Vor Nato-Treffen: Biden und Scholz in Waffendebatte unter Druck

Vor dem Treffen der Nato-Außenminister in Prag hat der mögliche Einsatz vom Westen gelieferter Waffen durch die Ukraine auf russischem Staatsgebiet die Debatte bestimmt. Russland warf der Nato vor, die Ukraine zur Fortsetzung des Kriegs "anzutreiben". (Vadim Ghirda)
Vor dem Treffen der Nato-Außenminister in Prag hat der mögliche Einsatz vom Westen gelieferter Waffen durch die Ukraine auf russischem Staatsgebiet die Debatte bestimmt. Russland warf der Nato vor, die Ukraine zur Fortsetzung des Kriegs "anzutreiben". (Vadim Ghirda)

US-Präsident Joe Biden und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) geraten zunehmend unter Druck, der Ukraine den Einsatz westlicher Waffen gegen russische Ziele zu erlauben. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg appellierte vor einem Außenministertreffen in Prag erneut an alle Verbündeten, Beschränkungen aufzuheben. US-Außenminister Antony Blinken hatte der Ukraine zuvor eine mögliche "Anpassung" der Vorgaben in Aussicht gestellt, Biden lehnt dies bisher jedoch ab.

Stoltenberg sagte in Prag: "Das Recht auf Selbstverteidigung schließt den Angriff auf militärische Ziele ein, auf legitime militärische Ziele außerhalb der Ukraine." Zuvor hatte er argumentiert, den ukrainischen Truppen seien "die Hände gebunden", wenn sie keine Stellungen auf russischem Territorium angreifen könnten. Er verwies auf die Kämpfe in der Region Charkiw, die an der russischen Grenze liegt.

US-Chefdiplomat Blinken war am Mittwoch in Moldau von einem Journalisten gefragt worden, ob er die bislang gültigen Beschränkungen für den Einsatz von US-Waffen auf russischem Staatsgebiet befürworte. Darauf antwortete er: "Bei jedem Schritt auf dem Weg haben wir uns angepasst und nach Bedarf umgestellt. Und genau das werden wir auch in Zukunft tun." Medien zufolge drängt Blinken Biden zum Einlenken.

Nach Frankreich schlossen sich auch Norwegen und Tschechien dem Appell Stoltenbergs an. In Oslo sagte der norwegische Außenminister Espen Barth Eide, die Ukraine könne nicht "mit einer Hand auf den Rücken gebunden" kämpfen. Ähnlich äußerte sich der tschechische Außenminister Jan Lipavsky. Er äußerte allerdings Verständnis für die Bedenken in Berlin und Washington. "Es gibt Waffensysteme, die sehr weitreichend sind", betonte er.

In Deutschland stellten sich Bundestagsabgeordnete unter anderem von Union und SPD ebenfalls hinter die Stoltenberg-Forderung. Bundeskanzler Scholz äußert sich in dieser Frage jedoch weiterhin zurückhaltend und betont, er wolle verhindern, dass es "zu einem Krieg zwischen Russland und der Nato kommt".

Russland reagierte auf die Debatte erneut mit Vorwürfen in Richtung der Nato-Staaten. Diese seien "mit Absicht" in "eine neue Runde der Eskalation der Spannungen eingetreten", sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. "Sie treiben die Ukraine auf jede erdenkliche Art und Weise dazu an, diesen sinnlosen Krieg fortzusetzen." Dies werde "letztlich zu Lasten derjenigen Länder gehen, die den Weg der Eskalation eingeschlagen haben".

Die Nato-Außenminister beraten ab Donnerstagabend in Prag über die weitere Unterstützung der Ukraine. Sie kommen auf der Prager Burg zunächst zu einem informellen Abendessen zusammen. Am Freitag werden die Gespräche fortgesetzt.

Die Nato-Mitgliedstaaten wollen bis zum Gipfeltreffen in Washington im Juli ein weiteres Ukraine-Hilfspaket schnüren. Kiew fordert sieben Patriot-Luftabwehrsysteme. Deutschland hat eines zugesagt. Wie viele weitere zusammenkommen, ist unklar.

"Die Ukraine kann sich immer noch durchsetzen - aber nur, wenn sie von den Nato-Verbündeten weiterhin robust unterstützt wird", sagte Stoltenberg.

Diskutiert wird auch eine stärkere Rolle der Nato bei der Koordinierung der Hilfe. Bisher organisieren die USA in der sogenannten Ramstein-Gruppe die Militärhilfe der Verbündeten. Mit dem Übertragen dieser Rolle auf die Nato soll dies von politischen Entwicklungen in den USA unabhängig gemacht werden. Dies gilt laut Diplomaten insbesondere im Fall eines Wahlsiegs von Ex-Präsident Donald Trump im November.

lob/ju