60 Jahre Elysée-Vertrag: Können Berlin und Paris die Krise überwinden?

Deutschland und Frankreich begehen 60 Jahre Elysée-Vertrag – und es gibt wahrlich nicht nur Grund zum Feiern. Der Ukraine-Krieg und die Energiekrise stellen das deutsch-französische Paar vor historische Herausforderungen – seit Monaten kriselt es zwischen Paris und Berlin.

Große Differenzen bei Energie und Verteidigung

Doch grundsätzliche Differenzen gab es schon immer zwischen den Partnern – zum Beispiel beim Thema Verteidigung. Der Ukraine-Krieg legt sie jetzt nur offen, erklärt Judy Dempsey. Sie ist Forscherin für internationale Beziehungen und Chefredakteurin von "Strategic Europe" bei der Denkfabrik Carnegie Europe.

"Frankreich sieht seine Rolle und die Rolle Europas beim Thema Verteidigung anders als Deutschland", sagt Dempsey. "Paris findet, die EU sollte sich viel mehr um ihre eigenen Verteidigungs- und Sicherheitsinteressen kümmern. Deutschland ist anderer Meinung, auch weil es in Sachen Sicherheit und Verteidigung einfach schwach ist."

Berlin sei sich zudem im Klaren darüber, dass der Sicherheitsgarant für Deutschland und auch für Europa nach wie vor die USA sind.

Die Pariser Vision von Verteidigung ist europäisch, Deutschland sieht das anders. Olaf Scholz hat mit mehreren EU-Ländern den "European Sky Shield"-Vertrag unterschrieben. Dieser europäische Luftabwehrschirm umfasst auch Verteidigungssysteme aus den USA und Israel, was Paris wütend macht.

Frankreich mit seiner großen Verteidigungsindustrie betrachtet die Rolle der NATO mit mehr Distanz. Und es ist viel weniger von russischem Gas abhängig. Bei der Bewältigung der Energiekrise warf Macron Scholz Alleingänge vor.

Deutsch-französischer Motor stottert

Und: Die Charaktere Scholz und Macron scheinen als Duo einfach schlechter zu harmonieren als die Merkels und Macrons. Wie kann der deutsch-französische Motor wieder zum Laufen gebracht werden? "Die Frage der Stabilität muss wieder in den Mittelpunkt der Beziehungen zwischen Paris und Berlin rücken", sagt Expertin Dempsey.

Macron und Scholz müssten "verstehen, wie zerbrechlich diese Stabilität ist und die anderen Mitgliedstaaten mit einbeziehen. So können sie den transatlantischen Beziehungen den dringend benötigten Auftrieb geben, wobei Europa eine viel stärkere Rolle spielen wird als bisher.“

Denn die Unterschiede Deutschlands und Frankreichs sind auch ihre Stärke. Einigen sie sich auf europäischer Ebene, können sie fast sicher sein, dass die anderen EU-Mitglieder ihnen folgen.