Analyse von Ulrich Reitz - Faeser will mehr Migranten zu Beamten machen - die AfD freut sich

Man fragt sich, welcher gesellschaftliche Missstand den politischen Erwägungen Faesers zugrunde liegt.<span class="copyright">Kay Nietfeld/dpa</span>
Man fragt sich, welcher gesellschaftliche Missstand den politischen Erwägungen Faesers zugrunde liegt.Kay Nietfeld/dpa

Nancy Faesers Idee, mehr Migranten in den öffentlichen Dienst zu holen, zeigt die Gefahren der linken Identitätspolitik. Die AfD freut sich.

Nancy Faeser hat das Grundgesetz ständig unter dem Arm, denn die Sozialdemokratin ist eine von zwei Verfassungsministern im Kabinett von Olaf Scholz (der andere ist Bundesjustizminister Marco Buschmann von den Liberalen). Also wird man der Bundesinnenministerin auch mit dem Artikel 33 des Grundgesetzes kommen dürfen, wo in Absatz zwei über das Beamtentum in Deutschland Folgendes steht:

„Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.“

Die vielen Verfassungsväter und wenigen Verfassungsmütter hatten 1948/49 noch keine Ahnung von Quoten nach Geschlecht oder nach anderen Persönlichkeitsmerkmalen wie der Biografie. Sie gingen ganz einfach davon aus, dass, wer im Öffentlichen Dienst sein Werk am Volk verrichtet, dazu in der Lage sein muss, persönlich – sonst stünde da nichts von „Eignung“ – und der Sache nach – sonst stünde da nichts von „fachlich“.

Sind diese Zeiten jetzt vorbei?

Faeser und Migranten im Öffentlichen Dienst: Man fragt sich, welcher Missstand behoben werden soll

Bestimmte gesellschaftliche Gruppen bei der Einstellung im Öffentlichen Dienst zu bevorzugen, weil sie einer Gruppe angehören, die die Politik fördern will, ist heikel. Antidiskriminierungsgesetze verhindern die Benachteiligung bestimmter Gruppen – und regeln etwa, dass Schwerbehinderte zu Bewerbungsgesprächen eingeladen werden müssen. Was sie nicht regeln, ist auch klar:

Bei gleicher Qualifikation dürfen etwa Frauen bei Beförderungen von Beamten nicht bevorzugt werden, denn das käme einer Diskriminierung von Männern gleich. So wäre es auch bei einer bevorzugten Einstellung von Migranten – es könnte auf eine Benachteiligung für Nicht-Migranten hinauslaufen.

Das ist einer der Gründe dafür, weshalb in den sozialen Netzwerken die Stimmung gegen die Ministerin Faeser kurzfristig auf den Siedepunkt stieg, nachdem erste Ideen bekannt wurden.

Man fragt sich auch, welcher gesellschaftliche Missstand den politischen Erwägungen Faesers zugrunde liegt. Zum Beispiel Berlin: In der Bundeshauptstadt hat inzwischen jeder dritte Polizist einen Migrationshintergrund, was auch, angesichts der Zusammensetzung der Stadtbevölkerung, sinnvoll ist. Berlin liegt mit seinem polizeilichen Migrantenanteil deutschlandweit an der Spitze – aber die diesbezüglichen Zahlen steigen in allen Bundesländern – auch in Bayern.

Ein alter rot-grüner Gedanke ist Kern des „Bundespartizipationsgesetzes“

Was sich allerdings, ausweislich von Polizeiforschern, nicht bestätigt hat, ist die linke Erwartung oder Hoffnung, dass etwa ein türkischstämmiger Polizist einem türkischstämmigen Kriminellen mehr Verständnis entgegenbringt als ein Polizist deutscher Herkunft. Was man als Staatsbürger auch nur begrüßen kann.

Außerdem herrscht Facharbeitermangel überall – auch bei der Polizei. Dort sind migrantische Beamtenanwärter ohnehin gefragt – weshalb sollte man deren Einstellung mit einem eigenen Gesetz dann auch noch fördern?

Der – parteipolitische – Grund dafür steckt im Namen von Faesers Idee: „Bundespartizipationsgesetz“. Dahinter steckt ein alter rot-grüner Gedanke: Dass Vertreter gesellschaftlicher Gruppen gemäß ihrem prozentualen Anteil in der Bevölkerung repräsentiert sein müssten – auch und gerade im Staatsdienst.

Das führt zu einem grundsätzlichen Einwand gegen die Idee: Ein Beamter ist dem Gemeinwohl verpflichtet. Ein schwarzer Steuerbeamter würde gegen seinen Amtseid verstoßen, wenn er schwarze Steuerhinterzieher bevorzugen würde. Ein weißer Finanzbeamter würde gleichfalls gegen seinen Amtseid verstoßen, wenn er weiße Steuerhinterzieher bevorzugen würde – und schwarze benachteiligen.

Wer Migranten aus Prinzip bevorzugen will, geht ein erhebliches Verfassungsrisiko ein

Woraus sich ein allgemeiner Grundsatz über das Gemeinwesen und den Gedanken der Repräsentation ableiten lässt: Die Demokratie besteht nicht in der Abbildung aller möglichen Gruppen in Staat und Regierung. Das Geschlecht oder die Herkunft dürfen – aus guten Gründen – nicht wichtiger sein für die Berufung oder Beförderung von Staatsdienern; wichtiger als deren Leistung. Oder anders, positiv formuliert:

Wer hoheitliche Aufgaben übernimmt, repräsentiert dabei die gesamte Bevölkerung – und nicht bestimmte Gruppen, die immer nur einen Teil der Gesellschaft ausmachen. So steht es nicht nur im Beamtengesetz, sondern so sieht es auch die Europäische Rechtsprechung.

Was bedeutet: Wer Migranten aus Prinzip bevorzugen will, geht ein erhebliches Verfassungsrisiko ein. Einmal abgesehen von politischen Fallstricken: Die Migrationspolitik dieser Bundesregierung ist ein Grund für deren beachtlichen Vertrauensverlust in der Bevölkerung. Die Zahl der Einbürgerungen wird in diesem Jahr steigen, haben Nachfragen in den Bundesländern ergeben. Das ist ein von der Bundesregierung beabsichtigter Effekt ihrer Gesetzgebung zur erleichterten Einbürgerung. Populär ist das allerdings nicht.

Folgt auf die Migrantenquote als Nächstes eine Trans-Quote für die LGBTQ -Community?

Schließlich: Was wird eigentlich als Nächstes kommen? Denn: Wer der einen mutmaßlich benachteiligten Gruppe einen Vorteil gewährt, wird diesen der nächsten mutmaßlich benachteiligten Gruppe kaum verweigern können, also: Folgt auf die Migrantenquote im Öffentlichen Dienst als Nächstes eine Trans-Quote für die LGBTQ-Community?

Faeser möchte Migranten nicht nur bei Stellenausschreibungen bevorzugen – sondern auch Erfolgs- oder Misserfolgsberichte darüber verfassen lassen. Damit untergräbt sie den im Grundgesetz festgeschriebenen Vorrang von Kompetenz bei der Berufung in den Öffentlichen Dienst.

Faesers Chef, Bundeskanzler Olaf Scholz, hat nach seinem Treffen mit dem argentinischen Regierungschef Javier Milei erklären lassen, welche Botschaft er dem radikal-liberal-konservativen Kollegen aus Südamerika, der gerade die dortige Staatsverliebtheit abschafft, mit auf den Weg gab: „Gesellschaftlicher Zusammenhalt“ müsse ein wichtiger Maßstab des Regierungshandelns sein.

Wie der im Vergleich zu Scholz wesentlich beliebtere Milei auf die Belehrungen seines deutschen Kollegen reagierte, ist einstweilen nicht überliefert. Aber: Ob ausgerechnet Faesers Gesetzesvorhaben ein Beitrag zum „gesellschaftlichen Zusammenhalt“ ist?

Womöglich sind die Deutschen im Kopf auch längst „diverser“, als Faeser meint

Schon freut sich jedenfalls die AfD über diesen erneuten Rückfall der Ampelregierung in linke Identitätspolitik: Deutsche ohne Migrationshintergrund würden zu Bürgern „zweiter Klasse“ gemacht. Die AfD lebt von der Spaltung der Gesellschaft, es ist ihr auf Polarisierung beruhendes Geschäftsprinzip. Aber Politiker der beiden linken Ampelpolitiker liefern der Partei regelmäßig die Vorlagen – zuletzt die Bundestags-Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt („stellt euch kurz vor, da wären nur weiße deutsche Spieler“). Was als Antidiskriminierung gedacht ist, entpuppt sich dann als spezifisch linke Form der Diskriminierung.

Die Förderung von gesellschaftlichem Zusammenhalt sieht jedenfalls anders aus. Womöglich sind die Deutschen im Kopf auch längst „diverser“, als Faeser meint. Ein Gedanke, der allerdings einer staatlich verordneten Diversitätspolitik, einem linken Lieblingsprojekt, den Boden entziehen würde. Wobei: Was Faeser vorhat, steht im Koalitionsvertrag der Ampel.