25 Jahre im Boxsport plante Henry Maske, sich endgültig zurückzuziehen und in den wohlverdienten Ruhestand zu gehen.

Dafür wollte er sich mit einem großen Knall verabschieden. In seinem letzten Kampf strebte der elfmalige IBF-Champion auch noch den WBA-Gürtel an. Dafür musste er „nur“ den US-Amerikaner Virgil Hill bezwingen.

Doch der 23. November 1996 entwickelte sich für Maske anders als geplant. Statt des 31. Siegs im 31. Profi-Kampf erlitt der als „Gentleman“ gefeierte Boxer einen bitteren Abend vor seinem deutschen Heimpublikum.

Über 17 Millionen Fans verfolgen letzten Maske-Kampf

In der vollen Münchner Olympiahalle war die Spannung förmlich zu spüren. Die Menschen wollten den Mann, der den Boxsport mit seiner bescheidenen Art in Deutschland wieder populär gemacht hat, einen gebührenden Abschied bereiten.

Auch an den deutschen TV-Geräten bibberten die Menschen mit. Über 17 Millionen Menschen verfolgten das Mega-Spektakel bei RTL live, um ihren deutschen Helden ein letztes Mal siegen zu sehen.

Unter ihnen wird vermutlich auch der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl gewesen sein. Schließlich wünschte der Politiker Maske per Telegramm viel Erfolg - eine Ehre, die nur sehr wenigen deutschen Boxern zuteilwurde.

„Es war ganz toll, dass die vielen, vielen Menschen in einem Sport, den man bis dato in der breiten Öffentlichkeit als nicht wertig betrachtete, die Hallen füllten. Auf einmal hat man sich wieder über unseren Sport unterhalten, ohne die Angst zu haben, dass ein anderer zuhört und die Nase rümpft – im Gegenteil“, blickte Maske vor einigen Jahren im Donau-Kurier zurück.

Star-Aufgebot bei Maske-Abschied

Die Einstimmung in den Abend verlief stimmungsvoll. Schlager-Star Heino gab sich die Ehre und sang mit seiner unverwechselbaren Bariton-Stimme die deutsche Nationalhymne. Auch Opern-Star Andrea Bocelli war vor Ort und gab vor Kampfbeginn gemeinsam mit Sarah Brightmann seine Version des Songs „Time To Say Goodbye“ zum Besten.

Maske wirkte davon zunächst jedoch unbeeindruckt. Viel mehr lag der Fokus des gebürtigen Brandenburgers auf seinem Gegner, der nur zwölf Tage jünger war als der damals 32-Jährige. Er wollte den Mann aus Missouri genauso zermürben wie alle seine Kontrahenten zuvor.

Mit der rechten Führhand hatte er seine Gegner immer unter Kontrolle. Für seine Größe von 1,90 Meter verfügte er zudem über eine gute Beinarbeit, die sehr zuträglich für seine Präsenz im Ring war. Er kontrollierte so seine Kämpfe nach Belieben.

Doch ausgerechnet am Tag seines Abschieds wollte es nicht so recht gelingen. Der Olympiasieger von 1988 konnte sich den Gegner nicht vom Leib halten und musste immer wieder in den ungeliebten In-Fight.

Maske wehrt sich gegen Kritik

Es entwickelte sich somit ein sehr unsauberer Kampf vor den Augen der Millionen Box-Fans. Maske und sein Erfolgstrainer Manfred Wolke, mit dem er 1990 den umstrittenen Schritt ins Profitum gewagt hatte, fielen keine Mittel ein, um den wendigen US-Amerikaner in Bedrängnis zu bringen.

Der ein oder andere Kritiker mag sich bestätigt gefühlt haben, dass Maske die nötige Brutalität für den Sport fehlte. Schließlich standen bei dem Halbschwergewichtler nur elf K.o. in 32 Kämpfen zu Buche. Besonders in der Heimat Hills, dem Mutterland des Boxens, kam er mit seinem bedachten Kampfstil nicht gut an.

„Manche mochten diesen Stil nicht. Aber eins muss man klar sagen: Wenn 18 Millionen Zuschauer dabei sind, würde ich mal sagen, habe ich mehr Begeisterung produziert“, konterte Maske der Kritik.

Böser Verdacht nach Hill-Niederlage

Doch diese Masse musste nun ansehen, wie sich ihr Star unheimlich schwertat, klare Treffer zu setzen. Maskes Trainer meinte nachher, dass es der schwächste Kampf seines Schützlings war.

Es entwickelte sich daher ein enges Duell der beiden Weltmeister, an dessen Ende sich nicht mal die Ringrichter einig waren, wer denn der Sieger war. Zwei der drei Referees hatten den US-Amerikaner vorne und stürzten somit den in der DDR aufgewachsenen Maske ins Tal der Tränen.

„Es ist leider passiert, es tut mir wirklich leid. In den nächsten Tagen, Wochen und Monaten werde ich erst richtig begreifen, dass dieser letzte Kampf eine Niederlage war“, sagte dieser mit brüchiger Stimme ins Mikrofon.

Doch als er wieder etwas klarer bei Verstand war, äußerte er einen bösen Verdacht. „Man hat uns dorthin gestellt, wo wir von Amerika aus hingehören - in die Zweitklassigkeit“, behauptete er und unterstellte, dass er wegen seines angekündigten Abschieds verloren habe, da er nicht in „das kommerzielle Konzept“ gepasst habe.

Trotz der Niederlage feierten ihn die vielen Fans im weiten Rund der Halle, als er unter der erneuten Darbietung von Bocelli und Brightmann zu „Time To Say Goodbye“ den Wettkampfort verließ.

Damals ahnte der dreimalige Amateur-Europameister noch nicht, dass er sich zehn Jahre später für die schmerzhafteste Niederlage in seiner langen Karriere an Hill rächen würde. Aber das ist eine andere Geschichte.