Deutsche Urgewalt: Der einst bestbezahlte Handballer der Welt
Lang und ruhmreich ist die Geschichte des deutschen Handballs. Hebt ausgerechnet Heiner Brand, eine Ikone des Sports, dann aus all den schillernden und prägenden Figuren, die sich in der Vergangenheit einen Namen gemacht haben, jemanden heraus, ist über die Bedeutung dieser Persönlichkeit eigentlich schon alles gesagt.
„Der Sepp war der größte Angriffsspieler, den wir je hatten. Er besaß ein unglaubliches Potenzial“, sagte Brand einst über Erhard Wunderlich, der am 4. Oktober 2012 viel zu früh die Welt verlassen musste. Brand und Wunderlich, der 1999 zum deutschen „Handballer des Jahrhunderts“ gewählt wurde, gewannen im Jahr 1978 zusammen in Kopenhagen das Finale der Weltmeisterschaft gegen die Sowjetunion.
Damals führte der erst 21-jährige Wunderlich - als jüngster Spieler im deutschen Aufgebot - die BRD-Mannschaft zum größten Erfolg überhaupt. So zählt Sepp, wie ihn seine Teamkollegen und Freunde genannt haben, noch heute zu den herausragenden Spielern des deutschen Handballsports - neben Brand, Joachim Deckarm und dem ehemaligen Nationaltrainer Vlado Stenzel.
Letztlich stellte die Weltmeisterschaft aber erst den Startschuss für Wunderlichs Karriere dar. Mit dem VfL Gummersbach dominierte er in den frühen 80er-Jahren den internationalen Handball, holte unzählige Titel ins beschauliche Oberbergische Land, unter anderem die Meisterschaft und die Trophäe für den Europapokalsieger der Landesmeister.
Wunderlich war bestbezahlter Handballer der Welt
Aufgrund seiner 2,04 Metern Körpergröße war Wunderlich bei den Gegenspielern gefürchtet. Der gebürtige Augsburger galt wegen seiner Wurfgewalt als kaum zu verteidigen. So wurde er sowohl 1981 als auch 1982 Torschützenkönig der Handball-Bundesliga. In beiden Jahren wurde er auch zum Handballer des Jahres gekürt. Zudem lief Wunderlich 140-mal in seiner Karriere für den DHB auf und kam dabei auf unfassbare 504 Treffer.
Im Jahr 1983 zog er zum großen FC Barcelona weiter, kassierte dort nach eigener Aussage für vier Jahre 2,5 Millionen Mark (rund 1,3 Millionen Euro) und avancierte damit zum bestbezahlten Handballer der Welt. Jedoch brachte ihm der Wechsel auch jede Menge Ärger ein. Sogar der DHB schaltete sich ein und wollte Wunderlichs Abgang nach Spanien verhindern. „Unserer Meinung nach hat Erhard Wunderlich gegen den Amateurstatus verstoßen“, begründete der damalige DHB-Vizepräsident Henning Opitz das Vorgehen. Eine Sperre von einem Jahr stand im Raum.
Schlussendlich einigte sich Gummersbach und Barcelona jedoch auf ein Freundschaftsspiel, dessen Einnahmen Gummersbach behalten durfte. Auch die vom Verband ausgesprochene Sperre wurde letzten Endes nicht vollzogen. Aber: Geld allein machte Wunderlich nie glücklich. Schon ein Jahr später kehrte er nach Deutschland zurück – trotz seines Vierjahresvertrags.
Unglücklich war er über sein Barcelona-Abenteuer jedoch nicht. „Ich habe mir einfach in Kopf gesetzt, was anderes zu machen und dann habe ich für meine Begriffe in diesem Jahr, wo ich in Spanien war, sehr, sehr viel dazu gelernt. Auch mit all den Schwierigkeiten und allen Höhen und Tiefen, die ich in Barcelona erlebt habe, würde ich ihn noch mal tun, den Schritt“, erklärte Wunderlich dereinst im Rückblick auf diese Zeit.
Brand: „Ich war sehr geschockt“
So ließ Wunderlich seine unverwechselbare Karriere in München beim TSV Milbertshofen ausklingen, zog schon 1989 im Alter von 32 Jahren einen Schlussstrich. Zu diesem Zeitpunkt hatte er sich bereits eine kleine Firma für Büroausrüstung aufgebaut und versuchte sich später auch noch als Hotelier.
Im Jahr 1999 wurde Wunderlich zu Deutschlands Handballer des Jahrhunderts gewählt. Vlado Stenzel, Trainer der Weltmeistermannschaft von 1978, schwärmte über seinen ehemaligen Schützling : „Einen wie Wunderlich gibt es nur alle 100 Jahre.“
Im frühen Alter von 55 Jahren erlag er seinem Krebsleiden in einem Kölner Krankenhaus. „Ich war sehr geschockt, als ich das gehört habe“, sagte Heiner Brand damals, der sich vom Tod seines Mitstreiters tief betroffen zeigte.