Voluntourismus: Helfen Sie damit wirklich?

Mariya Aksyonova wollte Waisenkindern helfen. Als ihr einer ihre Freunde von seinem Plan erzählte, in wenigen Wochen nach Peru zu fliegen und im medizinischen Bereich als ehrenamtlicher Helfer tätig zu sein, entschied sich Aksyonova dafür, mitzureisen. Sie machte sich also auf den Weg nach Cusco – die Reise verlief aber völlig anders, als sie es sich vorgestellt hatte.

[Der Mitgründer von Sentebale, Prinz Seeiso von Lesotho (im karierten Hemd), hilft am 10. Oktober 2013 in Maseru, Lesotho, freiwilligen Helfern der Starkey Foundation, dabei, das Hörgerät eines kleinen Mädchens anzupassen. Ausgebildete Ehrenamtliche werden im Ausland oft mit offenen Armen empfangen, wenn Sie in Ihrem Voluntourimus-Urlaub aber nur als ungelernte Arbeitskraft tätig sind, könnten Sie weniger helfen, als Sie vielleicht denken. / Getty Images]

„Als ich ankam, waren alle Positionen besetzt und es gab keine freien Stellen im Bereich der Kinderbetreuung“, sagt Aksyonova, die ihren Aufenthalt über International Volunteer Headquarters (IVHQ) buchte. „Sie sagten mir: ‚Es tut uns leid, aber alle Stellen in der Kinderbetreuung sind besetzt. Vorläufig können wir dich aber in dieser Schule für Kinder unterbringen.‘“

In den folgenden zwei Wochen unterstützte Aksyonova, die kein Spanisch spricht, Lehrer, die Schüler zwischen 6-7 Jahren und junge weibliche Teenager aus einem regionalen Waisenhaus im Rahmen eines ESL-Kurses unterrichteten. Neben einem Besuch von Machu Picchu und Sprachkursen tauchte Aksyonova in Perus Kultur ein, während sie Unterrichtsplänen für ihre temporären Schüler erarbeitete.

Für die meisten Menschen ist der Urlaub eine Möglichkeit, dem Alltag zu entfliehen, Abstand zu gewinnen und nicht zu arbeiten. Menschen, wie Aksyonova, die im Ausland als freiwillige Helfer tätig sind (auch „Voluntourismus“ genannt), reisen aber um die Welt, um Verantwortung zu übernehmen.

Voluntourismus kombiniert ehrenamtliche Tätigkeiten mit dem Reisen, was es den freiwilligen Helfern ermöglicht, die Welt zu sehen und gleichzeitig ihre Zeit sinnvoll zu nutzen. Diese Art des Reisens wurde im letzten Jahrzehnt immer populärer und ist vor allem bei Studenten beliebt.

Nichts für Menschen, die nach günstigen Reiseangeboten suchen

Da so viele Studenten an dieser Art des Tourismus interessiert sind, vermuten viele, dass derartige Reisen billiger sind. Die Organisation, die die Position vermittelt, bezahlt normalerweise die Unterbringung und Verpflegung der freiwilligen Helfer, wodurch der Reisende nur die Flugkosten und die Gebühren für die Organisation (welche abhängig vom Unternehmen nur $180,00 USD betragen können) bezahlen muss. Im Vergleich zu Resort- und Hotelpreisen scheint das ein Schnäppchen zu sein, laut Aksyonova sollten Menschen, die möglichst günstig reisen möchten, allerdings Backpacking-Reisen unternehmen. Voluntourimus ist ihrer Meinung nach nur geeignet, wenn man in der gewählten Region auch seinen Beitrag leisten möchte.

Stephen Cashman, ein Assistenzarzt aus Winnipeg, nahm ebenfalls die Services von IVHQ in Anspruch und war in Nepal als freiwilliger Helfer tätig. Außerdem absolvierte er gemeinsam mit anderen Medizinstudenten Praktika in Ghana und China.

Obwohl Cashman sehr gerne reist und seine Auslandsaufenthalte genoss, rät er Menschen vom Voluntourimus ab und empfiehlt Reisenden, stattdessen zu Hause als ehrenamtliche Helfer tätig zu werden.

„Im Rahmen von Freiwilligenprogrammen reisen Menschen aus der westlichen Welt, die im Prinzip keine Ausbildung haben, in ein Entwicklungsland, um etwas zu tun, das sie nicht wirklich gut können“, sagt er. „Es handelt sich oft um Hilfsarbeiten oder andere Dinge, die schnell erlernt sind, doch Entwicklungsländern fehlt es normalerweise an Geld – nicht an ungelernten Arbeitskräften. Wenn jemand in einem Nischenbereich sehr gut ausgebildet ist, macht die freiwillige Tätigkeit Sinn, doch sogar in diesen Fällen könnten die Kenntnisse aufgrund von sprachlichen und kulturellen Barrieren schwer anzuwenden sein – und es gibt wahrscheinlich bereits jemanden im Land, der qualifizierter für die Aufgabe ist, die Sie bei Ihren Reisen um die Welt erbringen möchten. Falls es Ihr Ziel ist, Menschen zu helfen, glaube ich, dass der bessere Weg Geldspenden und Reisen als Tourist sind, anstatt Ihre Zeit zur Verfügung zu stellen.“

[Eine Backpacking-Reise kann ein günstigeres und besseres Erlebnis sein. / Thinkstock]

Genau wie Cashman genoss Aksyonova ihre Zeit im Ausland, hatte am Ende aber nicht das Gefühl, etwas bewirkt zu haben. Sie war enttäuscht, dass ihr von IVHQ eine Stelle in der Kinderbetreuung versprochen wurde, die sie aber nie bekam, und hatte das Gefühl, dass sie die Zeit besser damit verbracht hatte, etwas zu bauen, anstatt zu unterrichten.

„Nächstes Mal möchte ich dabei helfen, etwas zu bauen. Dann sieht man das Resultat der Arbeit direkt“, sagt sie und fügt hinzu, dass zwei Wochen nicht ausreichen, um etwas zu bewirken. „Ich möchte eine Schule oder eine Kirche oder ein Haus bauen, damit ich das Gefühl habe, etwas erreicht zu haben.“

Langfristige Beziehungen mit einer Region aufbauen

Obwohl sich einige Reisende mehr von ihrer freiwilligen Tätigkeit erhofft hätten, kann diese in anderen Fällen zu jährlichen Reisen und sogar lebensverändernden Erkenntnissen führen.

Die langjährige freiwillige Helferin Laurena Zondo kehrt seit 2005 fast jedes Jahr nach Ruanda zurück und hilft beim Aufbau einer Medieninitiative von Jugendlichen in Afrika mit dem Titel A Peace of Life.

Zondos erste Reise nach Ruanda fand in Begleitung eines ehrenamtlichen Filmemachers statt, der einen Kurzfilm für die globale Missionsorganisation drehte, bei der Zondo beschäftigt war. Dieser Reise war die Basis für ein Jahrzehnt der freiwilligen Tätigkeit im Ausland.

„Auf dieser Reise traf ich eine Kirchengruppe in Ruanda, die Schulen im ganzen Land betrieb“, erzählte sie von ihrer ersten Reise im Jahr 2005. „Dieses Treffen, ihre Freundschaft und die Gespräche in den folgenden Monaten führten dazu, dass ich im nächsten Jahr alleine zurückkam – als freiwillige Helferin während meines Urlaubs.“

Zondos Reisen nach Afrika, aus welchen die A Peace of Life Initiative entstand, hatten auch Auswirkungen auf ihre Gemeinde zu Hause. Jugendliche ihrer Kirche, der Youth Baptist in Toronto, sind inzwischen jedes Jahr als freiwillige Mitarbeiter ihrer Medieninitiative tätig.

„Es ist wie bei jeder anderen Reise – es gibt gute und schlechte Aspekte“, sagt Zondo über die Vor- und Nachteile des Voluntourismus. „Derartige Erlebnisse kosten mehr Energie – mental, spirituell – wenn man sich wirklich auf ein anderes Umfeld und eine anderen Kultur einlässt und mit der harten Realität von Armut und sozialer Ungerechtigkeit konfrontiert wird. Es verändert einen selbst und den Blick auf die Welt.“

„Ich hatte dank der freiwilligen Tätigkeit, meiner neuen Freunde und der Gespräche mit Studenten und anderen, die ich auf meiner Reise traf, die Idee, gemeinsam an einem Friedenscamp zu arbeiten, in dem sich Jugendliche treffen, Ideen austauschen und in der Friedensförderung ausgebildet werden.“

Zondo empfiehlt Voluntourismus, sagt aber, dass diese Empfehlung nicht für alle gilt.

„Ich betrachte es nicht als Kombination aus freiwilliger Tätigkeit und Reisen”, sagt sie. „Es ist kein Paket, das einem Urlaub hinzugefügt wird, um irgendwie ‚etwas Gutes zu tun‘. Stattdessen taucht man in die freiwillige Tätigkeit ein und möchte einen anderen Teil der Welt genau kennenlernen – auf tiefe, bedeutungsvolle Weise.“

Als langjährige Freiwillige mit Auslandserfahrung baten wir Zondo um ihre Ratschläge für Menschen, die zum ersten Mal Voluntourismus ausprobieren möchten. Hier sind ihre fünf wichtigsten Tipps:

  • Sie müssen mit einem offenen Herzen auf Menschen zugehen und mehr über ihr Leben bzw. ihr Land erfahren und von ihnen lernen wollen. Sie sind kein Experte, der einfliegt, um etwas Gutes zu tun. Es gilt, zuzuhören, zu entdecken und zu lernen.

  • Zeigen Sie Respekt, was Mentalität, Kleidung und Sprache betrifft – Sie sind ein Gast im Land. Es ist ein Privileg, an einen anderen Ort reisen zu können.

  • Denken Sie abhängig vom Reiseziel im Voraus darüber nach, wie Sie damit umgehen, Leute zu treffen, die in unvorstellbarer Armut leben. Verteilen Sie kein Geld oder andere Dinge. Arbeiten Sie gemeinsam mit Ihrem Gastgeber vor Ort an einer Lösung oder kontaktieren Sie eine regionale Organisation, die über die nötigen Services oder Projekte verfügt, um sie mit einer Spende zu unterstützen.

  • Bringen Sie keine alten Kleider oder andere Gegenstände, die im Land gekauft werden können, mit, um sie zu verteilen.

  • Bringen Sie Ihren Sinn für Humor mit und bleiben Sie flexibel. Die Dinge laufen nie wie geplant und Sie werden Fehler machen – doch genau darauf kommt es an. Das ist das Leben und manchmal ist es eben chaotisch. Seien Sie bereit, etwas Neues über sich selbst und die Welt zu lernen.

Von Amanda Jerome | Insight