Darm-Expertin Axt-Gadermann - Ein gesunder Darm lässt uns lange leben - und macht uns hübsch

Jungbrunnen Darm: Gute Bakterien glätten Falten und lassen die Haut strahlen<span class="copyright">Getty Images/Science Photo Libra/THOM LEACH / SCIENCE PHOTO LIBRARY/ deniskomarov/ svetikd</span>
Jungbrunnen Darm: Gute Bakterien glätten Falten und lassen die Haut strahlenGetty Images/Science Photo Libra/THOM LEACH / SCIENCE PHOTO LIBRARY/ deniskomarov/ svetikd

Wie gut es unserem Darm geht, beeinflusst maßgeblich unserer Gesundheit, unser Alter und die Attraktivität, sagt Darm-Expertin Michaela Axt-Gadermann. Sie verrät, was im Mikrobiom der fitten Hundertjährigen zu finden ist, warum unser Mikrobiom uns schöner machen kann und wie wir das beeinflussen.

Was haben Darmbakterien mit unserer Attraktivität zu tun?

Ein gesundes Mikrobiom ist eine wichtige Voraussetzung für unsere Gesamtgesundheit. Ist das Mikrobiom vielfältig und artenreich, dann bildet es zahlreiche Stoffwechselprodukte, die nicht nur für Gesundheit und Wohlbefinden sorgen, sondern auch Alterungsvorgänge verzögern, Hautkrankheiten lindern und unsere Haut zum Strahlen bringen können.

Das Mikrobiom ist nämlich in der Lage, Substanzen zu produzieren, die wir eher in der Gesichtspflege oder in Lifestyleprodukten vermuten würden. Hyaluronsäure, Ceramide, Milchsäure und UV-Schutz-Faktoren werden von der Kosmetikindustrie eingesetzt, um die Hautalterung zu verzögern, Falten aufzupolstern und den Teint zum Strahlen zu bringen. Diese Beautyelixiere kann aber auch die gesunde Darmflora herstellen und uns damit ganz nebenbei hübscher und optisch jünger machen. Das konnte inzwischen auch wissenschaftlich bewiesen werden.

In einer koreanischen Studie erhielten die Probanden drei Monate lang entweder eine Nahrungsergänzung mit dem Milchsäurebakterium Lactobacillus plantarum oder ein Plazebo. Allein durch die Einnahme dieses probiotischen Keims verbesserte sich die Feuchtigkeitsversorgung der Haut deutlich, die Hautelastizität stieg um mehr als 20 Prozent an. Und nach zwölf Wochen hatten die Teilnehmer messbar weniger Falten, während sich in der Plazebogruppe der Hautzustand nicht veränderte.

Andere probiotische Bakterien sind in der Lage, sensible Haut weniger empfindlich zu machen, Akne zu bessern oder Kopfschuppen zu beseitigen. Manche Probiotika können UV-Schutz der Haut verbessern oder Antioxidantien produzieren.

Menschen mit hohen Antioxidantienspiegel im Blut und in der Haut sehen oft jünger aus und haben weniger Falten, das konnten unter anderem Forschergruppen der Berliner Charité zeigen. Antioxidantien nehmen wir nicht nur mit Obst und Gemüse zu uns, auch Bakterien im Darm können diese bilden.

Nahmen gesunde Freiwillige, Leistungssportler oder Personen mit Allergien Bakterienstämme wie Lactobacillus casei, Lactobacillus rhamnosus oder Lactobacillus fermentum ein, stieg das antioxidative Potential im Blut und in der Haut deutlich an.

Wie hängen die Gesundheit von Haut und Darm zusammen?

Hier gibt es tatsächlich eine enge Verbindung. Man spricht sogar von der „Darm-Haut-Achse“. Je nachdem, wie das Mikrobiom zusammengesetzt ist, werden unterschiedliche Metaboliten produziert, die ins Blut abgegeben werden und auf diese Weise zu jedem Organ und auch zur Haut gelangen.

Diese Stoffwechselprodukte des Mikrobioms können den Hautzustand verbessern oder auch Entzündungen, Pickel und Ekzeme verursachen. Es gilt als sicher, dass bei einer Vielzahl von Hautkrankheiten sowohl das Darm- als auch das Hautmikrobiom deutlich verändert ist. Daraus können sich zusätzliche therapeutische Ansatzpunkte ergeben. So leidet die Mehrzahl der Aknepatienten unter deutlichen Darmproblemen wie Stuhlunregelmäßigkeiten, Blähungen, Mundgeruch oder Sodbrennen. Und bei den meisten lassen sich auch Veränderungen des Mikrobioms nachweisen, die unter anderem Entzündungen begünstigen.

Studien belegen sehr gut, dass die längerfristige Einnahme probiotischer Bakterien - alleine oder in Kombination mit anderen Therapien – wirksam ist. Bei Patienten, die zusätzlich zur Antibiotikabehandlung auch Probiotika einnahmen, besserte sich die Haut schneller als bei den Studienteilnehmern, die nur Antibiotika erhielten. Und auch die Antibiotika-Nebenwirkungen waren geringer.

 

Auch bei anderen Hauterkrankungen sind Zusammenhänge mit dem Darmmikrobiom bekannt. Anhand einer Mikrobiom-Analyse lässt sich bei Säuglingen das Risiko für Allergien und Neurodermitis abschätzen. Das Risiko war in Studien erhöht, wenn die Babys unter anderem zu viele E. coli Bakterien und Clostridien im Stuhl aufwiesen, ihnen aber Lactobazillen und Bifidobakterien fehlten. Nahmen Frauen während des letzten Schwangerschaftsdrittels und während der Stillzeit probiotische Bakterien ein, verringerte sich das Neurodermitisrisiko der Kindern bis zur Schulzeit.

Sie sagen, eine junge Darmflora verlängert das Leben? Was ist darüber bekannt?

Die Erkenntnisse über unser Mikrobiom als potentieller Alterungsbeschleuniger oder auch als „Anti-Aging-Mittel“- je nachdem, wie gut es den Mikroorganismen in unserem Verdauungstrakt geht – sind noch recht neu, aber überaus interessant. Darmbakterien beeinflussen zahlreiche Vorgänge im Körper, vor allem auch solche, von denen bekannt ist, dass sie Alterungsvorgänge beschleunigen können: Entzündungen, hohe Blutzuckerspiegel, ein schwaches Immunsystem oder ein Rückgang der Hormonproduktion.

 

Senioren werden beispielsweise gebrechlicher und die Wahrscheinlichkeit, ins Altersheim zu kommen steigt, sobald die Darmflora Vielfalt und Artenreichtum verliert. Diese Eintönigkeit des Mikrobioms erhöht unter anderem das Risiko für Zuckerkrankheit, Übergewicht, chronische Entzündungen, abnehmende geistige Leistungsfähigkeit und Erkrankungen des Nervensystems wie Parkinson und Alzheimer. Nur ein fittes Mikrobiom ist in der Lage uns fit zu halten und gilt als Grundvoraussetzung für unsere Gesamtgesundheit.

Wissenschaftler des Kölner Max-Planck-Instituts für die Biologie des Alterns setzen gealterte Fische in ein Becken, in dem zuvor junge Fische geschwommen waren. Die alten Fische nahmen die Bakterien der jungen auf, die sich noch im Wasser befanden. Daraufhin bildeten sich Alterserscheinungen wie der Verlust der Farbe zurück. Mit dem „jungen“ Mikrobiom stieg auch die Lebenserwartung der Fische um 40 Prozent, verglichen mit Tieren, die nur mit gleichaltrigen Artgenossen zusammen lebten.

Studien zeigen, dass auch das Mikrobiom hochaltriger Menschen, die noch relativ fit und gesund sind, eher dem jüngerer Menschen gleicht als dem Gleichaltriger. Typisch für das Mikrobiom der fitten Senioren ist ein großer Artenreichtum des Mikrobioms. Bestimmte Bakterienstämme werden immer wieder mit einer guten körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit in Verbindung gebracht, vor allem eine hohe Anzahl an Butyrat bildenden Bakterien.

In Zwillingsstudien zeigte sich, dass der Geschwisterteil, der weniger Mikroorganismen mit der Bezeichnung „ Faecalbacterium prausnitzii “ besaß, messbar schneller alterte. Faecalbacterium prausnitzii ist einer der wichtigsten Butyratbildner im Darm. Eubacterium limnosum ist ein weiteres Bakterium das man oft in hoher Konzentration im Darm fitter Hochaltriger findet.

Welchen Einfluss haben wir auf unser Darmmikrobiom z.B. durch unsere Lebensgewohnheiten?

Unsere Lebensgewohnheiten spielen natürlich eine ganz wichtige Rolle für die Darmgesundheit. Dürfte man ein gesundes Mikrobiom nur mit einem Wort umschreiben, dann wäre es „Diversität“, also Artenreichtum.

Die Grundlage für ein vielfältiges Mikrobioms ist eine abwechslungsreiche, pflanzenbetonte Ernährung mit vielen Ballaststoffen. Von bestimmten Lebensmitteln weiß man, dass diese die Entwicklung des Mikrobioms besonders gut fördern. Dazu zählen zum Beispiel Hülsenfrüchte, Haferflocken, Leinsamen, Zwiebeln und Lauchgemüse, aber auch Kaffee, Mandeln, Nüsse, dunkle Schokolade oder Omega-3-Fettsäuren aus Fisch und Pflanzenölen.

Eine strenge Low Carb Ernährung ist fürs Mikrobiom nicht optimal, denn darin fehlen stärkehaltige Nahrungsmitte. Eine ausreichende Versorgung mit resistenter Stärke ist notwendig für die Butyratbildung. Butyrat ist Buttersäure und diese ist wichtig für die Versorgung des Darmepithels und wirkt entzündungshemmend. Im „Mikrobiom der fitten Hundertjährigen“ findet man regelmäßig eine große Anzahl von Bakterien, die resistente Stärke abbauen und daraus Buttersäure bilden.

Resistente Stärke ist ein Ballaststoff, der im oberen Verdauungstrakt nicht abgebaut werden kann und dadurch im Dickdarm dem Mikrobiom zur Verfügung steht. Dieser besondere Ballaststoff bildet sich beim Abkühlen stärkehaltiger Nahrungsmittel wie Nudeln, Reis, Kartoffeln oder Getreide(mehl). Sushi, Kartoffel- oder Nudelsalat sind demnach gute Quellen, um ausreichend resistente Stärke für die Butyratbildung aufzunehmen. Auch Bananen, die noch nicht ganz reif sind, liefern den wichtigen Ballaststoff.

Schlecht fürs Mikrobiom ist hingegen zu viel Hygiene. Unsere Darmflora ist darauf angewiesen, immer wieder Bakterien aus der Umwelt „nachfzufüllen“, zum Beispiel durch soziale Kontakte, aus der Luft oder auch aus der Natur. Studien zeigen, dass sich Haut- und Darmmikrobiom in einem artenreichen Umfeld wie einem Wald besser regenerieren, als in geschlossenen Räumen oder auf einem gepflegten, aber artenarmen Rasen.

Auch regelmäßige Bewegung bereichert die Bakterienwelt im Darm, wie Untersuchungen mit Büroangestellten zeigen . Wenn diese sich täglich zwischen 30 und 60 Minuten bewegten, stieg die bakterielle Vielfalt und die Anzahl Butyrat bildender Bakterien wie Faecalbakcerium prausnitzii oder Roseburia nahm deutlich zu.