Entscheidung des Obersten Gerichtes der USA - Politik-Experte stellt klar: Gerichtsprozesse werden Trump nicht verhindern

Für Trump hat die Entscheidung große Bedeutung.<span class="copyright">Carlos Osorio/AP/dpa</span>
Für Trump hat die Entscheidung große Bedeutung.Carlos Osorio/AP/dpa

Der Oberste Gerichtshof der USA hat am 1. Juli ein Urteil zur Frage gefällt, ob Präsident Donald Trump Immunität in den Gerichtsverfahren beanspruchen kann, die gegenwärtig gegen ihn laufen. Politik-Experte Joachim Krause erklärt die Folgen und den Hintergrund der Entscheidung.

Was bedeutet die Entscheidung des Obersten Gerichtes der USA für Trump?

Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs hat für viel Kritik gesorgt, vor allem da erkennbar ist, dass sie nicht einstimmig fiel, sondern nur von der konservativen Mehrheit getragen wurde. Einige Kommentatoren sprechen schon von einem Freibrief für Trump und vom Ende der Demokratie in den USA. Im Trump-Lager hingegen wird, was kaum überrascht, das Urteil begrüßt. Tatsächlich fällt das Urteil differenzierter aus, als es auf den ersten Blick erscheint.

Dennoch bleiben viele offene Fragen. Sicher scheint nur eines zu sein: eine Verurteilung Trumps wegen des Versuchs der Manipulation der Wahlergebnisse zu seinen Gunsten wird es vor den Wahlen im November nicht geben. Der Oberste Gerichtshof hat den zuständigen Bezirksgerichten Prüfaufträge erteilt, die zu bearbeiten sehr zeitaufwändig sein wird. Das ist zu bedauern, denn was Trump vorhatte, kam einem Staatsstreichversuch recht nahe.

Andererseits muss man dem Obersten Gericht zugutehalten, dass es der Gefahr vorbeugen will, dass das Rechtssystem der USA durch möglicherweise parteipolitisch motivierte Staatsanwälte und Richter in Misskredit gerät. Die Polarisierung von Gesellschaft und Politik hat in den USA ein besorgniserregendes Maß erreicht, wozu die Gerichtsverfahren gegen Trump erheblich beigetragen haben.

Anlass für diese Entscheidung war der Versuch Trumps und seiner Anwälte, für sein Verhalten als Präsident absolute Immunität zugesprochen zu bekommen. Die Argumentation des Ex-Präsidenten und seiner Rechtsvertreter war geradezu absurd. Es wurde argumentiert, dass er uneingeschränkte Immunität für alle seine Handlungen beanspruchen könne (selbst wenn er einen Mord befehlen würde) und dass nur dann ein strafgerichtliches Verfahren gegen einen Präsidenten zulässig wäre, wenn dieser zuvor in einem Impeachment-Verfahren vom Kongress abgesetzt worden war. Diese Position war zuvor von einem Berufungsgericht auf Bundesebene zurückgewiesen worden und hat auch das Oberste Gericht nicht überzeugt.

Aber anders als das Berufungsgericht hat der Oberste Gerichtshof die auch bislang als gesichert angenommene rechtliche Position vertreten, wonach der Präsident der USA in der Wahrnehmung seiner offiziellen, verfassungsmäßigen Aufgaben erst einmal immun vor der Strafjustiz ist. Das sei die Voraussetzung dafür, dass die Exekutive der USA handlungsfähig bleibe. Auch ein ehemaliger Präsident genieße, so der Oberste Gerichtshof, „eine gewisse Immunität vor strafrechtlicher Verfolgung für Amtshandlungen während seiner Amtszeit“.

Zumindest in Bezug auf die Ausübung der verfassungsmäßigen Kernbefugnisse des Präsidenten müsse diese Immunität, so das Gericht weiter, absolut sein. Was seine übrigen Amtshandlungen betrifft, so habe er „ebenfalls Anspruch auf Immunität“. Es gäbe aber keine Immunität für Handlungen nicht offizieller Natur.

Viele Fragen bleiben offen

Mit diesen Formeln verbinden sich eine Vielzahl von Fragen. Was ist mit „einer gewissen Immunität“ gemeint, was mit „absoluter“? Was muss man unter den „verfassungsmäßigen Kernbefugnissen“ des Amts verstehen? Und wie unterscheidet man zwischen offiziellen und nicht-offiziellen Handlungen? Und was bedeutet, dass ein ehemaliger Präsident „Anspruch auf Immunität“ habe?

Liest man das 120 Seiten lange Urteil durch, dann wird eines deutlich: Die Mehrzahl der Richter des Obersten Gerichtshofes wollen sicherstellen, dass die Justiz nicht in den Geruch gerät, parteipolitisch instrumentalisiert zu werden.

Zum Hintergrund: In den USA werden Staatsanwälte von der Bevölkerung gewählt und die Richter von den Gouverneuren ernannt. Das ist anders als bei uns, wo Staatsanwälte und Richter einer Justiz angehören, die sich bewusst als nicht parteigebunden versteht und wo strenge professionelle Kriterien für die Auswahl von Staatsanwälten und Richtern im Mittelpunkt stehen. So gerechtfertigt die Anklagen gegen Trump wegen seines Verhaltens im Dezember 2020 und Januar 2021 auch sind, die US-Justiz ist stets verwundbar für die Behauptung der politischen Instrumentalisierung.

Und das ist genau die Strategie Trumps, der behauptet, die gegen ihn laufenden Gerichtsverfahren seien von den Demokraten und der Biden-Administration gesteuert. Mit dieser Strategie hat er im Übrigen Erfolg gehabt. Nach seiner Verurteilung in New York wegen fehlerhafter Angaben zu der Zahlung von Schweigegeldern an eine Pornofilmdarstellerin stiegen seine Beliebtheitswerte an und es flossen enorme Summe in seine Wahlkampfkasse.

Von daher hat diese Entscheidung des Obersten Gerichtshofs auch sein Gutes. Die jeweiligen Anklagevertreter und Bezirksgerichte werden erst einmal sehr genau prüfen müssen, wo Trump einen Anspruch auf Immunität hat und ob und aus welchen Gründen er diese Immunität verwirkt haben könnte. Das wird ein langwieriger Prozess, der allerdings notwendig ist, um in der derzeitigen Phase der völlig überhitzten Polarisierung in den USA die Beschädigung des Ansehens der Justiz zu vermeiden.

Wer gehofft hatte, dass Trump vor den Wahlen im November im Gefängnis sitzt und deshalb als Kandidat diskreditiert ist, der sieht sich enttäuscht. Es ist ärgerlich, dass Trump mit dieser Masche erst einmal durchkommt, aber es wäre zu einfach zu denken, dass Gerichtsprozesse Trump verhindern können. Seine größte Stärke ist die Schwäche der Demokraten, die den amtierenden, greisen Präsidenten nicht davon abhalten können oder wollen, sich noch einmal für das höchste und wichtigste Amt der USA zur Wahl zu stellen.