Tunesien: Angst vor der Rückkehr zur autoritären Herrschaft

Vor dem umstrittenen Verfassungsreferendum am Montag haben in Tunesien Menschen gegen Präsident Kaïs Saïed und seine neue Verfassung demonstriert.

Neun Millionen Menschen sind aufgefordert, am 25. Juli über die neue Verfassung abzustimmen. Dadurch würden wieder deutlich mehr Befugnisse beim Präsidenten liegen und andere Institutionen geschwächt, vor allem Parlament und Justiz. Die Menschen befürchten eine Rückkehr zur autoritären Herrschaft.

"Das Wesen der Verfassung ist es, ein Gleichgewicht der Kräfte zu gewährleisten, aber diese Verfassung gibt dem Präsidenten weitreichende Befugnisse und hat keinen Mechanismus, um ihn anzuklagen oder zu rügen", sagt Mohamed Gonani, Mitglied der Ennahdha Partei, auf der Demonstartion in Tunis.

Mehrere Menschen wurden während der Proteste von der Polizei verhaftet.

Die Vorsitzende der Attayar Partei, Samia Abbou, sagt, dass sie für den 25. Juli gewesen sei, für einen positiven Wandel und dafür, dass "die Diebe" zur Rechenschaft gezogen würden, die das Land ausgeraubt hätten.

Saïed hatte am 25. Juli 2021 mit Hilfe eines Notstandsartikels der Verfassung den Regierungschef Hichem Mechichi abgesetzt, die Arbeit des Parlaments ausgesetzt und die Immunität der Abgeordneten aufgehoben. Die bis dahin regierende Ennahdha-Partei warf ihm einen "Putsch" vor.

"Aber als seine Macht am 22. September gestärkt wurde, haben wir sein wahres Gesicht gesehen. Er hat die Korrupten nicht bekämpft. Im Übrigen wurde bis heute niemand verurteilt", so Samia Abbou.

Das kleine Mittelmeerland in Nordafrika gilt als einziger Staat, dem nach den arabischen Aufständen ab 2010 der Übergang zur Demokratie gelungen ist.