Experten: Schweizer Bührle-Stiftung muss Kunst von NS-Waffenhändler besser untersuchen

Ein Expertenteam hat der Schweizer Stiftung Bührle "unzureichende" Herkunftsforschung zu den mehr als 600 Werken ihrer Kunstsammlung bescheinigt, die während des Nationalsozialismus von dem Waffenhändler Emil Bührle unter fragwürdigen Umständen erworben wurde. (ARND WIEGMANN)
Ein Expertenteam hat der Schweizer Stiftung Bührle "unzureichende" Herkunftsforschung zu den mehr als 600 Werken ihrer Kunstsammlung bescheinigt, die während des Nationalsozialismus von dem Waffenhändler Emil Bührle unter fragwürdigen Umständen erworben wurde. (ARND WIEGMANN)

Ein Expertenteam hat der Schweizer Stiftung Bührle "unzureichende" Herkunftsforschung zu den mehr als 600 Werken ihrer Kunstsammlung bescheinigt, die während des Nationalsozialismus von dem Waffenhändler Emil Bührle unter fragwürdigen Umständen erworben wurde. Die Provenienzforschung sei "unzureichend" und müsse "fortgesetzt werden", erklärten die Experten unter der Leitung des Historikers Raphael Gross am Freitag bei der Vorstellung ihres Abschlussberichts.

Die von Gross geleitete Untersuchung kommt zu dem Schluss, dass die Herkunft der Werke weiterer Klärung bedarf. Viele der Werke gehörten vom NS-Regime verfolgten Juden. Die Herkunftsforschung sei so oberflächlich, dass entscheidende Indikatoren übersehen worden seien, hieß es in dem Bericht.

Gross und sein Team waren seit 2023 im Auftrag der Stadt und des Kantons Zürich sowie der Zürcher Kunstgesellschaft, der Trägerin des Kunsthauses Zürich, damit beauftragt, die Provenienzforschung der Stiftung zu überprüfen. Im Kunsthaus sind rund 180 der Werke seit 2021 in einem speziell dafür errichteten Neubau ausgestellt.

Unter anderem nahmen sie die Provenienzuntersuchung der Stiftung zu  fünf renommierten Werken eingehend unter die Lupe. Eines der Werke, "Madame Cézanne mit Fächer" von Paul Cézanne, hatte der jüdischen Schriftstellerin, Dichterin und Kunstsammlerin Gertrude Stein gehört, die im von den Nazis besetzten Frankreich lebte. "Gertrude Stein verkaufte es an einen Kunsthändler, der nachweislich die Notlage jüdischer Flüchtlinge ausnutzte", hieß es in dem Bericht. "Die Provenienz dieses Werkes ist noch nicht ausreichend erforscht."

Die zentrale Empfehlung der Experten lautet daher, dass weitere Forschung nötig sei. Diese soll sich demnach auf die Aufklärung des jüdischen Vorbesitzes und des verfolgungsbedingten Entzugs der Werke aus der Sammlung Emil Bührle konzentrieren. "Ohne die Verfolgung der Juden wäre die Sammlung Bührle so nie zustande gekommen", sagte Gross.

Zudem solle die Zürcher Kunstgesellschaft als Trägerin des Kunsthauses ein Gremium einsetzen, das ein Prüfschema für NS-verfolgungsbedingten Entzug entwickelt. Dieses soll sowohl für die eigene Sammlung des Kunsthauses Zürich als auch für die Dauerleihgaben angewendet werden.

Emil Bührle verdiente im Zweiten Weltkrieg mit seinen Waffenlieferungen an die Nazis ein Vermögen - und kaufte damit unter anderem Kunst. Bührle war gebürtiger Deutscher, 1937 bürgerte ihn die Schweiz ein.

Zur Sammlung, die der Waffenhändler von 1936 bis 1956 anlegte, zählen 633 Werke. Bis zu seinem Tod 1956 erwarb er unter anderem Gemälde von Manet, Renoir, Degas, Monet, Cézanne, Rembrandt, Toulouse-Lautrec, Picasso, Braque, Van Gogh und Gauguin. Einige der Werke waren zuvor ihren jüdischen Besitzern geraubt worden oder die Eigentümer mussten sie auf der Flucht vor den Nazis überstürzt und unter Wert verkaufen.

kas/mid