Zahlen schlechter als gedacht - Fünf Punkte zeigen, wie dramatisch die Wohnungskrise wirklich ist

Schlechte Nachrichten für alle, die in den kommenden zwei Jahrzehnten eine Wohnung suchen: Die Wohnungsnot wird noch lange schlimmer. Dann stagniert sie, bevor sie besser wird.<span class="copyright">Getty Images</span>
Schlechte Nachrichten für alle, die in den kommenden zwei Jahrzehnten eine Wohnung suchen: Die Wohnungsnot wird noch lange schlimmer. Dann stagniert sie, bevor sie besser wird.Getty Images

Weil in Deutschland zu wenig Wohnungen gebaut werden, finden immer weniger Menschen bezahlbaren Wohnraum in der Nähe ihres Arbeitsplatzes. Für mehr als ein Jahrzehnt dürfte sich die Wohnungsnot noch verschärfen. Ob sie sich danach entspannt, hängt auch von der Politik ab.

1. Die Wohnungskrise ist schlimmer, als Sie denken

Viele Menschen wissen, dass Deutschland zu wenig baut. Doch sie unterschätzen das Ausmaß des Wohnungsmangels, weil sie auf das ganze Land blicken. Warum, erklären Zahlen, die das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln ermittelt hat.

Knapp 375.000 hätte Deutschland im Jahr 2023 gebraucht. Knapp 300.000 Wohnungen hat es gebaut. Deutlich zu wenig, aber immerhin 80 Prozent des Bedarfs.

Den Bundesschnitt schönt, dass die Deutschen vor allem in große Städte ziehen. Ländliche und dünn besiedelte Landkreise erfüllen daher ihren Wohnungsbedarf oder übererfüllen ihn sogar. Dadurch wirkt die Statistik besser, als sie ist.

Großstädte und Metropolen liegen dafür deutlich unter dem Schnitt: Mit je nur rund 60 Prozent bauen sie nur etwas mehr als die Hälfte der benötigten Wohnungen. Auch städtische Kreise wie der Kreis München bauen zu wenig. Und das, obwohl in diesen Gegenden unzählige Wohnungen fehlen.

Fazit: Gerade in den Regionen, in denen die meisten Menschen in Deutschland arbeiten und daher wohnen wollen, entstehen zu wenige Wohnungen. Das erschwert die Suche, verteuert die Preise und treibt immer mehr Menschen immer weiter aufs Land, als es der Blick auf Gesamtdeutschland vermuten lässt. Dort, wo die Deutschen wohnen wollen, kriselt der Wohnbau am stärksten.

2. Die Wohnungskrise droht, noch viel schlimmer zu werden

Zusätzlich verschärft die Wohnungskrise, dass die Neubauzahlen angesichts teurer Baumaterialien und gestiegener Zinsen weiter einbrechen: Im Jahr 2023 erteilte die Ämter deutschlandweit nur rund 260.000 Baugenehmigungen. In den Jahren zuvor waren es je um 400.000.

2023 baute Deutschland rund drei Viertel aller 2022 genehmigten Wohnungen. Wiederholt es diese Quote in diesem Jahr, sinkt die Zahl neuer Wohnungen bundesweit auf unter 200.000, rund die Hälfte des Bedarfs.

Weil Baufirmen angesichts von Auftragsmangel Angestellte zu entlassen drohen und die Stellen künftig nicht ohne Weiteres neu füllen können, droht zudem eine langfristige Schwäche am Bau . Dann könnte Deutschland seine Neubauzahlen nicht schnell wieder hochfahren. Sie könnten auf Jahre unter 250.000 Wohnungen festhängen.

Fazit: Vor allem in Großstädten dürfte die Wohnungsnot künftig schneller zunehmen als derzeit. Wer eine arbeitsplatznahe Wohnung sucht, müsste dann viel Geld mitbringen.

3. Deutschland braucht immer mehr Wohnraum

Trotz steigender Mieten und Kaufpreise erwarten die Experten, dass die Menschen in Deutschland auch in den kommenden Jahrzehnten in immer größeren Wohnungen leben. Mehr Wohlstand, kleinere Haushalte: Bis 2040 besitzt jeder von uns im Durchschnitt zehn Prozent mehr Wohnfläche, sagen sie voraus.

Leben 2040 genauso viele Menschen in der Bundesrepublik wie derzeit – davon gehen Experten aus –, brauchen das Land allein deswegen rund ein Zehntel mehr Wohnungen, inklusive Straßen, Geschäfte und Schulen, um sie zu versorgen. Leerstehende Wohnungen fehlen in Zuzugsgebieten aber bereits jetzt.

Fazit: Lebt jeder Mensch in Deutschland auf mehr Wohnraum, verknappt das die Wohnungsnot in Ballungsräumen zusätzlich.

4. Die Wohnungskrise endet, aber erst in Jahrzehnten

Der Lichtblick der Wohnungskrise beginnt mit dem Blick in die Zukunft: In den kommenden Jahren sinkt der Bedarf an neuen Wohnungen. Am stärksten in den Kreisen, aber auch in den großen Metropolen. Für die Jahre 2036 bis 2040 rechnen die IW-Experten nur noch mit einem Gesamtbedarf von rund 200.000 Wohnungen pro Jahr.

Diesen Gesamtbedarf dürfte die Bauindustrie decken können. In den 1990er-Jahren stellte sie rund 600.000 Wohnungen pro Jahr her. Vieles spricht dafür, dass die niedrigen Bauanträge dieses Jahres kaum weiter sinken können: die Zinsen sinken, die Bundesregierung nimmt sich der Forderungen der Bauindustrie an. Stellen die Städte genügend Flächen bereit, dürfte die Wohnungsnot gemessen an diesen Vorhersagen in rund zehn Jahren stagnieren und in rund 15 Jahren abnehmen. Bis die Preise signifikant sinken, dürfte es dann noch einmal einige Jahre dauern.

Fazit: Wer schon heute keine bezahlbare Wohnung findet, muss womöglich zwei Jahrzehnte warten, bis sich dies ändert. Für eine ganze Generation junger Familien zerplatzt der Traum vom Eigenheim.

Im Alter bleibt dieser Generation weniger Geld als Generationen mit mehr Eigenheimbesitzern . Mehr Altersarmut, mehr Abhängigkeit von der Rente, höhere Beiträge: Die derzeitige Baukrise spüren auch künftige Angestellte im Geldbeutel.

5. Jetzt kaufen lohnt sich wahrscheinlich, wenn man kann

Die Kehrseite der Wohnungskrise lautet: Wer sich derzeit eine Wohnung in einer Metropole leisten kann, investiert in eine recht sichere Anlage. Die Nachfrage dürfte auf Jahrzehnte das Angebot übersteigen. Einbrechen können die Preise kaum. Steigen schon.

Ob die Wohnungsnot danach abnimmt, hängt vor allem davon ab, ob die Politik die Forderungen der Bauindustrie tatsächlich umsetzt. Diese Prozesse erfordern allerdings Jahre und der Rückstand am Bau ist bereits riesig. Auf absehbare Zeit bleibt Beton Gold.

Fazit: Vermögenden Menschen bietet die Wohnkrise Vorteile. Wem das Kapital für eine Wohnung fehlt, dem zwingt sie vor allem zu langen Arbeitswegen. Und zu einer klugen Altersvorsorge, die den Nachteil nicht vorhandenen Wohneigentums ausgleicht .