Wie die Innenminister der Union Deutschland verunsichern

Eine Reihe von Maßnahmen fordern die Sicherheitsexperten der Union. Und ziehen lauter alte Hüte hervor. Mit Terrorabwehr haben die aber nichts zu tun.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Als Landesinnenminister einer konservativen Partei hat man es schwer in diesen Tagen. Besonders, wenn der Partei eine Chefin vorsteht, die ihr Gelassenheit und Besonnenheit vorschreibt: Da ist zum einen der Reflex, den starken Mann zu markieren – und zum anderen die Order, den Verstand einzuschalten und nicht Äpfel mit Birnen zu vergleichen.

In genau diesem Dilemma stecken die Landesinnenminister der Union. Nun haben sie eine „Berliner Erklärung“ verfasst, die sie in der kommenden Woche in Berlin vorlegen und beraten wollen.

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Es ist ein Dokument der Hilflosigkeit, frisch vom Obststand. Nichts Gutes findet sich darin. Ein Papier, das Unfrieden statt Sicherheit bringen wird und schnell im Reißwolf verschwinden sollte.

Was fordern die Sicherheitspolitiker von CDU und CSU? Der Reihe nach:

Die von Rot-Grün im Jahr 2000 eingeführte doppelte Staatsbürgerschaft soll abgeschafft werden. Sie sei ein „großes Integrationshindernis“, heißt es in dem Papier. „Wir lehnen diese gespaltene Loyalität ab. Wer sich für die Politik ausländischer Regierungen engagieren will, dem legen wir nahe, Deutschland zu verlassen.“ Da drängt sich schon die Frage auf, was das mit Terrorabwehr zu tun hat. Vielmehr handelt es sich um den Versuch, einen Graben auszuheben zwischen Deutscher unterschiedlicher Herkunft. Man kann es auch schlicht Rassismus nennen: Für ein Problem, die gesellschaftliche Verunsicherung durch Terrorismus, macht man einen Sündenbock aus, und praktischerweise lässt dieser sich als Minderheit definieren. Die Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft zielt auf die Türken in unserem Land. Oder sehen die Unionspolitiker auch ein Problem in einer doppelten Staatsbürgerschaft von deutsch und italienisch? Sie sehen eine gespaltene Loyalität nur, weil sie mit gespaltener Zunge sprechen.

Und überhaupt, was ist denn ein „Engagement für Politik ausländischer Regierungen“ genau? Bisher kam es mir vor, dass fast jeder von uns Deutschen eine Lieblingsregion irgendwo auf diesem Planet hat, deren Sprache er gern erlernt, sich mit der Politik des Landes beschäftigt und schnell als „Experten“ sieht, denn wir wissen halt Bescheid; der erhobene Zeigefinger ist unser Lieblingsfinger. Die Unions-Landesinnenminister kritisieren, sicherlich ungewollt, urdeutsches Verhalten.

Vertrauen ist kein Wert mehr

Ferner soll die ärztliche Schweigepflicht gelockert werden. Damit sollen die Mediziner die Behörden rechtzeitig informieren können, wenn sie Hinweise darauf haben, dass ein Patient eine Straftat begehen könnte. Wie soll das denn aussehen? Bisher ist es schon längst für Ärzte möglich zum nächsten Polizeirevier zu gehen, wenn sie bei einem Patienten Terrorabsichten vermuten, wenn es „zum Schutze eines höherwertigen Rechtsgutes erforderlich“ ist. Die ärztliche Schweigepflicht ist eines der höchsten Güter unserer Gesellschaft, es fußt auf Vertrauen. Aber dieses Vertrauen soll wohl nicht für alle gelten. Schon wieder wird der Keil herausgeholt.

Da passt es prächtig, was sich die Innenminister als nächstes ausgedacht haben: Ausländische Gefährder und straffällige, ausreisepflichtige Ausländer sollen schneller abgeschoben werden können. Dazu soll den Angaben zufolge die „Gefährdung der öffentlichen Sicherheit“ als neuer Haftgrund eingeführt werden. Die Pläne des Bundesinnenministeriums sehen dabei aber auch vor, dass Personen, die sich ihrer Abschiebung widersetzen oder sie mutwillig verzögern, das Bleiberecht entzogen wird.

Damit wollen die Politiker Gummiparagrafen schaffen, um Ungerechtigkeit noch rascher umsetzen zu können. Gefährde ich die öffentliche Sicherheit, wenn ich bei Rot über die Ampel gehe? Was kommt da auf uns zu? Ich kenne einen Fall aus meinem persönlichen Umfeld, der zeigt, dass schon längst in Deutschland mit zweierlei Maß gemessen wird.

Liberal sieht anders aus

Ein Freund von mir kam als Vollwaise aus Afrika nach Deutschland, er war damals fünf. Er wuchs in Heimen auf und fühlte sich als Deutscher. Für die Behörden war er das nicht. Obwohl er aus einem Bürgerkriegsland kam, wurde sein Asylverfahren über Jahre gestreckt. Dann baute er großen Mist, wurde kriminell. Mit 18. Er hielt eine Jugendstrafe von zweieinhalb Jahren, die saß er ab. Und wurde dann abgeschoben in ein Land irgendwo in Afrika, dessen Sprache er nicht sprach und wo er niemanden kannte, auch keine Verwandten. Das war vor acht Jahren, und Verwandte hat er bis heute nicht gefunden. Er kämpft sich so durch.

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Dass mein Freund abgeschoben wurde, ist eine schreiende Ungerechtigkeit. Die Ausländerbehörde hatte übrigens jahrelang eine Einreisesperre gegen ihn erhoben, und zwar mit der Begründung, er stelle „eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung, die öffentliche Sicherheit oder die nationale Sicherheit dar“. Mit Terror hatte seine Straftat natürlich nichts zu tun. Die „öffentliche Sicherheit“ sieht man schnell gefährdet, wenn es gerade passt.

Sicherheit bringt das alles nicht. Unser Nachbar Frankreich erlebt gerade, wie mit „abschreckender“ Politik und Ausnahmezustand NICHTS erreicht wird. Da bleibt als letzter Treppenwitz nur noch die Forderung aus der Union nach einem Burkaverbot. Da sollen also einzelne Frauen, nur weil sie sich kleiden, wie sie wollen, eine Anzeige kriegen. Das bringt in der Sache nichts; in Frankreich herrscht solch ein Verbot seit Jahren. Das diskriminiert nur. Aber vielleicht haben genau das die Landesminister der Union im Sinn.

Bilder: dpa

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