Abwärme macht Technik günstiger - CO2-Staubsauger über dem Kühlregal - Berliner Supermarkt wird jetzt zum Klimaretter

Ein Einkaufscenter der Greenman-Gruppe - bald soll das erste mit einem Direct-Air-Capture-Anlage ausgestattet werden.
Ein Einkaufscenter der Greenman-Gruppe - bald soll das erste mit einem Direct-Air-Capture-Anlage ausgestattet werden.

Ein Berliner Start-up entwickelt eine innovative Technologie, um Supermärkte in CO2-Staubsauger zu verwandeln. Damit soll ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz geleistet werden.

Klimawandel und steigende CO2-Emissionen stellen die Menschheit vor enorme Herausforderungen. Experten sind sich einig, dass neben der Reduktion des Ausstoßes auch die aktive Entfernung von Kohlendioxid aus der Atmosphäre notwendig ist, um die Erderwärmung zu begrenzen. Wie wiwo.de berichtet, hat das Berliner Start-up NeoCarbon dafür eine vielversprechende Lösung entwickelt, die bestehende Infrastruktur nutzt.

Klimagas aus der Luft filtern

Die Gründer von NeoCarbon setzen auf das sogenannte „Direct Air Capturing“, bei dem CO2 direkt aus der Luft gefiltert wird. Im Gegensatz zur Aufforstung mit Bäumen benötigt dieses Verfahren deutlich weniger Fläche und kommt ohne den Einsatz großer Mengen an Biomasse aus. Allerdings ist der Energiebedarf aktuell noch hoch und die Kosten liegen bei mehreren Hundert Euro pro Tonne gefiltertem CO2.

Das Prinzip ist einfach: Luft wird durch eine Box geblasen, in der sich eine ungiftige, feste Chemikalie befindet, an der das CO2 haften bleibt. Nach etwa zwei Stunden ist das Material gesättigt und wird auf 95 Grad Celsius erhitzt, um das Kohlendioxid abzuspalten.

Supermärkte als CO2-Staubsauger

Doch NeoCarbon geht noch einen Schritt weiter. Die Gründer haben erkannt, dass sich durch die Nutzung bestehender Infrastruktur weitere Einsparungen erzielen lassen. Erste Anlagen für das Direct Air Capturing benötigen teure Fundamente, Heizsysteme und leistungsstarke Ventilatoren. All das ist in Supermärkten bereits vorhanden.

Die großen Klimaanlagen und die Abwärme der Kühlschränke bieten ideale Voraussetzungen für den Einsatz der CO2-Filter. Je höher die Lufttemperatur, desto geringer sind die Kosten für die Filterung. NeoCarbon plant, die Kosten auf 140 bis 161 Euro pro Tonne CO2 zu senken.

Pilotprojekt startet in Berliner Supermarkt

In Zusammenarbeit mit der Immobilieninvestmentgruppe Greenman will NeoCarbon im nächsten Jahr den ersten CO2-Filter in einem Berliner Supermarkt in Betrieb nehmen. Die kompakte Anlage passt in einen Container und besteht aus zwei Reaktoren, die abwechselnd Kohlendioxid aufnehmen und in konzentrierter Form abführen.

Zwar wird die Pilotanlage zunächst nur fünf Tonnen CO2 pro Jahr aus der Luft holen, doch das Potenzial ist enorm. Weltweit gibt es unzählige Gewerbeimmobilien und Industriebetriebe mit ungenutzter Abwärme, die sich für dezentrale CO2-Staubsauger eignen würden. NeoCarbon schätzt, dass damit jährlich 1,3 Milliarden Tonnen Kohlendioxid aus der Atmosphäre entfernt werden könnten.

Herausforderungen von Direct Air Capturing

Für Unternehmen, die bisher für ihre CO2-Emissionen zahlen müssen, könnte sich Direct Air Capturing als attraktive Option erweisen, um ihre Klimabilanz auszugleichen. Auch der Verkauf des gewonnenen Kohlendioxids als Rohstoff, beispielsweise an Raffinerien zur Herstellung von synthetischem Kerosin, eröffnet neue Geschäftsmodelle. Allerdings müsste dafür erst eine effiziente Logistik aufgebaut werden, um das Klimagas von den dezentralen Filteranlagen abzutransportieren.

Auch wenn die Technologie noch ganz am Anfang steht und die ehrgeizigen Kostenziele von NeoCarbon sich erst in der Praxis beweisen müssen, arbeiten weltweit Unternehmen und Forscher mit Hochdruck daran, Direct Air Capturing wirtschaftlich zu machen. Denn eines ist klar: Im Kampf gegen den Klimawandel führt kein Weg daran vorbei, der Atmosphäre aktiv CO2 zu entziehen. Innovative Ansätze wie jener von NeoCarbon können dazu einen wertvollen Beitrag leisten.

Von Kai Gosejohann