USA: Absolventin bekommt ihr Abschlusszeugnis nicht - der Grund verwundert

Hafsah Abdur-Rahman war aufgeregt, als sie am 9. Juni mit ihren Klassenkameradinnen in festlichem Rahmen ihr Abschlusszeugnis der Philadelphia High School for Girls erhalten sollte. Doch die Schulleiterin weigerte sich, der 17-Jährigen die Urkunde auszuhändigen.

Symbolbild: Getty
Der letzte Schultag ist oft einer der wichtigsten Tage im Leben eines jungen Menschen. (Symbolbild: Getty)

Es gibt Tage, die wird man bis an sein Lebensende nicht vergessen. Für viele gehört der Tag des Schulabschlusses dazu. Erleichterung, Stolz, Freude und Zusammengehörigkeit, vielleicht auch ein bisschen Nostalgie sind Gefühle, die häufig zu diesem besonderen Tag gehören.

Was nicht dazu gehören sollte, sind Gefühle der Scham und Demütigung. Doch genau damit sah sich die 17-jährige Hafsah Abdur-Rahman konfrontiert, als der langersehnte Tag der Zeugnisübergabe an der Philadelphia High School for Girls, einer 175 Jahre alten Einrichtung, für sie am 9. Juni bevorstand.

Die Absolventin konnte ihre Freude kaum an sich halten, als ihr Name bei der festlichen Zeugnisübergabe aufgerufen wurde und sie sich aus dem Publikum des Festakts erhob. Als sie sich vor den Augen von Freunden und Familie in Richtung der Direktorin begab, die die Zeugnisse vor dem Publikum auf einer Bühne überreichte, war ihr ihre Freude anzumerken.

Ein Video des Moments zeigt, wie Hafsah auf dem Weg zur Bühne ein wenig tänzelt, bevor sie normalen Schrittes weitergeht und der Direktorin erwartungsvoll ihre Hand entgegenstreckt, um ihr Zeugnis in Empfang zu nehmen. Doch was dann passierte, hat wohl niemand erwartet. Die Schulleiterin Lisa Mesi verweigerte ihr die Ausgabe des Zeugnisses.

Renée Hadiyah Reid, ihre Großmutter, hatte ein Video ihrer Enkelin am Tag nach der Feier auf Facebook veröffentlicht:

Der Grund: Aus dem Publikum ertönte ein leises Lachen, als die Absolventin ihre kleine Tanzeinlage einlegte - und das ist laut der Schulleiterin ein Regelverstoß, der dazu führte, dass die Jugendliche ihr Zeugnis erst nach dem Festakt entgegennehmen durfte.

"Die Direktorin sagte: 'Sie bekommen Ihr Zeugnis nicht, weil Sie die Menge zum Lachen gebracht haben'", sagte Hafsa laut The Philadelphia Inquirer.

Berichten zufolge hatte die Direktorin die Schülerinnen tatsächlich zuvor auf Regeln hingewiesen, die sie bei der Zeremonie zu befolgen hatten. Unter anderem durften ihre Familien nicht jubeln oder klatschen, wenn die Absolventinnen die Bühne betraten.

Hafsah Abdur-Rahman im Interview mit 6abc Philadelphia (Screenshot: 6abc Philadelphia).
Hafsah Abdur-Rahman im Interview mit 6abc Philadelphia. (Screenshot: 6abc Philadelphia).

Hafsah Abdur-Rahman, die Betroffene: Ihre Gefühle kann wohl jeder nachvollziehen, dem schonmal ein besonderer Moment ruiniert wurde. Der Teenager zeigt sich gegenüber dem Nachrichtensender 6abc Philadelphia am Boden zerstört, sie habe den Rest der Feier nach dem Vorfall nicht genießen können: "Sie [die Direktorin] hat mir diesen Moment gestohlen. Den werde ich nie wieder bekommen."

Besonders tragisch: Den Moment hatte sie ihrer Schwester gewidmet. 2014 wurde Abdur-Rahmans 14-jährige Schwester auf dem Heimweg von der Schule von einem Irrläufer getötet.

Es war mir so peinlich. Ich konnte nicht einmal den Rest der Abschlussfeier genießenAbsolventin Hafsah Abdur-Rahman (17)

Die Regel, dass das Publikum sich still verhalten sollte, sei ihr bekannt gewesen. "Ich habe in dem Video 'pst' gesagt. Sagt nichts, denn ich will mein Zeugnis", sagte Abdur-Rahman gegenüber 6abc Philadelphia.

Ihrer Meinung nach hätte dann jedoch auch niemand winken oder eine Kusshand machen dürfen, weil dass dasselbe sei.

Jaszmine Reid, ihre Mutter: Auch Abdur-Rahmans Mutter zeigte sich enttäuscht. "Ich verstehe, dass Traditionen und Regeln aus einem bestimmten Grund eingeführt wurden, und wir sagen nicht, dass sie gebrochen werden sollten, aber vielleicht müssen sie auch überarbeitet werden", erklärte sie gegenüber dem Portal unilad.com.

Renée Hadiyah Reid, ihre Großmutter: Das Verhalten der Schulleitung sei "gemein und rachsüchtig" gewesen, schreibt sie in einem von mehreren Posts zu dem Thema auf Facebook. Sie fügte hinzu, dass ihre Enkelin sich "gedemütigt" fühlte, weil die Fotos der Absolventen gemacht werden, wenn sie ihr Zeugnis erhalten. Wenn es aber kein Zeugnis gibt, gibt es auch kein Foto. "Meine Enkelin wird also nicht im Jahrbuch abgebildet sein", erklärte sie dem Daily Beast.

"Sie hat sie und 2 andere Mädchen öffentlich gedemütigt. Sie durften ihre Zeugnisse NICHT entgegennehmen", so Reid weiter.

Tatsächlich wurden nach Angaben des lokalen Senders Fox 29 Philadelphia insgesamt drei Absolventinnen von Mesi abgelehnt. In den sozialen Medien kursierende Clips zeigten, wie eine weitere junge Absolventin auf derselben Veranstaltung ihren Angehörigen zuwinkte, als ihr Name bekannt gegeben wurde. Als sie sich an die Schulleiterin Lisa M. Mesi wandte, wurde ihr ebenfalls eine Urkunde verweigert.

Diese Mädchen weinten sich die Seele aus dem LeibRenée Hadiyah Reid, Großmutter

Der Schulbezirk von Philadelphia äußerte sich mittlerweile in einer Stellungnahme: "Der Bezirk duldet nicht, dass verdiente Zeugnisse zurückgehalten werden, weil Familienmitglieder ihren Absolventen zujubeln. Wir entschuldigen uns bei allen Familien und Absolventen, die davon betroffen waren, und untersuchen diese Angelegenheit weiter, um dies in Zukunft zu vermeiden."

Die Philadelphia High School for Girls: Die Schule selbst hat sich bislang nicht öffentlich geäußert. Hafsah hat inzwischen jedoch erklärt, dass der stellvertretende Schulleiter sich sowohl bei ihr als auch bei ihrer Mutter Jaszmine Reid entschuldigt und angeboten habe, die Angelegenheit weiter zu besprechen.

Auf diversen sozialen Medien schlägt das von der Großmutter veröffentlichte Video hohe Wellen. Twitter-Nutzer Marc Lamont Hill schreibt etwa: "Mein Blut kocht. Sie nahmen diesem Mädchen ihren großen Moment, für sie und ihre Familie".

"Manche Leute sagen, es wäre keine große Sache. Leb' einfach weiter. Das ist ein Moment, den sie nie zurück bekommt. Sie wurde gedemütigt. Es ist einfach so unglaublich. Ich hoffe, dass die Schulleiterin gefeuert wird. Es tut mir leid, sie sollte gefeuert werden."

Auch in vielen weiteren Kommentaren kommen bei Social-Media-Nutzern viel Entsetzen und Bestürzung zum Ausdruck. Eine Person schrieb etwa: "Feuert sie! Es hat ihr großen Spaß gemacht, diesen Kindern ihre Zeugnisse vorzuenthalten! Soll sie doch sehen, wie es sich anfühlt, wenn ihr Gehalt einbehalten wird."

Obwohl Abdur-Rahman sich eine bessere Erfahrung gewünscht hätte, hoffen sie und ihre Mutter, dass die Schulleitung eine wertvolle Lektion gelernt hat. Beide wünschen sich laut unilad.com für die Zukunft eine Änderung des Schulsystems. Hafsahs Mutter Jaszmine Reid: "Wir schreiben das Jahr 2023, es ist viel passiert."