Abschiebeplan von Scholz: "Pokerface" Nouripour warnt bei Lanz vor "Scheinlösung"

"Wie ein Pokerspieler sagen Sie das, ich glaube Ihnen das nicht": Markus Lanz (links) zweifelte daran, dass Omid Nouripour im Vorhinein vom Asyl-Vorstoß des Bundeskanzlers wusste. (Bild: ZDF / Markus Hertrich)
"Wie ein Pokerspieler sagen Sie das, ich glaube Ihnen das nicht": Markus Lanz (links) zweifelte daran, dass Omid Nouripour im Vorhinein vom Asyl-Vorstoß des Bundeskanzlers wusste. (Bild: ZDF / Markus Hertrich)

Als "denkwürdigen Tag" bezeichnete Markus Lanz den 6. Juni 2024: "Straftäter gehören abgeschoben - auch wenn sie aus Syrien und Afghanistan stammen", mit diesen Worten hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Bundestag Terror den Kampf angesagt. Anlass war der tödliche Messerangriff auf einen Polizisten in Mannheim vergangene Woche.

"Wie kalt wurden Sie und die grüne Parteibasis von dieser deutlichen Ansage erwischt?", wollte Moderator Lanz in seiner Talk-Show von Grünen-Chef Omid Nouripour wissen. Hatte er mit einer kritischen Reaktion oder einem Plädoyer für eine andere Migrationspolitik gerechnet, wurde er enttäuscht: "Wir wussten, dass er das sagen würde", gab sich der Politiker betont unaufgeregt. Lanz hingegen konnte seine Emotionen nicht verbergen: "Wer ist wir? Die Fraktion wusste das?", fragte er überrascht nach, "wie ein Pokerspieler sagen Sie das, ich glaube Ihnen das nicht".

"Ich bin nicht für Ihren Glauben zuständig", reagierte Nouripour schlagfertig und sorgte für Lacher im Publikum. "Sagen Sie nicht, dass es das Selbstverständlichste war, was heute passierte", konnte Lanz sein Staunen nicht unterdrücken. "Sie sind dafür, und alle anderen Grünen auch, dass demnächst Straftäter nach Afghanistan und Syrien abgeschoben werden?", hakte er nach. "Wir wollen die Leute nicht im Land haben", bestätigte Nouripour. Allerdings sollte man der deutschen Bevölkerung "auch nicht Sand in die Augen streuen. Der Islamismus ist nicht weg, wenn man die Augen verschließt."

Grünen-Chef Omid Nouripour warnte:
Grünen-Chef Omid Nouripour warnte: "Der Islamismus ist nicht weg, wenn man die Augen verschließt." (Bild: ZDF / Markus Hertrich)

Wollte man den Islamismus bekämpfen, wäre eines jedenfalls aus Nouripours Sicht nicht möglich: "Steinzeitislamisten wie die Taliban anerkennen als Regierung Afghanistan, das wäre aber die erste Grundlage für ein Abschiebeabkommen", wurde er dann doch etwas emotionaler. Das ging auch an Moderator Lanz nicht vorüber: "Jetzt habe ich Sie langsam auf Betriebstemperatur", beobachtete er. "Sie sind sauer." "Nein", widersprach Nouripour, "es ist nur mit Nachdruck zu erklären: Wir wollen diese Leute nicht, kann sie aber nicht wegzaubern."

"Wie wollen wir (Anm.: Straftäter) nach Afghanistan abschieben?", stellte Markus Lanz die Gretchenfrage. "Das wird uns die Innenministerin erzählen", antwortete Nouripour. Der Bundeskanzler hätte im Bundestag ohnehin nur gesagt, dass es seit Februar 2024 einen "Prüfauftrag" gäbe und das Bundesinnenministerium in zwei Wochen ein Modell vorlegen sollte. Letzteres hätte seiner Ansicht eine "gigantische Zahl von Schwierigkeiten und Hürden" zu überwinden: Einerseits ginge es um die Organisation der Rückführungen. Gleichzeitig dürfe man nicht zulassen, dass der Islamismus gestärkt werde. "Wir sollten keine Wege gehen, die Islamisten hier stärken und nur Scheinlösungen sind", betonte er.

Der Abschiebeplan von Bundeskanzler Olaf Scholz bestimmte am Donnerstagabend die Diskussion bei
Der Abschiebeplan von Bundeskanzler Olaf Scholz bestimmte am Donnerstagabend die Diskussion bei "Markus Lanz". (Bild: ZDF / Markus Hertrich)

Scheinlösungen war ein Stichwort, auf das Lanz sofort reagierte: "Ist das, was der Kanzler präsentiert hat, eine Scheinlösung?", hakte er nach, biss sich aber an Nouripour die Zähne aus: "Ich weiß nicht, was die Innenministerin in zwei Wochen vorlegt, vielleicht hat sie eine geniale Idee, auf die ich nicht komme. (...)", wiederholte er: "Am Ende der Prüfung darf keine Scheinlösung stehen."

"Wir können Geld ins Land schicken, können Leute hierherholen - aber sie nicht zurückschicken, das ist schwer zu erklären", zweifelte Helene Bubrowski, stellvertretende Chefredakteurin von Table.Media, an dieser Argumentation. Die Grünen fänden immer zehn Gründe, warum Dinge nicht funktionieren, kritisierte sie. Auch wenn es sich um eine "vollmundige Ankündigung" seitens Scholz handele, hielte sie es für wichtig, alle Optionen auf den Tisch zu legen. "Sonst sind die Rechtspopulisten gestärkt, wenn Demokraten nicht die Probleme lösen", argumentierte sie.

"Das Spannende ist, dass sich der politische Zeitgeist geändert hat", analysierte ZDF-Korrespondent Ulf Röller die Situation und sprach von einer "Koalition der Afghanistan-Versteher zwischen Scholz und Merz". Die Grünen müssten hingegen immer wieder sagen, warum es nicht ginge. Diese Minderheitenposition hätte die Partei auch auf der europäischen Bühne: "Die europäische Migrationspolitik dreht sich nur darum, wie man an der Außengrenze Leute abfangen kann, wie wir sie zurückschicken, in Drittstaaten einen Asylantrag stellen lassen", gab er zu bedenken, "wenn die geistigen Väter Merz und Scholz bereit sind mit Afghanistan zu reden, ist das nur der Anfang, das ist in Europa ein Startschuss auch für andere zu sagen, die Deutsche sind mit dabei und dann gehen wir den Weg noch härter weiter."

ZDF-Korrespondent Ulf Röller glaubte, eine
ZDF-Korrespondent Ulf Röller glaubte, eine "Koalition der Afghanistan-Versteher zwischen Scholz und Merz" zu erkennen. (Bild: ZDF / Markus Hertrich)

Apropos härter: Vom Rechtsruck und der Stimmung in Europa, insbesondere in den Nachbarländern Österreich und Ungarn, konnte auch Britta Hilpert, ZDF-Korrespondentin berichten. Als die Journalistin zuerst von Propaganda der ungarischen Regierung gegen Migranten auch in Deutschland erzählte und danach Geschichten über die chinesische Einflussnahme in der EU erzählte, konnte sich Markus Lanz nicht mehr zurückhalten.

"Du siehst mich mit offenem Mund", meinte er gegen Ende der Talk-Show. Den Einwurf von Omid Nouripour, dass ihm das sonst kaum passierte, wies der Moderator von sich: "Aber heute (Anm.: passiert es) besonders oft", gab er zu. Entsprechend lauteten auch Lanz' Abschiedsworte an seine Gäste: "Danke, dass Sie so aufklärerisch tätig waren."