Dieses Wirtschaftspapier der FDP rettet weder die Wirtschaft noch die FDP

Neue Forderungen aus der FDP: Mit zwölf Punkten soll die Wirtschaft vorangebracht werden – Effekte dieses Papiers wären aber gering

FDP-Chef Christian Lindner bei einer Parteikonferenz im Januar in Berlin (Bild: REUTERS/Annegret Hilse)
FDP-Chef Christian Lindner bei einer Parteikonferenz im Januar in Berlin (Bild: REUTERS/Annegret Hilse)

Es sickert ein Zwölf-Punkte-Plan durch: Die FDP empfiehlt den Regierungspartnern einen Kurs der sozialen Kälte. Das hilft der Profilierung. Aber was dies der Wirtschaft nutzen soll, steht in den neoaltliberalen Sternen.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Was gibt es Neues aus der Bundesregierung? Zumindest auf die FDP ist stets Verlass. Sie liefert Erregungspotenzial und Zündstoff gleichermaßen und frei Haus. Auch diese Woche schmiert sie den anderen Bündnispartnern SPD und Grünen eine Butter aufs Brot, die ihnen erstmal kaum gefällt. Warum vermiesen die Liberalen so gern die Koalitionsfrühstückslaune?

Weil es ihr um die Wirtschaft geht. Die ist grad nicht gut drauf, und da hat man sich als Politiker schon seine Gedanken zu machen. Die FDP als Partei der Besserverdiener fühlt sich natürlich berufen, besonders starke Pferde vor den Karren zu spannen, damit er schneller vorankommt.

Also haben die Liberalen für diese Woche an Streitbarem einen sogenannten Zwölf-Punkte-Plan entworfen, der demnächst den Parteigremien vorgelegt werden soll. Kern des Papiers ist die Botschaft, dass es Labsal für wirtschaftliche Entwicklung sein soll, eine Art Energydrink. Doch was ist genau drin?

Die SPD jedenfalls tobt, und die Grünen halten sich weise zurück. Aber man vernimmt schon, dass es nur die gute Erziehung ist, welche die Ökopartei davon abhält, öffentlich zu murren: Zufrieden sind sie mit den gedanklichen Ergüssen aus dem gelben Lager kaum. Die Grünen zeigen halt, allen Unkenrufen zum Trotz, immer noch die stärkste Koalitionsdisziplin. Sie schlucken die Unken, und damit auch manche Kröte.

Das kann man von der FDP nicht behaupten. Sie ist zwar die kleinste Partei in diesem Regierungstrio, aber auch die lauteste. Hört man von Nesthäkchen immer wieder.

Was die FDP nun einfordert, ist eine Melange, ein echtes Leipziger Allerlei: Es geht um Sozialleistungen, Renten, Steuern und Subventionen.

Ein bisschen von Allem, bitte

Für Bürgergeldempfänger zum Beispiel fordert die FDP bei Verweigern von Jobangeboten Konsequenzen, aber recht schnelle: Wer etwa „zumutbare Arbeit ohne gewichtigen Grund ablehnt, sollte mit einer sofortigen Leistungskürzung von 30 Prozent rechnen müssen“.

Ferner soll es Nullrunden bei den Sozialleistungen geben – also keine Angleichung an Lohnentwicklungen oder Preissteigerungen. Auch die Rente mit 63 soll ein Ende haben, die könnte man sich im Schatten des Fachkräftemangels nicht mehr leisten. Außerdem soll der Arbeitgeberbeitrag zur Arbeitslosenversicherung nach Erreichen der Regelarbeitsgrenze gestrichen werden. „Wer mit 72 noch arbeiten möchte, soll dies unter attraktiven Bedingungen auch machen können."

Wie sieht es zukünftig mit der Rente aus? (Symbolbild: Getty)
Wie sieht es zukünftig mit der Rente aus? (Symbolbild: Getty)

In der Klima- und Wirtschaftspolitik fordert der Entwurf, dass Windräder und Solaranlagen nicht mehr staatlich gefördert und die EEG-Umlage abgeschafft werden. Erneuerbare Energien sollen „endgültig in den Markt“ übernommen werden. Und das deutsche Lieferkettengesetz solle ausgesetzt werden. Bei der Umsetzung der EU-Lieferkettenrichtlinie sollen „alle Spielräume genutzt werden, um unverhältnismäßige und praxisferne Belastungen für die Wirtschaft zu verhindern“. Und schließlich: Ein „Jahresbürokratieabbaugesetz“ zur Bekämpfung des „Bürokratie-Burnouts“ soll her, und die vollständige Abschaffung des Solis sowie eine Senkung der Baukosten.

Über jeden einzelnen Punkt ließe sich viel reden. Und darüber ist auch zu diskutieren, es sind ja Vorschläge. Nur eines ist vorneweg klar: All diese Maßnahmen bringen keinen Schub für die wirtschaftliche Entwicklung. Sie lassen die Armen nur noch mehr leiden und die Reichen noch mehr in der Tasche haben. Und den Branchen der erneuerbaren Energien will die FDP sogar Bremsklötze anlegen und agiert ausgesprochen wirtschaftsfeindlich.

In der Summe ist dieser Zwölf-Punkte-Plan ein wirtschaftspolitischer Rohrkrepierer.

Gehen wir das einmal durch. Was zumutbare Arbeit ist, ist leicht behauptet und schwer genau definiert. Überhaupt betrifft der Umstand einer „Arbeitsverweigerung“ nur eine winzig kleine Gruppe von Menschen. Es ist ein Märchen, dass es Deutschlands Wirtschaft schlecht gehe, weil es zu viele Sofabesetzer gebe.

Über die Rente mit 63 lässt sich reden, da erlaube ich mir keine schnelle Meinung – die Schere zwischen Einzahlern und Beziehern wird ja immer größer, aber es ist andererseits natürlich eine Frage der Gerechtigkeit, Leute mit über 40 Arbeitsjahren auf dem Buckel entsprechend respektvoll zu behandeln. Gerechtigkeit scheint indes für die FDP zuerst eine für die Betuchten zu sein. Daher soll der Soli für sie wegfallen, obwohl sie dies kaum schmerzt.

Dass Wind und Sonne als Energieträger nicht noch mehr gefördert werden, ist schon blöd. Diese Subventionen aber abzubauen, wäre Wahnsinn. Zum einen sind sie Jobmotoren, und warum diese Märkte China überlassen, das übrigens mit den Subventionen weitaus weniger zimperlich ist? Man könnte sagen: Die Chinesen haben erkannt, was Wirtschaft braucht. Die deutschen Liberalen nicht. Das ist schon fast Arbeitsverweigerung.

Und klar, Bürokratieabbau ist vonnöten. Hier ringt die Ampel auch mit einigen Reformen. Und da sieht es nicht schlecht aus. Was den Liberalen genau vorschwebt, sollte man sich wohlwollend anschauen, wenn ihre Vorschläge konkret werden. Nur ist das Lieferkettengesetz nun wirklich kein Hemmschuh für die Wirtschaft – es wird aus Unternehmenskreisen nur so beweint. Im Bereich der Verantwortung für das eigene Tun ist Bürokratie schon notwendig; auf freiwilliger Basis haben es die großen Firmen halt nicht vermocht.

War’s das?

Unterm Strich ist dieser Plan kein echter Abschiedsbrief. Der Wirtschaft hilft er nicht wirklich. Nur den Blutdruck vor allem in der SPD wird er nach oben schießen lassen. Ist es das, was die FDP damit bezweckt?

Noch immer suchen die Liberalen ihre Rolle in der Koalition. Sie stellen sich am stärksten auf die Hinterbeine und sind Rekordhalter im Verhindern. Sie treten auf wie Rambo im Dschungel, nur sind Sozialdemokraten und Grüne keine Vietkong. Die FDP übt sich in Opposition, obwohl sie regiert. Verantwortungsgefühl jedenfalls sieht anders aus.

Schon wird geraunt, dieser Plan sei eine Wiederholung der Geschichte. Bereits 1982 schockte die FDP ihren Koalitionspartner von der SPD, indem sie einen Wirtschaftsplan vorlegte, den die Genossen ablehnten. Dies besiegelte das Ende der rot-gelben Bundesregierung und den Wechsel der FDP hin zur Union, Helmut Kohl wurde Kanzler.

Wer sich aber das damalige „Lambsdorff-Papier“ anschaut, sieht die Unterschiede zu heute. Zwar gibt es durchaus Parallelen in Bezug auf Sozialleistungen und Steuern. Das Dokument aus den frühen Achtzigern war aber eine detaillierte Blaupause, ein engmaschiges Konzept aus der damals neoliberalen Küche. Man mag diese Rezepte gut oder schlecht finden – sie waren jedenfalls umfassend. Die zwölf Punkte, die den Liberalen heute einfallen, sind hingegen reine Schonkost.

Damit wird niemand glücklich werden. Die Unternehmen wird es kaum jucken. Die Ärmeren wählen eh nicht FDP. SPD und Grüne müssen weiterhin ihr Leidenspotenzial austesten. Und die Liberalen kommen damit auch nicht auf einen gelben Zweig. Sie sollten vielleicht weniger reden und mehr machen.

Weitere Infos zu den Wirtschaftsideen der FDP: