Streit um E-Auto-Zölle - Aus Ampel-Not will Scholz den Deal mit China – und stellt sich damit gegen die EU

Irritiert die EU-Vertreter: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)<span class="copyright">Foto: REUTERS/Denis Balibouse</span>
Irritiert die EU-Vertreter: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)Foto: REUTERS/Denis Balibouse

Olaf Scholz (SPD) will die angedrohten EU-Strafzölle auf chinesische Elektroautos deutlich einkürzen. In Brüssel unterstellen Politiker dem Kanzler laut Medienberichten Naivität. Es droht offener Streit.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) widerspricht in der Debatte um Strafzölle auf chinesische E-Autos der EU : Wie das „Handelsblatt“ berichtet, will Scholz, der die EU-Pläne schon länger kritisiert, mit einem als Kompromissvorschlag bezeichneten Gegenentwurf deutlich niedrigere Zölle für durchsetzen. „Ich bin mit den Ergebnissen der Handelspolitik der Europäischen Union nicht zufrieden“, sagte der Kanzler am Mittwoch im Bundestag. „Da muss sich dramatisch etwas ändern.“

Die EU solle alle chinesischen Autoexporte einheitlich mit 15 Prozent Zoll belegen, fordert Scholz laut „Handelsblatt“. Dieser Wert liegt nur geringfügig über den zehn Prozent Zoll, die die EU ohnehin auf chinesische Autos erhebt.

Die EU-Kommission will ab 4. Juli Autos von drei chinesischen Herstellern mit Strafzöllen von bis zu 38,1 Prozent belegen , die zu den zehn Prozent ohnehin erhobenen Zöllen hinzukommen. Wägen von Staatskonzern SAIC, der unter anderem das beliebteste China-Elektroauto, den MG4, nach Europa verschifft, träfen demnach insgesamt Zölle von 48,1 Prozent. Scholz will diesen Wert auf weniger als ein Drittel kürzen.

Deutsche Autoindustrie will Handelskrieg verhindern

Hintergrund von Scholz Vorstoß dürften Warnungen der deutschen Autoindustrie sein. VW, Mercedes und BMW erzielen ein Drittel bis die Hälfte ihres Umsatzes in China. Sie fürchten, die Regierung könne als Vergeltung für die EU-Pläne Zölle auf deutsche Autos erheben. Ihre profitablen großen Modelle verschiffen die Autobauer aus Europa nach China.

Die Regierung und Peking hat bereits Zölle auf Autos mit großen Motoren angekündigt, die besonders diese Modelle treffen würden. Schlimmstenfalls trifft sie damit eine der wichtigsten Einnahmequellen der deutschen Hersteller.

Scholz fordert von China im Gegenzug für sein Angebot von China, ebenfalls einheitlich 15 Prozent Zoll auf europäische Autos zu erheben. Damit würde er verhindern, dass diese deutsche Autobauer benachteiligt. Einen weiteren Wachstumsdämpfer dürfte der Kanzler angesichts anstehender Wahlen unbedingt vermeiden wollen. Auch Politiker anderer Parteien wollen Strafzölle vermeiden oder abschwächen.

Um die EU-Pläne zu kippen, braucht Scholz die Unterstützung weiterer Länder. Kein leichtes Unterfangen: Andere Autohersteller hängen weniger vom chinesischen Markt ab als die deutschen. Ihre Politiker sorgen sich angesichts der Zölle weniger um Wahlen als Scholz.

EU reagiert verstört und unterstellt Scholz Naivität und Kurzsichtigkeit

Die EU reagiert verstört auf Scholz‘ Vorschlag, berichtet das „Handelsblatt“. „Scholz kennt kein anderes Thema mehr“, zitiert das Blatt einen EU-Vertreter.

Die Verstörung hat mehrere Gründe. Einerseits verbietet das derzeitige Recht generelle EU-Strafzölle gegen ein Land. Den drei unlängst betroffenen Herstellern hatte Brüssel vorher in einem langen Verfahren Wettbewerbsverzerrungen nachgewiesen und die Zölle je nach Schwere gestaffelt. Scholz‘ Idee gleicher Zölle für alle bedürfte langwieriger Gesetzesänderungen.

Andererseits halte die EU Scholz Idee für naiv, schreibt das „Handelsblatt“. Die Brüsseler Untersuchungen hatten gezeigt, wie massiv China Elektroautos subventioniert, um europäische Hersteller im Preis zu unterbieten und zu ruinieren. Diesem Angriff wolle die EU entschlossen entgegentreten, statt durch Zaghaftigkeit die nächste Diktatur zur Aggressivität zu ermutigen. Er erwarte von Brüssel Handelsverträge statt Strafzölle, hatte Scholz im Bundestag argumentiert. Verträge könne man nur schließen, wenn der andere mitspielt, meint man dort.

Vor der Strafzoll-Androhung hatte China die EU als ebenbürtigen Gesprächspartner abgelehnt und lieber direkt mit den Mitgliedsstaaten verhandelt. Vermutlich, um die EU zu spalten. Scholz‘ Vorstoß gegen den EU-Plan passt damit eher zu Chinas Ansatz als zu einem starken, einheitlichen Auftreten der europäischen Länder.

Noch bleiben China und der EU Zeit, sich zu einigen. Die EU-Strafzölle gelten erst ab November endgültig. Kommt China Europa entgegen, kann es die Zölle abwenden. Immerhin erreicht hat die EU, dass beide Seiten miteinander sprechen.