True Crime, Mockumentaries und Rollenspiele: So vielfältig ist die neue ARD-Plattform

Sieben deutsche Schauspiel-Stars sind Teil des Rollenspiels "Letzte Beute", von links: Daniel Donskoy, Katjana Gerz, Nina Kronjäger, Frederic Böhle, Rauand Taleb, Cristina Do Rego und Ivo Kortlang. (Bild: ARD Kultur/Rocket Beans)
Sieben deutsche Schauspiel-Stars sind Teil des Rollenspiels "Letzte Beute", von links: Daniel Donskoy, Katjana Gerz, Nina Kronjäger, Frederic Böhle, Rauand Taleb, Cristina Do Rego und Ivo Kortlang. (Bild: ARD Kultur/Rocket Beans)

Die Online-Plattform ARD Kultur konnte nach der Erhöhung des Rundfunkbeitrags realisiert werden. Nun geht das Portal an den Start. Hat sich der Kostenaufwand gelohnt?

"ARD Kultur schafft Raum für die schönsten, spannendsten und schrillsten Seiten des Lebens: die Kultur", heißt es auf www.ardkultur.de. Ab 26. Oktober soll dort ein neues digitales Angebot zur Verfügung stehen, für "Kulturinteressierte, die Kunst und Kreativität als Bereicherung wertschätzen". Bereits 2020 hatten fast alle ARD-Anstalten eine neue, gemeinsame Kulturplattform angekündigt - und das Projekt wenige Monate später wieder auf Eis gelegt, da Sachsen-Anhalt die Erhöhung des Rundfunkbeitrags blockiert hatte und das vorgesehene jährliche Budget von fünf Millionen Euro somit nicht zur Verfügung stand.

Der Rest ist Geschichte: Die öffentlich-rechtlichen Sender reichten Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein, die Beitragsanpassung (18,36 Euro pro Monat) kam, und so schritten Ende 2021 schließlich auch die Planungen für die gemeinsame Kulturplattform wieder voran. Rund ein Jahr später geht die Gemeinschaftseinrichtung unter der Federführung des Mitteldeutschen Rundfunks nun tatsächlich an den Start. Vom Standort im thüringischen Weimar aus sollen fortan nicht nur sämtliche Kulturangebote der ARD gebündelt, sondern auch neu produzierte Inhalte in Eigen- und Koproduktion realisiert werden.

"Mit einem bewusst breiten Kulturbegriff spricht ARD Kultur Menschen mit ganz unterschiedlichem Interesse an Kultur an und macht die spannende Themenvielfalt von HipHop bis klassischer Musik, von Belletristik bis Graphic Novel und von Fotografie bis Virtual Reality erlebbar", beschreibt man das neue Angebot beim MDR. Wie breit der Kulturbegriff des Projekts tatsächlich gefasst ist, zeigt nicht zuletzt die Auswahl an Eigenproduktionen, die künftig auf der Plattform zur Verfügung stehen werden.

Am 26. Oktober startet mit ARD Kultur ein neues Kulturportal - mit außergewöhnlichen Inhalten. (Bild: ARD Kultur)
Am 26. Oktober startet mit ARD Kultur ein neues Kulturportal - mit außergewöhnlichen Inhalten. (Bild: ARD Kultur)

Das Angebot ist breit gefächert

So startete bereits im August das erste Audioangebot von ARD Kultur: Die sechsteilige True-Crime-Podcastreihe "Akte: Raubkunst?" versteht sich als Aufarbeitung von Geschichte, über die sonst häufig geschwiegen wird. Pünktlich zum offiziellen Launch soll das True-Crime-Segment nun erweitert werden. Im Podcast "Melody of Crime" werden die Kriminalpsychologin Lydia Benecke und der Musikproduzent Mousse T. ab 26. Oktober regelmäßig über große Kriminalfälle im Kulturbereich sprechen. In der Pilotfolge beleuchtet das Duo den Fall des 2021 wegen sexuellen Missbrauchs schuldig gesprochenem Musikers R. Kelly.

Eine weitere Eigenproduktion ist der "Szene Report", ein Mockumentary-Format, in welchem prominente Gesichter verschiedene Subkulturen aufs Korn nehmen - etwa, indem Internet-Satiriker El Hotzo als Emo-Musiker der 2000er-Jahre vor der Kamera steht. Ebenso außergewöhnlich: die Rollenspiel-Reihe "Letzte Beute", in der Schauspielerinnen und Schauspieler wie Daniel Donskoy und Nina Kronjäger unter der Anleitung eines Spielleiters ein sitzendes Impro-Theaterstück aufführen, das ähnlich wie der Roleplay-Klassiker "Dungeons & Dragons" vom Würfelglück der Teilnehmenden abhängt.

Gustav Mahler, Haftbefehl oder sowjetische Trophäenbrigaden: Hier wird Kultur neu definiert

Schräg, schräger, ARD Kultur also? Nicht ganz. Tatsächlich hat die Plattform so manches zu bieten - und schreckt eben nicht davor zurück, einen Blick auf Deutschlands Kulturlandschaft abseits klassischer Musik und Literaturkritik zu bieten. Wer nach Podcasts über Gustav Mahler sucht oder eine Langzeitdokumentation über ukrainische und russische Models in Berlin ansehen möchte, wird hier ebenso fündig wie all diejenigen, die sich für Mode als Kulturform oder Virtual Reality und Künstliche Intelligenzen interessieren.

Klar ist: Das Portal scheint ausnahmslos jeden ansprechen zu wollen, der sich halbwegs für Kultur im weitesten Sinne begeistern kann. Die vom hr produzierte Dokumentation "Dichtung und Wahrheit - Wie Hip Hop nach Deutschland kam" etwa skizziert die Ursprünge des Deutschraps und lässt dabei das "Who is Who der Szene" - darunter Sido, Haftbefehl und Sabrina Setlur - zu Wort kommen. Die Doku-Serie "Dance Around The World" mit Eric Gauthier hingegen führt zu "den besten Tanzkompanien der Welt", während der Podcast "Lost Art Gotha" unter anderem von "sowjetischen Trophäenbrigaden, einem wegweisenden Gerichtsprozess und dem größten Kunstraub der DDR" erzählt.

Kultur neu gedacht und für alle zugänglich: ein durchaus lobenswerter Ansatz, der nicht zuletzt aufgrund der angebotenen Vielfalt eine Zuschauer- und Hörerschaft verschiedenster Altersgruppen ansprechen dürfte. Auch die Wertschätzung, die ARD Kultur sämtlichen Facetten der Kunst- und Kulturbranche entgegenbringt, ist außergewöhnlich - und überaus vielversprechend. Weiter so!