Bewohner erzählen von Problemen - Von Kindern verprügelt: Auch das Opfer fiel in Gera schon mit Gewalttaten auf

Das Video eines Angriffs von sehr jungen Tätern auf einen Jugendlichen lenkt die Blicke nach Gera. Anwohner sorgen sich um das Zusammenleben in dem betroffenen Viertel.

Das Video hat bundesweit Entsetzen ausgelöst und auch in Gera für Kopfschütteln gesorgt: Mehrere Jugendliche prügeln auf einen Jungen ein, der auf einer Parkbank sitzt und sich nur schützend die Arme vor das Gesicht hält. Die vier Haupttäter sind 12 und 13 Jahre alt. Die Gruppe, insgesamt geht es um 20 Beteiligte, filmt die Tat, später landet sie im Internet. Doch könnte es nur einen Teil der Wahrheit zeigen, vermuten Anwohner im Geraer Stadtteil Bieblach, wo sich die Tat vergangene Woche ereignete.

„Diese zwei Knirpse sind auch nicht ohne“

Ein Hausmeister und eine Anwohnerin sagen im Gespräch mit FOCUS online, dass sie das Opfer in dem Video erkennen. Der Junge sei oft mit einem Freund unterwegs: „Diese zwei Knirpse sind auch nicht ohne“, merkt der Hausmeister an. Die Gewalt gegen den 14-Jährigen sei in keiner Weise gerechtfertigt. In der Vergangenheit sei allerdings auch er schon negativ aufgefallen.

Eine Scheibe, die das Opfer von Gera zerstört haben soll<span class="copyright">Golitschek</span>
Eine Scheibe, die das Opfer von Gera zerstört haben sollGolitschek

Einen älteren Mann habe der nun Angegriffene erst kürzlich mit einem Stein beworfen und verfehlt – die Scheibe an der Eingangstür sei deshalb zersplittert, erzählt die Anwohnerin. Von ihm und einem Freund sei sie auch selbst schon bei einem Supermarkt nach einer Zigarette gefragt worden, anschließend hätten sie versucht, ihre Handtasche zu klauen. Einem anderen Mann habe der Jugendliche eine Flasche in den Rücken geworfen. „Ich gehe ihm aus dem Weg“, sagt die Anwohnerin deutlich.

Polizei ermittelt zum Fall in Gera

Was genau den zu dem Angriff geführt hat, ist noch Gegenstand der Ermittlungen. Die Polizei vermutet, dass eine Rivalität verschiedener Nationalitäten ursächlich sein könnte – bei den Angreifern handelte es sich um syrische und afghanische Jugendliche, das Opfer ist Deutscher.

Dazu passt auch eine Polizeimeldung von Mitte Juni: Vier deutsche Jugendliche wurden von drei Jugendlichen, syrischer und iranischer Nationalität, angegriffen. Hat Gera also ein größeres Problem mit Jugendkriminalität? „Wir sind uns anderer Vorfälle bewusst und prüfen Zusammenhänge“, sagt ein Sprecher auf Anfrage von FOCUS online. Priorität habe nun neben den Ermittlungen die erzieherische und präventive Arbeit der Jugendstation, um ganzheitlich auf die Kinder einzuwirken.

Für eine Gruppe von Hausmeistern in Bieblach bestätigt sich damit einmal mehr, was sie schon länger denken: Das Zusammenleben verschiedener Nationen funktioniert hier nicht. „Das wird jetzt noch schlimmer, weil die Ukrainer kommen“, vermutet einer. Seit 2015 seien immer mehr Geflüchtete ins Quartier gezogen, die Probleme hätten zugenommen. „Polizei und Ordnungsamt sind oft hier“, sagt ein anderer Hausmeister.

Problemfälle überschatten das Gesamtbild

Zwar hätten sich viele der Zugewanderten mittlerweile gut eingelebt, arbeiteten etwa in der Logistik. Auch die eingangs erwähnte Anwohnerin betont, dass sie in ihrem Haus zu Bewohnern verschiedener Nationalitäten ein gutes Verhältnis pflege. Doch die Problemfälle überschatten das Gesamtbild. Erst im März waren zwei mutmaßliche IS-Mitglieder in Gera wegen möglicher Anschlagspläne festgenommen worden.

Nun erzählen sie von Gerüchten, dass sich inzwischen Jugendgangs gebildet hätten, die „Gebiete“ für sich „absteckten“. „Das ist bestimmt kein Einzelfall“, sagt einer der Hausmeister über den jüngsten Angriff und merkt an: „Wenn das mein Sohn wäre, würde ich durchdrehen.“

Hier in Gera geschah die verstörende Tat<span class="copyright">Golitschek</span>
Hier in Gera geschah die verstörende TatGolitschek

Ein Objektbetreuer erzählt, dass teilweise schon Sicherheitsdienste für die Quartiere engagiert würden; allerdings nicht rund um die Uhr. „Das Problem ist, dass viele nur ein oder zwei Jahre bleiben“, sagt er über die zugezogenen Asylbewerber. Gera biete schlicht nicht die Struktur und Arbeitsmöglichkeiten wie Großstädte. „Wir probieren zu helfen, aber das ist ein politisches Problem. Das Zusammenleben ist nicht einfach und ich weiß nicht, ob sich das noch fügen wird“, sorgt er sich um das Viertel.

Die Strukturschwäche sieht auch ein Anwohner, gebürtiger Afghane, als Faktor. „Das ist eine vergessene Ecke“, sagt er über den Stadtteil. In einer Straße lebten vorwiegend Deutsche mit wenig Einkommen, in der nächsten Ausländer, die eigentlich lieber in die Großstadt ziehen würden. „Dass sich Amazon angesiedelt hat, hat gut getan“, spricht er von einer positiven Entwicklung durch die neu geschaffenen Arbeitsplätze, die für viele Flüchtlinge attraktiv seien. Nur abseits davon gebe es eben nicht viel. „Gera hat wenige Möglichkeiten, um Fuß zu fassen. Deswegen gehen viele weiter.“ Doch das Video, die rohe Gewalt, habe ihn schockiert. Er erlebe die Nachbarschaft sonst als eher ruhig.