Als Habeck seine Wirtschaftspolitik verteidigt, muss Merz plötzlich lachen
Robert Habeck und Friedrich Merz standen sich bei "Maybrit Illner" im Duell gegenüber - und waren sich in vielen Fragen einig. Doch als es um Wirtschaftspolitik ging, wurde es hitzig. Am Ende einer Schimpftirade von Merz folgte ein Gefühlsausbruch, den Habeck als ganz und gar unangemessen wahrnahm.
"Was braucht Deutschland jetzt?" - diese Frage sollten der Vizekanzler Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) und der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz am Donnerstag im ZDF-Polittalk "Maybrit Illner" beantworten. Das Duell war dafür in vier Themenkomplexe eingeteilt. Hier lesen Sie die wichtigsten Diskussionspunkte.
1. Nordstream 2 als "Ursünde"?
Maybrit Illner wollte wissen, ob Nordstream 2 als "Ursünde" Schuld an der schwächelnden Wirtschaft in Deutschland trage. Merz wies in Bezug auf die umstrittene Erdgaspipeline von Russland nach Deutschland jegliche Verantwortung von sich und seiner Partei. "Durch Nordstream 2 ist kein einziger Kubikmeter Gas geflossen", rechtfertigte er sich. Und für Nordstream 1 sei allein die SPD verantwortlich. "Wir haben alle die Lage in Russland falsch eingeschätzt", gab der CDU-Vorsitzende an. "Aber Gas als Energieträger nicht."
Habeck hingegen sieht Nordstream 2 "nur als einen Teil des Bildes". "Es wurde schon im August 21 und früher gewarnt, dass Deutschland erpressbar sein könnte", argumentierte der Bundeswirtschaftsminister hinsichtlich der Abhängigkeiten von Russland. Diese habe es "ohne Ende" gegeben. Sie seien zwar gesehen worden, wurden aber abgetan. "Das hat verzögert zu einem tiefen Einbruch geführt", meinte Habeck. Und: "Die alte Bundesregierung hätte Schaden abwenden können."
2. Unterstützung der Ukraine
In der Frage der Unterstützung der Ukraine gegen den russischen Angriffskrieg waren sich die beiden Politiker hingegen sehr einig - auch darin, dass mehr getan werden muss. "Da sind wir sehr dicht beieinander", gab Habeck zu. "Wenn die Ukraine nach zwei Jahren immer noch nicht genug Waffen hat, dann haben wir gegenüber der Ukraine einen Fehler gemacht", räumte der Vize-Kanzler ein. Es sei im eigenen Interesse Deutschlands die Ukraine zu unterstützen. "Es ist ein Kampf um Freiheit und ein freies Europa", lautete Habecks Begründung.
Merz fügte gar hinzu: "Putin zerstört die europäische Nachkriegsordnung und will mit Waffengewalt die Landkarte neu vermessen." Deshalb wolle er Deutschland davor bewahren, dass "wir in zehn Jahren wieder hier sitzen und sehen, dass wir denselben Fehler wieder gemacht haben."
3. Abschiebungen in unsichere Länder
Am Donnerstag hatte sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Bundestag in einer Regierungserklärung dafür ausgesprochen, Schwerstkriminelle und Gefährder auch in unsichere Länder wie Afghanistan und Syrien abzuschieben. Das Sicherheitsinteresse Deutschlands wiege in solchen Fällen schwerer als das Schutzinteresse des Täters, begründete der 65-Jährige seinen Vorstoß.
Die Debatte war nach der Gewalttat eines mutmaßlichen Islamisten aus Afghanistan in Mannheim neu entbrannt. Dabei war ein Polizist getötet worden. Forderungen nach Abschiebungen schwerer Gewalttäter auch nach Afghanistan und Syrien kamen aus SPD, FDP und Union. Die Grünen zeigen sich skeptisch.
Merz sah in den Worten des Kanzlers "nur eine wohlklingende Formulierung, der jetzt Taten folgen müssen". Er fand, dass die "Sicherheit unseres Landes da im Vordergrund steht und nicht die des Täters". Über den Bundeskanzler schimpfte er: "Er hat die Lage nicht im Griff."
"Unsere klare Ansage muss sein, dass wir diejenigen brauchen, die sich verdient gemacht haben. Diejenigen, die die Regeln des Landes so fundamental verletzen, die müssen raus", forderte Habeck. Er betonte aber auch: "Härtere Abschiebungen verhindern keine Straftaten oder islamistischen Terror." Sie seien vielmehr eine Konsequenz daraus. Deshalb plädierte er für ein "Paket von Maßnahmen, von denen die Abschiebungen eine ist".
4. Welche Wirtschaftspolitik ist die richtige?
Mit der Einigkeit von Merz und Habeck war es schnell vorbei, als es um den von Merz im Verlaufe der Sendung bereits einmal eingeforderten Themenkomplex Wirtschaftspolitik ging. Der amtierende Bundeswirtschaftsminister Habeck sah zwar noch keine komplette Wende, aber man sei dabei, "den Karren aus dem Dreck zu ziehen". Dem konnte Merz ganz und gar nicht zustimmen und verfiel prompt in eine Schimpftirade. Er richtete schwere Vorwürfe an Habeck, etwa: "Sie fahren den Karren in den Dreck", "Sie wissen weder ein noch aus", oder auch "Sie als Wirtschaftsminister haben vom ersten Tag an die falsche Richtung genommen."
Habeck nahm es gelassen hin, verwies auf strukturelle Probleme, wie etwa eine Überalterung der Gesellschaft oder auch auf Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine und die damit einhergehenden Energieprobleme. Vieles bezeichnete er als "geerbte Probleme" vorheriger Regierungen. "Die strukturellen Fehler sind lange davor aufgebaut worden", zog er sich aus der Affäre.
"Herr Merz tut so, als ob es eine Wirtschaftspolitik gibt und die kann man richtig oder falsch machen", gab der Grünen-Politiker an. "Dabei geht es um die prinzipielle Frage: Sind wir bereit, Entscheidungen zu treffen, die in der Vergangenheit nicht getroffen wurden?" Ein sich selbst regulierender Markt werde die Schlüsselindustrien nicht im Land halten. Während Habeck all das ausführte, fing Merz plötzlich an zu lachen. "Ich finde es nicht richtig, da zu lachen", wies der Vize-Kanzler den CDU-Vorsitzenden zurecht. "Sie lachen da auch über die Unternehmer."
Doch Merz ließ sich nicht davon abbringen. "Ihre Industriepolitik trägt sich über Milliarden von Subventionen", schimpfte er. "Sie ist am Ende." Habeck verteidigte sich, das sei ein "Denken der Vergangenheit", denn "Industriepolitik darf nicht mit der Rettung der Industrie verwechselt werden". Doch dann, gerade als sich der Abend zu einem hitzigen Duell im wahrsten Sinne des Wortes entwickelte, musste die Moderatorin die Diskussion aus Zeitgründen beenden.