Warum die Dresdner keine Heulsusen sein sollten

Die Skulptur “Monument” von Manaf Halbouni (Bild: dpa)
Die Skulptur “Monument” von Manaf Halbouni (Bild: dpa)

Ein Eklat erschüttert das Gedenken an den Bombenkrieg. Nicht durch ein neues Denkmal – sondern durch Dresdner selbst.

Ein Kommentar von Jan Rübel

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In bösen Momenten kommt einem schon die Frage, ob eine Stadt einen Knacks haben kann. Das ist natürlich unfairer Quatsch, aber die Nachrichten aus Dresden lassen die Stirn runzeln.

Da geht es für die Elbmetropole auf einen wichtigen Tag zu: Jeden 13. Februar gedenken die Einwohner jener zwei Tage des Bombardements durch alliierte Kampfflugzeuge im Jahr 1945. Tausende von Sprengsätzen und Brandbomben wurden über der Elbmetropole abgeworfen, 25.000 Menschen starben darin, die Altstadt lag in schwarzen Ruinen.

Dies ist ein wichtiger Tag, voller Schmerz und Scham. Für die damals so verwundete Stadt ist es wichtig, heute bewusst zu erinnern: um der Toten willen, und des Friedens. Dresden ist ein sichtbares Symbol dafür, was Krieg Menschen antut – und wer den Krieg damals begann, an dessen Ende diese furchtbaren Bomben fielen. Wir hatten ihn begonnen. Dass Dresdens Oberbürgermeister kürzlich sagte, Dresden sei keine unschuldige Stadt, war sehr diplomatisch formuliert.

Das zerstörte Dresden im Zweiten Weltkrieg (Bild: Richard Peter/Deutsche Fotothek/Wikimedia)
Das zerstörte Dresden im Zweiten Weltkrieg (Bild: Richard Peter/Deutsche Fotothek/Wikimedia)

Er kennt wohl seine Pappenheimer. Denn in Dresden ergießt sich jährlich zum Gedenken auch, und dieses “auch” steht an dieser Stelle notwendigerweise, eine selbstverliebte Sauce aus Opfermythos, Ressentiment und Heulsuserei. Berlin, Hamburg und manch andere Städte, die, wiederum diplomatisch formuliert, nicht weniger Schlimmes während des Bombenkriegs 1945 erlebten, schauen jedes Jahr aufs Neue etwas überrascht auf Dresden, wie intensiv dort dieses Terrors aus der Luft gedacht wird.

Daran ist erstmal Gutes. Nun aber zur Sauce.

Im Vorgriff auf das Gedenken hat der Künstler Manaf Halbouni ein Denkmal in der einstmals zerstörten Altstadt aufgestellt, es sind drei hochkant gestellte Passagierbusse – angestoßen durch eine Szene im syrischen Aleppo, wo Einwohner durch das Aufstellen solcher Busse eine Straßensperre zum Schutz vor Scharfschützen errichteten. Mir fällt kaum ein passenderes Denkmal ein, welches den Kriegsschrecken für eine Stadt darstellt. Daher passt es so gut zum Dresden des Jahres 1945 und zur Welt des Jahres 2017 – ein gelungener Brückenschlag zwischen Deutschland und dem Nahen Osten, eine Demonstration für Hoffnung und Verletzlichkeit. Dieses Denkmal ist würdevoll.

Der Stadtteil Ansari in Ost-Aleppo, 2017 (Bild: dpa)
Der Stadtteil Ansari in Ost-Aleppo, 2017 (Bild: dpa)

Doch bei der Eröffnung am vergangenen Dienstag gab es nun Proteste. Das Gift von Pegida wirkt nachhaltig. “Volksverräter” riefen manche das Unwort des Jahres 2016, der Künstler stand fassungslos daneben.

Die komische Sprache der AfD

Woher kommt diese Wut? Bei der AfD findet man immer gute Antworten. Die kritisierte auch das neue Denkmal, und zwar als “empathielose Agitprop-Inszenierung” eines “entwurzelten Wanderers zwischen den Welten”, wie es in einer Erklärung heißt. Würdeloser geht es kaum. Zur Empathie: Es gibt ein Foto aus dem Jahr 1945, es zeigt zusammengeschobene Straßenbahnen in Berlin – ein Versuch, die vorrückenden sowjetischen und polnischen Verbände aufzuhalten. Dieses Foto geistert seit langem in meinem Kopf herum, es steht symbolhaft für die verzweifelten Versuche, mittels ziviler Werkzeuge (Straßenbahnen oder eben Busse) sich gegen die Schrecken des Krieges zu stellen.

Zur Straßensperre umfunktionierte Straßenbahnen 1945 in Berlin (Bild: Willi Ruge/Bundesarchiv/Wikimedia)
Zur Straßensperre umfunktionierte Straßenbahnen 1945 in Berlin (Bild: Willi Ruge/Bundesarchiv/Wikimedia)

Wenn also die Empathie der AfD Dresden durch dieses neue Denkmal nicht angesprochen wird, dann hat die AfD Dresden womöglich ein Problem mit Empathie. Manaf Halbouni lebt übrigens seit neun Jahren in Dresden, seine Mutter ist Dresdnerin – und ihn als “entwurzelt” und “Wanderer zwischen den Welten” zu bezeichnen, könnte höchstens ein Psychotherapeut nach einem Jahr Behandlung, aber meines Wissens hat die Dresdner AfD solch intensiven Kontakt weder gesucht, noch hätte sie die Expertise dazu. Diese Äußerung ist eine Frechheit – womöglich ist der Künstler der AfD nicht arisch genug, weil sein Vater Syrer und der Sohn in Damaskus geboren sowie aufgewachsen ist.

Die AfD und die Protestler sehen im Denkmal etwas Aufgezwungenes. Sie wollen verschont bleiben, es könnte sich ja doch ein Hauch Empathie regen, Gott bewahre. Nichts soll das “ehrende” Gedenken an die Opfer von 1945 stören, es soll “ihr” Gedenken bleiben, in dem man sich selbstverliebt wälzt – ohne Fragen und mit viel Geschichtsvergessenheit. Und da beschleicht mich das Gefühl, der AfD gehe es nicht ums Gedenken, nicht um den Schmerz, sondern um das Privileg, die größte Heulsuse zu sein.

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Denn da scheint etwas mit den Kadern nicht zu stimmen. “Diese Art von Kunst” sei eine “Eroberung” eines “Raumes”, heißt es in der Erklärung. Und Karin Wilke, kulturpolitische Sprecherin der AfD im Landtag, spricht von Düpierung, von einer Unterwerfung (so hieß mal ein Buch, nicht wahr?), um dann endlich irre zu schließen: “um seinen Sykes/Picot-Phantasien der Neugestaltung Europas unter arabisch-muslimischer Führung Geltung und freien Raum zu verschaffen. Der konzeptionell umgekehrte Kolonialismus des Künstlers ist keine Erweiterung des Bewusstseins, sondern ein Anschlag auf unsere Identität.”

Rechte Demonstranten bei der Einweihung von “Monument” in Dresden (Bild: dpa)
Rechte Demonstranten bei der Einweihung von “Monument” in Dresden (Bild: dpa)

Eroberung. Raum. Kolonialismus. Anschlag auf unsere Identität. Frau Wilke, abgesehen davon, dass Sie für meine Identität nicht zu sprechen haben, verfügen Sie über zwei Möglichkeiten: Entweder geben Sie zu, dass Ihre Partei ein Problem hat – nämlich diffuse Ängste bis hin zu Verfolgungswahn. Oder Sie benutzen bewusst die Sprache von Nazis. Die reden auch immer davon, dass ein Raum zu erobern sei.

Ein Denkmal, besonders dieses, lädt zu Diskurs ein, zum Nachdenken. Es erobert nichts. Den historischen europäischen Kolonialismus im Nahen Osten umzukehren und diesen nun einem Künstler wegen eines Denkmals anzuhängen – dafür braucht man nicht nur Kreativität, sondern Zynismus. Sie sollten sich schämen.

Mehr über die Proteste bei der Einweihung des Kunstwerks “Monument” im Video: