Analyse von Ulrich Reitz - Bad Oeynhausen wird bei der Migration in Deutschland jetzt zum Gamechanger

Philippos wollte mit seiner Schwester ihren Schulabschluss feiern. Eine Gruppe prügelte ihn ins Koma.<span class="copyright">Niklas Golitschek</span>
Philippos wollte mit seiner Schwester ihren Schulabschluss feiern. Eine Gruppe prügelte ihn ins Koma.Niklas Golitschek

Der Mord von Bad Oeynhausen im Bundestag – eine schauerliche Tat, verübt von einem Asylbewerber und Intensivtäter, wird zum politischen Gamechanger. Allerdings nicht für alle.

Ein syrischer Asylbewerber, der mit 14 Jahren nach Deutschland kommt und mit 18 Jahren schon Intensivtäter geworden ist, bringt einen jungen Mann mit Migrationshintergrund im bis dahin beschaulichen Bad Oeynhausen um. Und jetzt?

Die Angehörigen von Philippos T. bitten darum, dessen Tod nicht zu instrumentalisieren – vor allem nicht durch die AfD, mit der sie nichts zu schaffen haben wollen. Im Bundestag werden deren entsprechenden Aussagen immer wieder zitiert – und gegen die AfD gewendet und gegen die CDU. Damit tun Politiker von SPD und Grünen genau das:

Sie instrumentalisieren den Mord an Philippos T. – indem sie seinen Fall benutzen, um vor einer härteren Asylpolitik zu warnen. Die Worthülsen dazu: „Gemeinsam innehalten“, „bevor wir reflexhaft reagieren“, „wir dürfen uns nicht spalten lassen“. So Lars Castellucci von der SPD.

Es gehe darum, durch Prävention „Gewalt zu verhindern, bevor sie entsteht“

Es gebe jetzt Stimmen, die Trauer und Angst ausnutzten, „um Hetze zu betreiben“. Die Familie von Philippos T. wolle nicht, dass sein Tod instrumentalisiert werde – „dem müssen wir hier alle gerecht werden“. Es gehe darum, durch Prävention „Gewalt zu verhindern, bevor sie entsteht“. So die Grüne Schahina Gambir, selbst als Flüchtling aus Afghanistan gekommen. Eine naheliegende Frage, die niemand im Bundestag ihr stellte:

Weshalb müssten „wir alle“ darauf verzichten, den Tod des Opfers zu instrumentalisieren – wünscht sich die Grüne ein Debattenverbot – diesmal aus Pietät? Und damit nicht die Position ihrer Parteifreundin Annalena Baerbock infrage gestellt wird, mit den Taliban über ein Abschiebe-Abkommen zu verhandeln, was später ein Landes-Innenminister auf die Tagesordnung setzen wird?

„Misstrauen in die Justiz kann ich nicht verstehen.“ Sagt von und für die SPD deren rechtspolitische Sprecherin. Sonja Eichwede ist selbst Richterin. Aber weshalb sollte Misstrauen gegen eine Justiz denn nicht angebracht sein – die es, was eine Unionspolitikerin am Schluss sagt, nicht geschafft habe, den syrischen Intensivtäter auch nur wegen einer einzigen seiner vielen Straftaten zu verurteilen?

Von der Linken spricht im Bundestag Gökay Akbulut. Sie sagt, die Flüchtlingsbeauftragten der beiden christlichen Kirchen seien gegen mehr Abschiebungen. Sie sagt auch, „noch mehr Abschiebungen“ führten nicht „automatisch zu mehr Sicherheit“. Spätestens nach diesem Satz kann man verstehen, weshalb es unausweichlich war, dass Sahra Wagenknecht diese Linkspartei verließ, um eine eigene, „linkskonservative“ Partei aufzumachen, die inzwischen die Linkspartei weit hinter sich gelassen hat. Der Löwenanteil der Wagenknecht-Anhänger wünscht sich eine harte Anti-Migrationspolitik – es liegt auch auf der Hand: es sind gerade die kleinen Leute, die sich von der zunehmenden Migrantengewalt bedroht sehen.

„Migration ist zu einer echten Gefahr für unsere Sicherheit geworden“

Nina Warken kommt aus der Mitte der CDU, mit Kritik an Angela Merkel ist sie bislang nicht aufgefallen. Aber mit den vielen Messer-Attentaten und den vielen Vergewaltigungen, längst polizeilich dokumentiert, hat sich eben auch die „Wir-schaffen-das“-Illusion der damaligen Kanzlerin als Illusion entpuppt. Heute sagt Warken, die Parlamentarische Geschäftsführerin ist, im Bundestag diesen gnadenlosen Satz: „Migration ist zu einer echten Gefahr für unsere Sicherheit geworden.“

Die passenden Zahlen hat dazu, nicht zum ersten Mal, der AfD-Innenpolitiker Bernd Baumann beigesteuert: 9000 Messerangriffe gibt es inzwischen im Jahr, ergo 25 pro Tag. Und seit 2017 so viele Vergewaltigungen „wie seit dem Russeneinmarsch 1945“ nicht mehr: 52000. Die AfD wendet diese Zahlen gegen die CDU, womit sie den Christdemokraten gerade im Osten Deutschlands in den drei Landtagswahlen das Leben schwer macht. Es „sind ihre Mörder, ihre Vergewaltiger“, ruft Baumann Richtung CDU. An dieser Stelle hätte man durchaus auch einen Ordnungsruf geben können. Baumanns Rede macht jedenfalls einmal mehr klar, wer der Hauptgegner der AfD ist – nicht die Ampel, sondern die Union. Wenn Friedrich Merz nach der Bundestagswahl eine Koalition mit SPD oder Grünen eingehe, werde die CDU verschwinden. „Und das ist auch gut so.“

FDP-Fraktions-Vize: Asyl-Migration habe Deutschland Problem beschert

Bemerkenswertes kommt vom liberalen Ampel-Koalitionspartner. Die Asyl-Migration habe Deutschland ein Problem beschert – „mit extrem gewaltbereiten jungen Männern“, die nicht nur keinen Respekt vor dem Rechtsstaat hätten, sondern auch noch ein „problematisches Verständnis von der eigenen Männlichkeit“ an den Tag legten. Das sagt der FDP-Fraktions-Vize Konstantin Kuhle. Das ist nicht der einzige interessante Satz von ihm, dem Ampel-Mann.

Kuhle findet es problematisch, im Fall des syrischen Täters von gescheiterter Integration zu reden, denn „abgelehnte Asylbewerber sollten eigentlich gar nicht in Deutschland sein“. Das trifft den für die Bundesregierung durchaus unangenehmen Teil der migrantischen Realität, auf den Punkt bringt ihn später Sachsens Innenminister Schuster:

Sachsens Innenminister fordert: Bundesaufnahmeprogramm für Afghanen „sofort einstellen“

Nötig sei ein „Asylstopp“, der auch möglich sei, und zwar durch Grenzkontrollen und „Zurückweisungen nach der Drittstaatenregelung“. Als langjähriger politischer Beobachter hat man noch gut im Ohr, wie Angela Merkel den Schutz der deutschen Grenze damals für ein Ding der Unmöglichkeit erklärte. Die Bayern hätten gezeigt, wie es ginge, sagt heute Schuster. Es ist ein hartes Dementi der damaligen Kanzlerinnen-Behauptung.

„Syrer, Afghanen, Maghrebiner.“ Von der Union werden inzwischen auch ungeschminkt die Haupt-Tätergruppen benannt. Das geht noch über die Feststellung der Berliner Polizeipräsidentin Slowik hinaus, die kühl gesagt hatte, die Gewalt sei „jung, männlich und nicht-deutsch“.

Der Innenminister Schuster spricht inzwischen für die meisten Landes-Innenminister, wenn er nun im Bundestag fordert, was bislang der grünen Außenministerin nicht in den Sinn kommen will: das Bundesaufnahmeprogramm für Afghanen „sofort einstellen“, ebenso wie den Familiennachzug nur „subsidiär“ Geschützter. Annalena Baerbock sagt bisher, man könne doch nicht mit den Taliban verhandeln. Hält sie die Gefahr, die von afghanischen Tätern ausgeht in Deutschland wirklich für geringer als die mögliche diplomatische Aufwertung der Steinzeit-Islamisten in Kabul?

Der Tod von Philippos T. ist zu einem „Gamechanger“ in der politischen Debatte geworden

Fazit: Der Tod von Philippos T. ist zu einem „Gamechanger“ in der politischen Debatte geworden. Den einen Migranten-Mord zu viel. So sieht es die politische Mitte, so sehen es die Union, und aus der Bundesregierung sieht es auch die FDP so. Für die Union ist die Ära Merkel spätestens mit diesem Fall passé, sie nimmt auch rhetorisch keine Rücksicht mehr. Was nicht nur angesichts der Versuche der AfD, die Jahre 2015/2016 für sich auszuschlachten, allzu nachvollziehbar ist.

Inzwischen hat sich viel in Deutschland geändert. Die Sicherheitswahrnehmung ist zu einer Unsicherheitswahrnehmung geworden. Und der Versuch von SPD und Grünen, mehr Einwanderung als Lösung für Deutschlands demographische Probleme zu „framen“, kommt in der Bevölkerung ausweislich aller Umfragen nicht mehr an.

Was war – und ist – der Fehler der Ampel? Zwischen der – gewünschten – Einwanderung im deutschen Interesse und der – ungewünschten – Einwanderung von Migranten in Sozialsysteme und Kriminalitäts-Statistiken nicht klar zu unterscheiden.

Die Bevölkerung kennt inzwischen den Unterschied.