„Donut-Effekt“ als Folge - Millionen Wohnungen in Deutschland stehen leer

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In Deutschland stehen fast zwei Millionen Wohnungen leer.Christian Charisius/dpa

Trotz Wohnungsknappheit stehen fast zwei Millionen Wohnungen in ganz Deutschland leer. Experten erkennen auf der Suche nach Lösungen alarmierende Trends und Folgen.

Trotz der akuten Knappheit in den Ballungsräumen Deutschlands stehen nahezu zwei Millionen Wohnungen leer. Laut Zensus 2022 waren es zum Stichtag (dem 15. Mai 2022) etwa 1,9 Millionen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes, auf das sich „RP Online“ beruft, entspricht das einer Leerstandsquote von 4,3 Prozent.

Die umfassenden Daten des Zensus 2022, basierend auf amtlichen Registern und der Befragung von zwölf Prozent der Bevölkerung, bilden die Grundlage für diese Analyse. Laut Statistischem Bundesamt hatten rund 23 Millionen Eigentümer sowie etwa 8.000 Wohnungsunternehmen Auskünfte zu ihren Immobilien erteilt, berichtet die „Tagesschau“.

„Die Zensus-Zahlen erschrecken uns alle“, zitiert „RP Online“Ralph Henger, Ökonom für Wohnungspolitik und Immobilienökonomik am Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW Köln). Die erheblichen Leerstände spiegelten die Spaltung des Immobilienmarktes wider: Während in städtischen Gebieten ein großer Mangel an Wohnungen herrscht, stehen in ländlichen Regionen viele Immobilien leer.

Besonders betroffen seien laut Henger die ostdeutschen Bundesländer, wo die Abwanderung junger Menschen zu teils über zehn Prozent Leerstand geführt habe. Aber auch in westdeutschen Regionen, zum Beispiel dem Saarland, der Eifel oder Franken, tritt Henger zufolge dieses Phänomen auf.

Auch Großstädte betroffen - viele leerstehende Wohnungen waren nicht direkt bezugsfertig

„RP Online“ berichtet, dass sogar 55 Prozent der leerstehenden Immobilien seit mehr als einem Jahr nicht mehr genutzt wurden. „Das ist tatsächlich struktureller Leerstand, der wird sich nicht in Luft auflösen“, zitiert die Zeitung Matthias Waltersbacher vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung.
Außerdem war dem Bericht zufolge nur ein wenig mehr als ein Drittel der leerstehenden Wohnungen (38 Prozent) in den nächsten drei Monaten bezugsfertig.

Nach Informationen der „Tagesschau“ sind auch Großstädte wie Berlin, wo mehr als 40.000 Wohnungen leer stehen, und München mit über 20.000 leerstehenden Wohnungen betroffen. Hamburg und Leipzig haben ebenfalls jeweils knapp 20.000 unbewohnte Immobilien. Kleinere Städte wie Erfurt, Tübingen und Marburg melden zwischen 1.000 und 5.000 leere Wohnungen.

In den Stadtstaaten Hamburg, Bremen und Berlin war der Anteil der schnell verfügbaren Wohnungen dem Bericht der „Tagesschau“ zufolge höher. 52 bis 61 Prozent der leerstehenden Objekte hätten demnach in den nächsten drei Monaten bezugsfertig sein können. Zudem waren bei 24 Prozent der leerstehenden Wohnungen Baumaßnahmen oder Sanierungen geplant, während ein Abriss nur bei vier Prozent vorgesehen war.

„RP Online“ berichtet, dass Experten anhand der Zahlen einen „Donut-Effekt“ feststellen würden: Am Stadtrand entstehen neue Wohngebiete, während die innerstädtischen Lagen zusehends verfallen. Matthias Waltersbacher führt dies nicht nur auf die alte Bausubstanz zurück, sondern auch auf kleinere Wohnungsgrößen, mangelnde Parkmöglichkeiten oder zu geringe Abstände zu Nachbarn.

Ralph Henger vom IW Köln weist dem Bericht der Tageszeitung zufolge darauf hin, dass verfallende Häuser die Immobilienwerte in der Nachbarschaft negativ beeinflussen können. Zudem muss die bestehende Infrastruktur, zu hohen Kosten für die ansässige Bevölkerung, weiterhin instandgehalten werden. „Das ist eines der größten versteckten Probleme des Leerstands.“

„1,9 Millionen Wohnungen in Deutschland sind ein erhebliches ungenutztes Potenzial“, betont Matthias Waltersbacher laut „RP Online“. Es sei entscheidend, junge Menschen in den Regionen zu halten, betont er. Dazu sollten periphere Gebiete kulturell stärker gefördert und die Verkehrsanbindungen an größere Städte verbessert werden. Angesichts des zunehmenden Homeoffice-Trends könnten zudem leerstehende Wohnungen zu Co-Working-Spaces umfunktioniert werden.