Es fehlen Milliarden Euro jedes Jahr - Brücken, Straßen, Schienen: So marode ist Deutschlands Infrastruktur

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Blick auf die eingerüstete Elstertalbrücke.Jan Woitas/dpa

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) plant, im Haushalt für 2025 Einsparungen im Verkehrsbereich vorzunehmen, obwohl gerade hier dringend hohe Investitionen erforderlich sind. Eine Analyse zeigt, wie schlecht es um Deutschlands Straßen, Schienen und Kanäle steht.

5,2 Milliarden Euro will Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) im kommenden Jahr in seinem Ressort einsparen. Wie das geschehen soll, hat der Minister bereits angekündigt: weniger Geld für den Erhalt und Ausbau der Autobahnen, weniger Investitionen als geplant in den Ausbau des Schienennetzes. Für ein Bündnis von Wirtschafts- und Verkehrsverbänden, darunter das Deutsche Verkehrsforum (DVF), der ADAC und der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie, ist das eine rote Linie: „Die immer deutlicher werdenden Kürzungsabsichten der Bundesregierung bei den Verkehrsinvestitionen stehen in krassem Widerspruch zur Verkehrsrealität“, schreiben sie in einem als „Weckruf“ bezeichneten offenen Brief. „Brücken, Schleusen und Verkehrswege sind in einem kritischen Zustand“, heißt es. Zudem erfordere die notwendige Digitalisierung viel Geld. Die Verbände fordern daher, die ursprünglichen Investitionssummen des Klima- und Transformationsfonds (KTF) plus Inflationsausgleich für die Folgejahre wieder festzuschreiben. Die dafür notwendigen Mittel sind allerdings dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum KTF zum Opfer gefallen.

Wie schlecht es um die deutsche Infrastruktur tatsächlich bestellt ist, zeigt eine Analyse der einzelnen Sektoren.

1. Autobahnen und Bundesstraßen – 16 Prozent sind sanierungsbedürftig

Wer auf Deutschlands Autobahnen unterwegs ist, hat seit Jahren den Eindruck, von Baustelle zu Baustelle zu fahren - ein Zustand, der sich auch in den nächsten Jahren kaum ändern dürfte, wenn alles repariert würde, was repariert werden kann. Rund 13.000 Kilometer umfasst das Netz der Bundesautobahnen. Alle paar Jahre erfasst die Autobahn GmbH des Bundes den Zustand der Fahrbahnen. Im letzten Bericht aus dem Jahr 2022 kam sie zu dem Ergebnis, dass 7112 Fahrbahnkilometer Erhaltungsbedarf haben, wie es im Verwaltungsdeutsch heißt. Eine dreispurige Autobahn, die auf einer Länge von einem Kilometer saniert werden müsste, zählt dabei als drei Fahrbahnkilometer. Damit sind rund 12 Prozent der Autobahnen sanierungsbedürftig. Hinzu kommen 8510 Fahrstreifenkilometer auf Bundesstraßen, für die der Bund ebenfalls zuständig ist. Das entspricht dort rund 21 Prozent des Netzes. Insgesamt sind also von den knapp 100.000 Kilometern Fahrbahnen und Fahrstreifen in Deutschland 15.622 Kilometer sanierungsbedürftig. Das sind rund 16 Prozent.

Die Erhaltungsbedarfsprognose des Bundesverkehrsministeriums sieht dafür bis 2030 durchschnittliche Ausgaben von 2,1 bis 2,4 Milliarden Euro pro Jahr vor. Die für die Erhaltung zuständige Autobahn GmbH rechnet in ihrem letztjährigen Geschäftsbericht mit 2,9 Milliarden Euro in diesem und im nächsten Jahr allein für die Erhaltung der Fahrbahnen. Sie listet 29 Projekte auf, die sich bereits im Bau oder in der Planung befinden.

2. Brücken – Fast die Hälfte muss saniert werden

Wenn sich 16 Prozent marode Fahrbahnen für Sie noch entspannt anhören, wird es bei Brücken noch schlimmer. Die Autobahn GmbH zählt 8000 Bauwerke an oder über Autobahnen, dazu 3000 bei Bundesstraßen, die langfristig saniert werden müssen. Hierbei ist kein bestimmter Zeitraum genannt. 11.000 Brücken machen rund ein Viertel der 40.000 Brücken an und über Autobahnen und Bundesstraßen in Deutschland aus. Bei Eisenbahnbrücken sieht es ähnlich aus. Hier fallen nach Angaben der dafür zuständigen DB InfraGO AG 1160 der 25.740 Brücken in die Zustandskategorie 4, welche einen Neubau verlangt und weitere rund 10.000 in die Kategorie 3. Die stellt einen „nicht ausreichenden Bauwerkszustand“ dar, also einen vielleicht nicht unmittelbaren, aber doch mittelfristig gegebenen Sanierungsbedarf.

Insgesamt bedeutet dies, dass in den nächsten Jahren fast die Hälfte der deutschen Eisenbahnbrücken entweder saniert oder komplett neu gebaut werden muss. Die Zahl der Brücken in Kategorie 4 ist mit 4,4 Prozent zwar gering, aber seit Jahren leicht steigend. Das liegt daran, dass jedes Jahr mehr Brücken altersbedingt abrutschen als saniert werden.

Die Kosten für die Erneuerung der Brücken bei Autobahnen und Bundesstraßen schätzt die Autobahn GmbH auf rund 5,9 Milliarden Euro pro Jahr. So viel Geld gibt es von der Bundesregierung allerdings nicht. Für 2025 plant Wissing nur ein Budget von rund 5 Milliarden Euro für die Autobahn GmbH, 1,3 Milliarden Euro weniger als ursprünglich gedacht. Von dem Geld muss das Unternehmen sowohl Brücken als auch Fahrbahnen sanieren – neben den laufenden Kosten.

Für die Eisenbahnbrücken rechnete die Deutsche Bahn 2021 gegenüber der Bundesregierung mit Kosten von 7,7 Milliarden Euro allein für die damals noch 1089 Brücken in der Kategorie 4. Das wären rund 7 Millionen Euro pro Brücke und bei realistischen 250 Sanierungen pro Jahr ein Kostenpunkt von 1,8 Milliarden Euro. Hinzu kämen Kosten für die Sanierung von Brücken in Kategorie 3 in unbekannter Höhe.

3. Schienen – 30 Prozent haben die Lebensdauer überschritten

61.045 Kilometer fasst das deutsche Schienennetz und eigentlich soll es unter der Ampel-Regierung wieder deutlich besser werden. Dazu muss viel saniert werden. Die Deutsche Bahn gab für das vergangene Jahr an, dass 17.636 Kilometer der Gleisanlagen ihre durchschnittliche technische Nutzungsdauer überschritten haben. Wie bei den sanierungsbedürftigen Straßen und Brücken bedeutet das nicht, dass sie unsicher sind und nicht mehr genutzt werden können, aber das hier eine Sanierung notwendig wäre. Das sind immerhin 29 Prozent aller Schienen in Deutschland.

Wie viel diese Sanierung kosten wird, ist unklar. Um das Schienennetz insgesamt attraktiver zu gestalten, baut die Deutsche Bahn in den kommenden Jahren viele Strecken neu oder aus, reaktiviert Netze und Bahnhöfe. Insgesamt sind dafür 88 Milliarden Euro bis 2027 notwendig, von denen rund die Hälfte aus dem Bundeshaushalt finanziert werden soll. Vorgesehen sind aber in diesem Jahr nur 7,5 Milliarden Euro aus dem Verkehrsministerium. In den kommenden Jahren dürfte dieser Betrag kaum steigen. Von den nötigen 43 Milliarden Euro zusätzlich zum bisherigen Budget bis 2027 sind durch das Urteil zum Klima- und Transformationsfonds Ende 2023 nach Angaben des Verbandes der Bahnindustrie (VDB) sowieso nur noch 24 Milliarden Euro übrig geblieben, von denen wiederum 13 Milliarden Euro durch eine Eigenkapitalerhöhung der Bahn finanziert werden.

Zudem muss die Deutsche Bahn mit den 7,5 Milliarden Euro nicht nur Schienen, sondern auch die Brücken erneuern, was allein wie oben gezeigt 1,8 Milliarden Euro pro Jahr verschlingt. Außerdem sind davon alle Neubauprojekte zu bezahlen. Kurz gesagt: „Mit den verkehrspolitischen Zielen der Regierung sind die Sparmaßnahmen absolut unvereinbar“, sagt VDB-Hauptgeschäftsführerin Sarah Stark .

4. Für Wasserstraßen fehlen jetzt schon 500 Millionen Euro pro Jahr

Die deutschen Wasserstraßen, also Flüsse und Kanäle, stehen in der öffentlichen Diskussion immer etwas im Hintergrund, sind aber nicht weniger wichtig. Bis 2030 soll sich der Anteil der Waren, die hier verschifft werden, auf 12 Prozent gegenüber 2021 verdoppeln. Aber auch das muss bisher auf maroder Infrastruktur geschehen. Rund die Hälfte der Schleusen, Wehre und Brücken stammt noch aus der Zeit von vor 1950. „Um den Sanierungsstau abzubauen, müsste die WSV in Kurz- und Mittelfrist dreimal mehr Schleusen und Brücken und rund 20-mal mehr Wehre bauen als in den vergangenen Jahren“, schrieb die Initiative System Wasserstraße (ISW), ein Lobbyverband, in dem sich Verbände aus der Schifffahrt, der Logistikbranche und von Häfen zusammengeschlossen haben.

Der ISW geht von rund zwei Milliarden Euro aus, die jedes Jahr investiert werden müssten. Die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) kalkuliert mit 1,7 Milliarden Euro. Vorgesehen sind im Bundeshaushalt für dieses Jahr nur knapp 1,2 Milliarden Euro. Mehr soll es auch in den kommenden Jahren nicht werden. Nach Schätzungen beider Verbände sind zwischen 100 und 350 Schleusen und Wehre sanierungsbedürftig. Tatsächlich saniert wurden seit 2016 aber weniger als zehn.

Bei den Wasserstraßen geht es nicht nur um Bauwerke wie eben Schleusen und Wehre. Die Branche leidet auch am stärksten unter den jetzt schon eingetretenen Folgen des Klimawandels. So musste in den vergangenen Jahren im Sommer häufiger als zuvor der Betrieb an großen Flüssen wie dem Rhein eingeschränkt werden. Ausbleibende Regenfälle hatten zu Niedrigwasser geführt. Dem müsste die Bundesregierung damit begegnen, dass sie tiefere Fahrrinnen für die Schiffe aushebt. Das wiederum ist aber auch ein ökologisches Streitthema, weil darunter Fische und andere Flussbewohner leiden würden.

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